in Scientia Halensis
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scientia halensis 4/2002<br />
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Fachbereich Biologie<br />
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plex und enden schließlich nach vielen weiteren<br />
Stationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zuckermolekül.<br />
30<br />
Dem Chlorophyll fehlt jetzt aber e<strong>in</strong> Elektron,<br />
und es ist außergewöhnlich begierig,<br />
die Lücke zu füllen. Da gibt es zwei Möglichkeiten:<br />
Entweder gelangt das vom Licht<br />
herausgeschlagene Elektron nicht weit und<br />
»fällt« auf se<strong>in</strong>en ursprünglichen Platz zurück.<br />
Die dabei freiwerdende Energie wird<br />
als Fluoreszenzlicht und etwas Wärme abgestrahlt<br />
– e<strong>in</strong> unproduktiver Weg. Oder<br />
aber das Chlorophyll holt sich Elektronen<br />
vom Wasser. In diesen produktiven Fall<br />
s<strong>in</strong>d Manganatome im PSII-Komplex und<br />
e<strong>in</strong> spezieller Tyros<strong>in</strong>rest im D1 Prote<strong>in</strong><br />
beteiligt, um dem Wassermolekül sequenziell<br />
Elektronen zu entreißen und dabei Protonen<br />
und den für uns so wichtigen Sauerstoff<br />
freizusetzen. Dieser »Wasserspaltungsapparat«<br />
ist noch nicht <strong>in</strong> allen E<strong>in</strong>zelheiten<br />
verstanden und stellt e<strong>in</strong> spannendes<br />
Forschungsgebiet dar.<br />
Photosystem II als Biosensor<br />
In Industrie und Landwirtschaft wird e<strong>in</strong>e<br />
große Zahl von Substanzen e<strong>in</strong>gesetzt, die<br />
selektiv <strong>in</strong> biologische Reaktionen e<strong>in</strong>greifen.<br />
E<strong>in</strong>ige dieser Wirkstoffe s<strong>in</strong>d Unkrautvernichtungsmittel<br />
(Herbizide), die die<br />
Funktion von PSII und damit den Photosyntheseprozess<br />
blockieren. Sie können<br />
aber auch langfristig Böden und Tr<strong>in</strong>kwasser<br />
kontam<strong>in</strong>ieren. Pflanzliche Testorganismen<br />
wie Algen s<strong>in</strong>d als natürliche Biosensoren<br />
<strong>in</strong> der Lage, solche Stoffe auf der Basis<br />
photosynthetischer Aktivität (Fluoreszenz,<br />
Sauerstoffentwicklung) zu detektieren.<br />
Die zur Zeit bekannten Nachweissysteme<br />
haben den Nachteil, dass sie wenig<br />
empf<strong>in</strong>dlich und unspezifisch s<strong>in</strong>d. Diese<br />
Eigenschaften des Biosensorsystems können<br />
adaptiert werden, <strong>in</strong>dem die D1-Untere<strong>in</strong>heit<br />
von PS II (Abb. 3) mit ihrer sogenannten<br />
Herbizid-B<strong>in</strong>denische durch<br />
Mutagenese verändert wird. Es ist bekannt,<br />
dass der Austausch e<strong>in</strong>zelner Am<strong>in</strong>osäuren<br />
im B<strong>in</strong>deprote<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er Resistenz<br />
und/oder zu e<strong>in</strong>er erhöhten Empf<strong>in</strong>dlichkeit<br />
gegenüber bestimmten Stoffklassen<br />
führen kann. Diese Kenntnisse wollen wir<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von der EU geförderten Projekt<br />
nutzen, <strong>in</strong>dem gezielt e<strong>in</strong> bestimmter Bereich<br />
des Prote<strong>in</strong>s modifiziert wird. Grundlage<br />
für solche Veränderungen ist e<strong>in</strong>e von<br />
uns konstruierte Mutante der Grünalge<br />
Chlamydomonas, mit deren Hilfe wir<br />
schnell und effizient solche Domänen des<br />
Prote<strong>in</strong>s verändern können, die für die<br />
Hemmstoffb<strong>in</strong>dung verantwortlich s<strong>in</strong>d.<br />
E<strong>in</strong> darüber h<strong>in</strong>aus gehender Ansatz birgt<br />
die Möglichkeit, das Prote<strong>in</strong> durch Insertion<br />
von Metallb<strong>in</strong>dedomänen mit neuen Eigenschaften<br />
auszustatten, die e<strong>in</strong>en Nachweis<br />
auch z. B. von Schwermetallen erlauben.<br />
Plastidäre Proteasen und ihre Substrate<br />
Chloroplasten besitzen e<strong>in</strong> proteolytisches<br />
System zur Kontrolle der Stabilität ihrer<br />
Prote<strong>in</strong>e und zur Entfernung defekter Prote<strong>in</strong>e.<br />
Aus biotechnologischer Sicht ist e<strong>in</strong><br />
genaues Verständnis der Erkennung und<br />
Abbaumechanismen dann von besonderer<br />
Bedeutung, wenn Fremdprote<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Plastiden<br />
exprimiert werden sollen. Es gibt zahlreiche<br />
Beispiele für die Degradation von<br />
plastidären Prote<strong>in</strong>en, ohne dass e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige<br />
Zuordnung von <strong>in</strong>dividuellen Proteasen<br />
möglich wäre. Prom<strong>in</strong>entestes Beispiel<br />
ist der schnelle Abbau der D1-Untere<strong>in</strong>heit<br />
von Photosystem II: das Prote<strong>in</strong><br />
wird durch Licht geschädigt, proteolytisch<br />
abgebaut und durch Neusynthese ersetzt.<br />
Photooxidative Bed<strong>in</strong>gungen im Chloroplasten<br />
führen auch zum Abbau anderer<br />
Prote<strong>in</strong>e, und durch spezifische Mutagenese<br />
erzeugte, verstümmelte Prote<strong>in</strong>e werden<br />
im Chloroplasten offensichtlich als defekt<br />
erkannt und rasch entfernt. Obwohl<br />
e<strong>in</strong>e Reihe von Proteasen jetzt bekannt<br />
s<strong>in</strong>d, verstehen wir nicht, wie diese Enzyme<br />
<strong>in</strong>takte von defekten Prote<strong>in</strong>en unterscheiden<br />
können.<br />
Algenchloroplasten: Fundstätte<br />
neuer, unerwarteter Prozesse<br />
Die Chloroplasten bestimmter Algen erweisen<br />
sich nach Sequenzierung ihrer Genome<br />
als Fundstätte <strong>in</strong>teressanter Gene,<br />
die auf neue und für Pflanzen unerwartete<br />
Prozesse h<strong>in</strong>deuten. Sie könnten sowohl <strong>in</strong><br />
grundlegender H<strong>in</strong>sicht als auch für biotechnologische<br />
Anwendungen von Bedeutung<br />
se<strong>in</strong>. Beispielsweise kann man den<br />
Sequenzdaten entnehmen, dass vermutlich<br />
so ungewöhnliche Prozesse wie das aus<br />
Bakterien bekannte Prote<strong>in</strong>-Spleißen oder<br />
das tmRNA-Tagg<strong>in</strong>g auch <strong>in</strong> bestimmten<br />
Algenchloroplasten stattf<strong>in</strong>det. Hier gibt es<br />
viel für e<strong>in</strong> motiviertes Mitarbeiterteam zu<br />
entdecken.<br />
Der Autor ist nach Aufenthalten an den<br />
Universitäten Bochum, San Diego (USA),<br />
Boulder (USA) und Freiburg seit 1997<br />
Professor für Zellphysiologie am Institut<br />
für Pflanzenphysiologie der Mart<strong>in</strong>-Luther-<br />
Universität. Er und se<strong>in</strong>e Arbeitsgruppe<br />
forschen im neuen Biologicum (We<strong>in</strong>bergweg<br />
10).<br />
Abb. 3: Stark vere<strong>in</strong>fachte Darstellung des Photosystem II Komplexes mit se<strong>in</strong>en beiden zentralen<br />
Prote<strong>in</strong>en D1 und D2, die zusammen Cofaktoren wie Chlorophyll (Chl), Phäophyt<strong>in</strong><br />
(Phäo), Plastoch<strong>in</strong>one (Q A<br />
und QB), Eisen (Fe) und Mangan (Mn) b<strong>in</strong>den. Die Pfeile deuten<br />
den Elektronenfluss vom Wasser zum Q B<br />
an. Bestimmte Herbizide können Q B<br />
aus se<strong>in</strong>er B<strong>in</strong>denische<br />
im D1 Prote<strong>in</strong> verdrängen und blockieren so die Photosynthese.