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BIODIVERSITÄTSFORSCHUNG IM 21. JAHRHUNDERT<br />

VERLUST AN VIELFALT IN DER TIER- UND PFLANZENWELT<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

Mart<strong>in</strong> Röser<br />

Das Wort »Biodiversität« ist e<strong>in</strong>e junge Sprachschöpfung. Sie stammt aus den 80er Jahren,<br />

als sich die wissenschaftliche Diskussion <strong>in</strong> der Biologie mit der immer deutlicher werdenden<br />

Bedrohung von Arten und Ökosystemen auf der Erde und den erkennbaren Folgen <strong>in</strong>tensiv<br />

zu beschäftigen begann. Schon auf dem UN-Weltgipfel 1992 <strong>in</strong> Rio de Janeiro und<br />

ebenso auf der kürzlich beendeten Folgekonferenz <strong>in</strong> Johannesburg wurden beide Bedrohungen<br />

zu den vier weltweit wichtigsten Umweltproblemen gerechnet, neben Klimawandel<br />

und Wasserknappheit. Gleichzeitig wurde anerkannt, dass der Verlust an Arten und Ökosystemen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verhängnisvollen Wechselbeziehung mit Unterentwicklung und der Zerstörung<br />

natürlicher Ressourcen steht (z. B. Entwaldung und Wüstenbildung). Diese politische<br />

E<strong>in</strong>sicht drückte sich <strong>in</strong> dem bekannten Übere<strong>in</strong>kommen der Vere<strong>in</strong>ten Nationen über<br />

die biologische Vielfalt aus, die e<strong>in</strong> zentrales Regelwerk für den Erhalt der biologischen<br />

Vielfalt und dessen genetischen Potenzials bildet (»Biodiversitätskonvention« von 1992).<br />

Die »systematischen« Arbeitsrichtungen<br />

der Biologie, welche sich mit Evolutionsforschung<br />

und der organismischen Vielfalt<br />

an Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen und<br />

Tieren beschäftigen, hatten den Zusammenhang<br />

zwischen globalem Diversitätsverlust<br />

und dem Raubbau an natürlichen<br />

Ressourcen schon seit längerem diagnostiziert.<br />

Als Folge der Veränderung und des<br />

Verlustes von Lebensräumen verschw<strong>in</strong>den<br />

pro Tag schätzungsweise 150 Tier- und<br />

Pflanzenarten von der Erde. »Die Bibliothek<br />

brennt!«, so fasste der Zoologe E. O.<br />

Wilson den global voranschreitenden Verlust<br />

an organismischer und evolutionärer<br />

Vielfalt zusammen.<br />

...............................................................................<br />

Bis heute gibt es ke<strong>in</strong> Inventar der Lebewesen<br />

auf der Erde. Vor rund 250 Jahren listete<br />

der schwedische Naturforscher Carl von<br />

L<strong>in</strong>né, e<strong>in</strong>er der Begründer der wissenschaftlichen<br />

Biologie, 4 162 bekannte Arten<br />

an Lebewesen auf. Heute belaufen sich<br />

solide Schätzungen auf 13–14 Millionen<br />

Arten, jedoch könnte die Zahl weitaus höher<br />

liegen. Wissenschaftlich beschrieben ist<br />

davon kaum e<strong>in</strong> Achtel (etwa 1,75 Mio.).<br />

Das bedeutet, Exemplare s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> weltweit<br />

m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>er biologischen Sammlung<br />

physisch vorhanden, h<strong>in</strong>sichtlich ihrer diagnostischen<br />

Merkmale überprüfbar und<br />

mit e<strong>in</strong>em wissenschaftlichen Namen versehen.<br />

Die Schaffung e<strong>in</strong>er globalen Datenbank<br />

der Lebewesen gilt daher als e<strong>in</strong>es der<br />

vordr<strong>in</strong>glichen und ambitioniertesten Bio<strong>in</strong>formatik-Projekte<br />

<strong>in</strong> der Diversitätsforschung,<br />

<strong>in</strong> dem die verfügbaren Kenntnisse<br />

über die Arten zusammengefasst und bereitgestellt<br />

werden.<br />

Grundlage solcher Arbeiten bilden die biologischen<br />

Sammlungen der naturwissenschaftlichen<br />

Museen und Institute, die sich<br />

deshalb zurecht als »Archive der Biodiversität«<br />

bezeichnen. Das Institut für Geoboam<br />

Herbarium Halle nicht vorbei. Solche<br />

Interessenten s<strong>in</strong>d nicht nur Biodiversitätsforscher<br />

oder Spezialisten für bestimmte<br />

Organismengruppen, sondern auch Vegetationskundler<br />

und Ökologen, die unsere<br />

Sammlungen zu Vergleichszwecken heranziehen,<br />

da sie genau wissen müssen, mit<br />

welchen Arten sie es bei ihren Feldforschungen<br />

wirklich zu tun haben. Nicht <strong>in</strong><br />

allen Weltgegenden ist die Identifikation<br />

pflanzlicher Organismen so e<strong>in</strong>fach wie <strong>in</strong><br />

Deutschland, für dessen Gebiet es entsprechende<br />

Literatur gibt, deren aktuellste <strong>in</strong><br />

Form von vier Buchbänden an unserem<br />

Institut editiert wird (»Rothmalers Exkursionsflora«).<br />

Sammlungen enthalten auch noch andere<br />

Informationen: Sie bieten die e<strong>in</strong>zig verlässliche<br />

Datengrundlage dafür, wo die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Arten vorkommen, wie sie verbreitet<br />

s<strong>in</strong>d. Dieses Fachgebiet der Biogeographie<br />

bildet seit langem e<strong>in</strong>en Arbeitsschwerpunkt<br />

unseres Instituts und führte<br />

zu e<strong>in</strong>em sowohl an Inhalt wie an physikalischer<br />

Masse gewaltigen sechsbändigen<br />

Werk, das zu e<strong>in</strong>em Standardwerk geworden<br />

ist und <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er wichtigen botanischen<br />

Bibliothek weltweit fehlt, die »Vergleichende<br />

Chorologie der zentraleuropäischen Flora«.<br />

27<br />

Globale Datenbank schaffen<br />

Nebelwälder tropischer Gebirge gehören zu<br />

den »hot spots« der Biodiversität. Ihre Zerstörung<br />

schreitet trotzdem rasant voran.<br />

Foto: Röser<br />

tanik unserer Universität beherbergt ebenfalls<br />

e<strong>in</strong>e solche Sammlung, die etwa<br />

450 000 Exemplare an Pflanzen und Pilzen<br />

umfasst. E<strong>in</strong>e Besonderheit bilden die<br />

Schwerpunkte des im Weltmaßstab als mittelgroß<br />

zu bezeichnenden halleschen Herbariums:<br />

Es s<strong>in</strong>d Mittel- und Südamerika,<br />

die Mongolei, das Mittelmeergebiet, Mitteldeutschland<br />

und e<strong>in</strong>ige besondere Gruppen<br />

von Organismen. Diese eigentümliche<br />

Komb<strong>in</strong>ation spiegelt die Arbeitsschwerpunkte<br />

des Instituts und des Botanischen<br />

Gartens wider und ist <strong>in</strong> zwei Jahrhunderten<br />

gewachsen. Unter den Pflanzen bef<strong>in</strong>det<br />

sich auch e<strong>in</strong>e außerordentlich große<br />

Zahl an Belegen, anhand derer neue Arten<br />

beschrieben wurden. Was Außenstehende<br />

verwundern mag, ist den Fachleuten sehr<br />

wohl bekannt, denn wer sich mit der Pflanzenwelt<br />

<strong>in</strong> den Subtropen/Tropen der Neuen<br />

Welt oder <strong>in</strong> Asien beschäftigt, kommt<br />

Bedeutende Rolle der Biogeographie<br />

Unter dem Namen »Makro-Ökologie« erlebt<br />

die Biogeographie gegenwärtig e<strong>in</strong>en<br />

Boom. Verbreitungsgebiete der Lebewesen<br />

werden durch externe ökologische Faktoren<br />

(Klima etc.) und den Organismen <strong>in</strong>härente<br />

Eigenschaften def<strong>in</strong>iert (Stoffwechselleistungen,<br />

genetische Faktoren). Experimentelle<br />

Arbeiten haben bei der Lösung der<br />

Probleme e<strong>in</strong>e ebenso große Bedeutung wie<br />

die Möglichkeiten der Meta-Datenanalyse.<br />

Getestet werden dabei z. B. Korrelationen<br />

zwischen Verbreitungsgebieten, Eigenschaften<br />

der jeweiligen Organismen und<br />

ökologischen Daten, die durch geographische<br />

Informationssysteme zunehmend genauer<br />

werden und sogar für entlegene Weltgegenden<br />

verfügbar s<strong>in</strong>d, da sie durch Satelliten<br />

geliefert werden. Bei der Suche nach<br />

den Ursachen, warum e<strong>in</strong>e bestimmte<br />

Pflanzenart genau ihre eigene und ke<strong>in</strong>e andere<br />

geographische Verbreitung auf unserem<br />

Globus e<strong>in</strong>nimmt (Modellierung), lassen<br />

sich große Erfolge vorweisen. H<strong>in</strong>zu<br />

kommt e<strong>in</strong> ganz praktischer Aspekt: Unbeabsichtigt<br />

aus ihren Heimatgebieten <strong>in</strong><br />

andere Kont<strong>in</strong>ente ausgebreitete Pflanzen-

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