in Scientia Halensis
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12 000 PFLANZENARTEN ...<br />
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scientia halensis 4/2002<br />
Fachbereich Biologie<br />
STÄDTISCHE OASE UND BIOLOGISCHE VERSUCHSSTATION: BOTANISCHER GARTEN<br />
Matthias H. Hoffmann<br />
Auf e<strong>in</strong>er Tafel am E<strong>in</strong>gang des Botanischen Gartens der Universität steht, dass die Anlage<br />
etwa 12 000 Pflanzenarten beherbergt. Wahrsche<strong>in</strong>lich s<strong>in</strong>d es sogar noch deutlich mehr. Es<br />
gibt hier etwa fünfmal so viele Arten, wie <strong>in</strong> Deutschland auf natürliche Weise wachsen<br />
bzw. eben so viele, wie <strong>in</strong> der gesamten europäischen Flora vorkommen. Vier Pflanzenarten<br />
bef<strong>in</strong>den sich durchschnittlich im Botanischen Garten auf e<strong>in</strong>em Quadratmeter. Grob<br />
gerechnet pflegt jede Gärtner<strong>in</strong> und jeder Gärtner etwa 1 000 Arten. Das alles s<strong>in</strong>d Zahlen<br />
und Vergleiche, die ke<strong>in</strong>e Auskunft darüber geben, was diese 12 000 Arten eigentlich bedeuten.<br />
Was ist die Motivation für den Unterhalt e<strong>in</strong>er so großen Sammlung, welche Erwartungen<br />
und Ansprüche stehen ihr gegenüber? Können wir auf e<strong>in</strong>ige Pflanzenarten verzichten?<br />
Würden halb so viele Arten genügen oder sollte weiter ausgebaut werden? Ansätze<br />
zu Antworten auf diese Fragen können von drei Standpunkten aus gegeben werden,<br />
vom Standpunkt der Besucher, der Wissenschaftler und der Gesellschaft.<br />
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25<br />
Wertvoll – Nachzucht der auf Kreta fast ausgestorbenen<br />
Golddistel Carl<strong>in</strong>a diae<br />
Fotos (5): Hoffmann<br />
Nützlich – die Mariendistel Silybum marianum besitzt leberschützende Inhaltsstoffe.<br />
ne und Außergewöhnliche, dass wir uns<br />
beispielsweise beheizbare Häuser aus Glas<br />
leisten müssen? Wir könnten doch E<strong>in</strong>drücke<br />
des Ungewöhnlichen nach wenigen<br />
Stunden der Reise <strong>in</strong> entlegene Gegenden<br />
noch <strong>in</strong>tensiver erleben. Wahrsche<strong>in</strong>lich ist<br />
die Komposition aus nicht alltäglichen E<strong>in</strong>drücken,<br />
subjektivem Schönheitsempf<strong>in</strong>den<br />
und Exotik e<strong>in</strong>e der Motivationen, die<br />
uns so viele verschiedene Pflanzen erhalten<br />
und pflegen lässt.<br />
Arten vor dem Aussterben bewahren<br />
Der Botanische Garten ist nützlich für die<br />
Wissenschaft. Je nach deren Ausrichtung<br />
kann er unverzichtbar bis ganz unwichtig<br />
se<strong>in</strong>. Grundlagenforschung <strong>in</strong> der Botanik<br />
ist häufig <strong>in</strong>teressengebunden und eng mit<br />
den Profilen der Forscherpersonen verknüpft.<br />
E<strong>in</strong>ige Ideen zu Forschungspro-<br />
Gäste kommen aus verschiedenen Gründen<br />
und mit unterschiedlichsten Erwartungen<br />
<strong>in</strong> den Botanischen Garten. Möglicherweise<br />
suchen die meisten Besucher Erholung<br />
und freuen sich, jedes Mal mit Sicherheit<br />
neue blühende und schöne Pflanzen f<strong>in</strong>den<br />
und entdecken zu können.<br />
Manche Gäste möchten auch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />
botanische Entdeckungsreise rund um den<br />
Erdball und se<strong>in</strong>e verschiedenen Vegetationszonen<br />
unternehmen. Aber werden dazu<br />
so viele Arten benötigt und würde nicht<br />
e<strong>in</strong>e gut gepflegte Blumenwiese <strong>in</strong>mitten<br />
e<strong>in</strong>er Parkanlage den gleichen Zweck erfüllen?<br />
Vielleicht. Eher aber nicht, denn die<br />
meisten Besucher möchten nie gesehene<br />
Formen und Gestalten, Farben und Gerüche,<br />
filigrane oder majestätische Schönheiten<br />
erleben, die im Gegensatz zu unserer<br />
orthogonalen und ordentlich gestalteten<br />
Umwelt stehen. Ist dieser Gegensatz so<br />
viel wert, suchen wir so <strong>in</strong>tensiv das Seltejekten<br />
werden durch vorhandene Objekte<br />
erst angeregt, andere Sammlungen entstehen<br />
dabei neu. Reichen für diesen Zweck<br />
die jeweiligen Forschungssammlungen, ergänzt<br />
durch die Pflanzenarten, für die universitäre<br />
Lehre nicht aus? Nirgendwo anders<br />
als <strong>in</strong> der Wissenschaft s<strong>in</strong>d die Nützlichkeit<br />
und der <strong>in</strong>direkte Geldwert e<strong>in</strong>er<br />
großen Sammlung so greifbar. Müsste für<br />
die Grundlagenforschung <strong>in</strong> der Botanik<br />
oder für Untersuchungen <strong>in</strong> angrenzenden<br />
Fachgebieten, etwa <strong>in</strong> der Pflanzenbiochemie<br />
oder Pharmazie, jedes Untersuchungsobjekt<br />
durch e<strong>in</strong>e eigene Sammelreise beschafft<br />
werden, entstünden immense Kosten.<br />
Nicht nur das, der Zeitaufwand für die<br />
Forschungsarbeiten würde sich vergrößern,<br />
und Material aus e<strong>in</strong>igen Teilen der Welt<br />
wäre aufgrund politischer Umstände überhaupt<br />
nicht erhältlich. Durch die Botanischen<br />
Gärten und das <strong>in</strong>ternationale, gesetzlich<br />
abgesicherte Netzwerk zwischen<br />
ihnen s<strong>in</strong>d die lebenden Objekte <strong>in</strong> den<br />
meisten Fällen sehr schnell und viel kostengünstiger<br />
zu beschaffen.<br />
Nützlichkeit alle<strong>in</strong> begründet noch ke<strong>in</strong>e<br />
Werte. 12 000 Arten werden nie gleichzeitig<br />
benutzt, weder für die Lehre noch für<br />
die Wissenschaft. Lebendsammlungen bewahren<br />
und erhalten Arten. Ähnliches gilt<br />
für Herbarien, Genbanken und andere biologische<br />
Sammlungen, z. B. die Samen-