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scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

DIE VIELFALT NATÜRLICHER FORTPFLANZUNGSSTRATEGIEN BEI PFLANZEN<br />

Isabell Hensen, Astrid Grüttner und Constanze Ohl<br />

Bei Pflanzen besteht hohe »K<strong>in</strong>der«sterblichkeit – Keimung und Etablierung stellen <strong>in</strong> ihrem<br />

Lebenszyklus die bei weitem risikoreichsten Phasen dar. Daher beschäftigt sich die<br />

Arbeitsgruppe Pflanzenökologie des Instituts für Geobotanik seit e<strong>in</strong>igen Jahren mit der<br />

Aufklärung der Fortpflanzungsmechanismen und Regenerationsstrategien von Pflanzen <strong>in</strong><br />

den verschiedensten Lebensräumen.<br />

Lebensraum <strong>in</strong> Bewegung: Wer kann<br />

hier siedeln?<br />

Gewässerränder s<strong>in</strong>d unter natürlichen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

hochdynamisch. Dies gilt besonders<br />

für die Ufer von Flüssen, deren Abflussmenge<br />

extrem variabel se<strong>in</strong> kann, die<br />

ihren Lauf verändern, Substrat wegreißen,<br />

transportieren und an anderer Stelle wieder<br />

ablagern – die jüngsten Hochwasserereignisse<br />

haben uns diese Tatsache dramatisch<br />

<strong>in</strong>s Gedächtnis gerufen. Die Dynamik von<br />

Gewässerrändern stellt für pflanzliche Besiedler<br />

e<strong>in</strong>e Herausforderung dar, der diese<br />

mit ausgeklügelten Anpassungen begegnen.<br />

E<strong>in</strong>e typische Gruppe von Uferpflanzen<br />

s<strong>in</strong>d die Röhrichtarten, darunter das Schilf.<br />

In den dichten, hochwüchsigen Beständen<br />

besteht jedes genetische Individuum aus e<strong>in</strong>er<br />

großen Zahl von Sprossen, die im<br />

Herbst Nährstoffe <strong>in</strong> unterirdische Organe<br />

verlagern, bevor sie oberirdisch absterben.<br />

Diese Vorratshaltung ermöglicht e<strong>in</strong>en raschen<br />

Wiederaufbau der Bestände im Frühjahr.<br />

So erreicht das Höhenwachstum des<br />

Schilfs (Phragmites australis) im Mai und<br />

Juni mehrere Zentimeter pro Tag.<br />

In etablierten Röhrichtbeständen hat die<br />

generative Fortpflanzung durch Samen ke<strong>in</strong>e<br />

Chance. Wie aber schaffen es Röhrichtpflanzen,<br />

neue Wuchsorte zu besiedeln, die<br />

irgendwo und irgendwann – z. B. nach e<strong>in</strong>em<br />

Hochwasserereignis – entstehen können?<br />

Die Strategie des Schilfs, aber auch<br />

der Rohrkolbenarten (Typha spec.) besteht<br />

dar<strong>in</strong>, Milliarden von Samen zu produzieren,<br />

die über W<strong>in</strong>d und Wasser weith<strong>in</strong><br />

ausgebreitet werden. Die wenigen, die zufällig<br />

an e<strong>in</strong>em geeigneten Keimungsort landen,<br />

sollten <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, ihn möglichst<br />

effektiv zu erobern. In dieser H<strong>in</strong>sicht tut<br />

sich das Schilf mit e<strong>in</strong>er auffälligen Anpassung<br />

hervor. An weitgehend vegetationsfreien<br />

Standorten erzeugt es oberirdische<br />

Kriechtriebe, die <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Jahres bis<br />

über 20 m lang werden und ihrerseits zahlreiche<br />

ober- und unterirdische Seitentriebe<br />

produzieren. Über dieses Phänomen, das<br />

an Gewässerrändern <strong>in</strong> der nicht rekultivierten<br />

Bergbaufolgelandschaft regelmäßig<br />

zu beobachten ist, kann aus e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen<br />

Keiml<strong>in</strong>g <strong>in</strong>nerhalb von zwei Jahren e<strong>in</strong><br />

viele Quadratmeter bedeckender Bestand<br />

werden.<br />

In der Regel benötigt Röhricht also ke<strong>in</strong>e<br />

Hilfestellung zur Ansiedlung von z. B. neu<br />

geschaffenen oder zu befestigenden Uferbereichen<br />

– es gibt jedoch Ausnahmen. So<br />

wurde nach unserer Konzeption e<strong>in</strong> Röhricht<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bergbau-Restloch südlich<br />

von Merseburg auf e<strong>in</strong>er 1 500 m langen,<br />

erosionsgefährdeten Uferstrecke etabliert.<br />

Dabei wurde größter Wert auf genetische<br />

Vielfalt gelegt: das Saatgut der <strong>in</strong>sgesamt<br />

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100 000 Jungpflanzen war unterschiedlicher,<br />

aber regionaler Herkunft. Alternativ<br />

könnte man auch wenige, besonders<br />

wuchskräftige Individuen klonen; angesichts<br />

des »global change« ist aber zu bedenken,<br />

dass e<strong>in</strong>e möglichst große genetische<br />

Vielfalt die beste Ausgangsbasis für<br />

anpassungsfähige Bestände darstellt.<br />

Oberirdische Kriechtriebe beim Schilf<br />

(Phragmites australis)<br />

23<br />

»Holzknolle« bei Juniperus oxycedrus, zwei<br />

Wochen nach e<strong>in</strong>em Feuer<br />

Feuer: Fluch oder Segen<br />

für die Vegetation?<br />

Hitzestimulierte Keimung beim Schmetterl<strong>in</strong>gsblütler Calicotome <strong>in</strong>termedia<br />

Wie reagieren Pflanzen auf Feuerereignisse?<br />

Wir alle kennen die Bilder aus den Medien,<br />

die zeigen, wie <strong>in</strong> unseren Urlaubsgebieten<br />

große Waldregionen abbrennen.<br />

Waldbrände können verheerende Ausmaße<br />

annehmen, und so verb<strong>in</strong>den wir Feuer<br />

häufig mit ökonomischem Verlust und Zerstörung<br />

oder sprechen sogar von e<strong>in</strong>er ökologischen<br />

Katastrophe. Für manche Pflanzenarten<br />

(und für Feuerökologen!) ist e<strong>in</strong><br />

Wildfeuer jedoch ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>e Katastrophe,<br />

sondern e<strong>in</strong>er der wenigen natürlichen<br />

Umweltfaktoren, der die Vegetationsdecke<br />

e<strong>in</strong>es Gebietes vollständig zerstören

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