in Scientia Halensis
in Scientia Halensis
in Scientia Halensis
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
scientia halensis 4/2002<br />
....................................................................................<br />
Fachbereich Biologie<br />
................................................................................<br />
arten werden dort manchmal zu problematisch<br />
»aggressiven«, die natürliche Vegeta-<br />
28<br />
tion verdrängenden Elementen. Für solche<br />
<strong>in</strong>vasiven »aliens« können wir aufgrund<br />
unserer Datenmodelle <strong>in</strong>zwischen sehr präzise<br />
voraussagen, welches potenzielle Verbreitungsgebiet<br />
sie erreichen können.<br />
Überraschungen halten auch die verme<strong>in</strong>tlich<br />
gut studierten Arten der mitteleuropäischen<br />
Pflanzenwelt bereit. Bisher war es<br />
trotz aller Bemühungen <strong>in</strong> Form von »Roten<br />
Listen« besonders bedrohter Arten oft<br />
unklar, für welche dieser Arten die Bundesrepublik<br />
konkret die weltweit größte<br />
Verantwortung trägt, sie vor dem Aussterben<br />
zu bewahren. Auf der Basis des halleschen<br />
biogeographischen »know hows«<br />
wurde e<strong>in</strong>e Prioritätenliste für Deutschland<br />
erarbeitet, die den Naturschutzbehörden<br />
und der Landschaftsplanung mittlerweile<br />
zu e<strong>in</strong>er wichtigen Richtl<strong>in</strong>ie geworden ist.<br />
Molekulare Diversität<br />
Systematische Botanik, Biogeographie und<br />
Makro-Ökologie s<strong>in</strong>d aber nicht die e<strong>in</strong>zigen<br />
Arbeitsbereiche, die sich mit der Biodiversitätsforschung<br />
verb<strong>in</strong>den; zudem hat<br />
sich das methodische Arsenal <strong>in</strong> den vergangenen<br />
Jahren beträchtlich erweitert. Es<br />
geht heute nicht mehr nur um Artendiversität,<br />
sondern auch darum, wie diese sich <strong>in</strong><br />
Form von ökologischer Diversität <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />
Lebensgeme<strong>in</strong>schaften, Biotop-Typen,<br />
Landschaften und deren ökologischen<br />
Prozessen ausdrückt. Am gegenüberliegenden<br />
Ende der Skala steht die molekulare<br />
Diversität, die als Variabilität zwischen<br />
den Arten und <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Art <strong>in</strong><br />
Ersche<strong>in</strong>ung tritt. Die Variabilität reicht<br />
Erst seit sechs Jahren ist bekannt, wie die<br />
Chromosomen der Kokos-Palme, e<strong>in</strong>e der<br />
weltwirtschaftlich bedeutenden Kulturpflanzen,<br />
aussehen.<br />
Orig<strong>in</strong>al: Röser<br />
Verbreitungsgrenzen von Pflanzenarten haben oft klimatische Ursachen, die sich durch die<br />
Daten aus geographischen Informationssystemen erkennen lassen. Diese Karte der Durchschnittstemperaturen<br />
im September setzt sich aus Millionen von E<strong>in</strong>zeldaten zusammen, deren<br />
Korrelation mit vorkommenden Populationen kle<strong>in</strong>sträumig analysiert werden kann.<br />
Quelle: Klimadatenbank des Instituts für Geobotanik<br />
von Sequenzunterschieden im DNA-Makromolekül<br />
bis zur Umstrukturierung ganzer<br />
Chromosomen, die durch den E<strong>in</strong>satz<br />
molekularer Sonden analysiert wird. Genetische<br />
Diversität besitzt e<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung,<br />
da sie die Veränderlichkeit von<br />
Arten und deren vielfältige Anpassungen<br />
begründet. Um sie zu analysieren, werden<br />
moderne molekulare Untersuchungsverfahren<br />
e<strong>in</strong>gesetzt, die vom genetischen F<strong>in</strong>gerabdruck<br />
(»f<strong>in</strong>gerpr<strong>in</strong>t-Methoden«) zur<br />
Charakterisierung e<strong>in</strong>zelner Individuen<br />
oder Populationen bis h<strong>in</strong> zur Sequenzierung<br />
von DNA-Abschnitten aus den Zellkernen<br />
und Chloroplasten reichen. Hochvariable<br />
Bereiche der DNA liefern dabei<br />
Erkenntnisse über die aktuelle Evolution<br />
der Arten, über Hybridisierungsvorgänge<br />
oder genetische Introgression, evolutiv<br />
stark konservierte DNA-Bereiche, z. B.<br />
von vielen Genen, erlauben Rückschlüsse<br />
auf zeitlich weit zurückliegende Ereignisse<br />
<strong>in</strong> der Evolution. Unser Interesse gilt dabei<br />
u. a. e<strong>in</strong>igen weltweit verbreiteten Organismengruppen,<br />
der Entstehung tropischer<br />
Hochgebirgspflanzen und der Elemente der<br />
eurasischen Steppenvegetation sowie der<br />
postglazialen Geschichte europäischer<br />
Pflanzen. Studiert werden aber auch Fragen<br />
auf lokaler Ebene, z. B. an reliktären Arten<br />
oder ökologisch besonders angepassten Populationen<br />
<strong>in</strong> Sachsen-Anhalt.<br />
Da die Biodiversitätsforschung die unterschiedlichen<br />
Organisationsebenen des Lebens<br />
– von Molekülen bis zu Ökosystemen<br />
– im Blick hat, ist sie zu e<strong>in</strong>em verb<strong>in</strong>denden<br />
Element zwischen verschiedenen<br />
biologischen Diszipl<strong>in</strong>en wie Populationsgenetik,<br />
Systematik, Ökologie und Naturschutzbiologie<br />
geworden. Damit reiht sich<br />
die Biodiversitätsforschung auch <strong>in</strong> den<br />
fächerübergreifenden Ansatz von Biochemie,<br />
Genetik, Zellbiologie etc. e<strong>in</strong>, der als<br />
ökologische Entwicklungsbiologie (»ecodevo«)<br />
bezeichnet wird. In praktischer<br />
H<strong>in</strong>sicht erlaubt das Spektrum der For-<br />
Student<strong>in</strong>nen bei der Geländearbeit: Sie untersuchen<br />
hybridogene Formen, die zwischen<br />
zwei Arten von Wildgräsern ausgebildet werden<br />
und nur auf e<strong>in</strong>em Berg <strong>in</strong> den Karawanken<br />
vorkommen.<br />
Foto: Röser<br />
schungsansätze, aktuelle Erfordernisse des<br />
Naturschutzes ebenso zu berücksichtigen<br />
wie globale Aspekte der biologischen Vielfalt.<br />
Der Autor studierte 1978–1984 <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen<br />
Biologie, Theologie und Geologie und<br />
wurde 1989 dort promoviert. 1991–1995<br />
war er Postdoktorand, dann Hochschulassistent<br />
an der Universität Wien, anschließend<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter an der<br />
Universität Leipzig, wo er sich 1999 habilitierte.<br />
2001 wurde er auf die Professur<br />
für Spezielle Botanik und Biodiversität an<br />
die Universität Halle berufen.