in Scientia Halensis
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scientia halensis 4/2002<br />
Fachbereich Biologie<br />
ALTERN UND STRESS BEI PFLANZEN<br />
MOLEKULARBIOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN<br />
Klaus Humbeck<br />
»Altern« und »Stress« s<strong>in</strong>d Begriffe, die <strong>in</strong> den Medien tagtäglich <strong>in</strong> Bezug auf uns Menschen<br />
verwendet werden. Wenige denken wohl daran, dass damit auch für Pflanzen wichtige<br />
Vorgänge beschrieben werden. Anhand e<strong>in</strong>iger Beispiele soll dies im Folgenden verdeutlicht<br />
werden.<br />
Seneszenz bei Blättern<br />
E<strong>in</strong> sehr augensche<strong>in</strong>liches Beispiel für e<strong>in</strong>en<br />
Alterungsprozess bei Pflanzen ist im<br />
Spätsommer das Vergilben der Getreideblätter<br />
auf den Feldern (Abb. 1). Bei dieser<br />
so genannten Blattseneszenz werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
komplizierten Prozess <strong>in</strong> den Blättern<br />
wichtige Inhaltsstoffe, z. B. Prote<strong>in</strong>e abgebaut,<br />
es werden Transportformen freigesetzt<br />
und <strong>in</strong> anderen Pflanzenteilen, z. B.<br />
den wachsenden Körnern der Ähre, als<br />
wichtige Bestandteile wieder e<strong>in</strong>gebaut.<br />
Der ganze Vorgang bedeutet also für die<br />
Pflanzen nicht e<strong>in</strong> altersbed<strong>in</strong>gtes und negativ<br />
zu sehendes Zusammenbrechen von<br />
Blattfunktionen, sondern dient vielmehr<br />
dem sehr effektiven Recyceln wichtiger<br />
Nährstoffe. Die Verfügbarkeit von Nährstoffen,<br />
die Außenfaktoren Licht und Temperatur<br />
oder auch e<strong>in</strong> Pathogenbefall können<br />
den Seneszenzprozess beschleunigen<br />
oder auch verzögern. E<strong>in</strong> geordneter Ablauf<br />
der Blattseneszenz ist letztendlich sehr<br />
wichtig für die Qualität und Quantität des<br />
Kornertrags und somit auch von erheblichem<br />
landwirtschaftlichen Interesse.<br />
landschaften f<strong>in</strong>det, und zum anderen die<br />
Wirkung von hohen Strahlungsdosen auf<br />
Pflanzen.<br />
Pflanzen s<strong>in</strong>d widrigen Umweltbed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>in</strong> der Regel nicht schutzlos ausgeliefert. Sie<br />
haben im Lauf der Evolution <strong>in</strong> unterschiedlichem<br />
Ausmaß Anpassungsmechanismen<br />
entwickelt, die es ihnen ermöglichen, auch<br />
extreme Bed<strong>in</strong>gungen schadlos zu überstehen.<br />
So überleben z. B. unsere W<strong>in</strong>tergetreide-Sorten<br />
im Gegensatz zu anderen Kulturpflanzen<br />
mühelos tiefe Fröste. Wir kennen<br />
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analysiert. Physiologische Messmethoden<br />
erlauben Aussagen zu stress- und altersbed<strong>in</strong>gten<br />
Veränderungen wichtiger pflanzlicher<br />
Funktionen. Besonders sensitiv auf<br />
Altern und Stress reagieren Photosyntheseaktivitäten.<br />
Im Photosyntheseprozess,<br />
der <strong>in</strong> den typischen pflanzlichen<br />
Zellorganellen, den Chloroplasten, lokalisiert<br />
ist, können Pflanzen das Sonnenlicht<br />
als Energiequelle nutzen. Verschiedene<br />
Messgeräte erlauben es uns, genau zu bestimmen,<br />
wann und wo <strong>in</strong> der wachsenden<br />
Pflanze und an welchen Stellen der <strong>in</strong> den<br />
Chloroplasten bef<strong>in</strong>dlichen Photosynthesemasch<strong>in</strong>erie<br />
z. B. stressbed<strong>in</strong>gte Schädigungen<br />
auftreten (Abb. 2). Dies ist wichtig, um<br />
zu verstehen wie bestimmte Schädigungen<br />
21<br />
Pflanzen im Stress<br />
Was bedeutet nun »Stress« bei Pflanzen?<br />
Pflanzen bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stresssituation,<br />
wenn sich die abiotischen oder biotischen<br />
Umweltbed<strong>in</strong>gungen so verändern,<br />
dass wichtige Lebensfunktionen erheblich<br />
gestört werden. Stress kann dann zu irreparablen<br />
Schäden bis h<strong>in</strong> zum Tod der<br />
Pflanzen führen. Wir <strong>in</strong>teressieren uns<br />
schwerpunktmäßig für den auch ökonomisch<br />
sehr bedeutenden Effekt von Kälte<br />
auf Kulturpflanzen. Man unterscheidet<br />
hier zwischen e<strong>in</strong>em Kühlestress, der bei<br />
sensitiven Pflanzen im Bereich von 0 bis<br />
15°C auftreten kann, und dem Froststress,<br />
der bei Außentemperaturen unter 0°C e<strong>in</strong>e<br />
Rolle spielt. Hier ist zu bemerken, dass<br />
solche niedrigen Umgebungstemperaturen<br />
weltweit zu den wichtigsten begrenzenden<br />
Umweltbed<strong>in</strong>gungen beim Anbau von Kulturpflanzen<br />
zählen. In unserer Arbeitsgruppe<br />
werden noch zwei weitere Stressfaktoren<br />
untersucht: zum e<strong>in</strong>en der E<strong>in</strong>fluss<br />
von hohen Schwermetallkonzentrationen,<br />
wie man sie z. B. <strong>in</strong> Bergbaufolge-<br />
Abb. 1: »Alte« Getreidepflanzen kurz vor der Ernte<br />
mittlerweile zwar e<strong>in</strong>ige der Tricks, die<br />
Pflanzen auf Lager haben, um sich gegen die<br />
verschiedenen Stresssituationen zu schützen,<br />
s<strong>in</strong>d aber von e<strong>in</strong>em genauen Verständnis<br />
vieler Schutzmechanismen noch weit<br />
entfernt.<br />
Experimentelle Ansätze<br />
Im Labor untersuchen wir nun die Prozesse,<br />
die der oben beschriebenen Blattseneszenz<br />
und den Stressantworten der Pflanzen<br />
zugrunde liegen. Dazu werden die Pflanzen<br />
unter standardisierten Umweltbed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>in</strong> Klimakammern und Gewächshausabteilen<br />
<strong>in</strong> verschiedenen Entwicklungsstadien<br />
Foto: Humbeck<br />
zustande kommen oder wie Schutzmechanismen<br />
<strong>in</strong> den Pflanzen wirken.<br />
Molekulare Grundlagen von<br />
»Altern« und »Stress«<br />
E<strong>in</strong> Hauptziel der Arbeitsgruppe ist, molekulare<br />
Faktoren, die bei den komplexen<br />
Prozessen der Blattseneszenz und der<br />
Stressantwort <strong>in</strong> der Pflanze e<strong>in</strong>e Rolle<br />
spielen, zu identifizieren. In e<strong>in</strong>em großangelegten<br />
molekularbiologischen Experiment<br />
konnten im letzten Jahr solche Gene der<br />
Gerste »gefischt« werden (Abb. 3), die bei<br />
der Blattalterung oder nach Stressbeg<strong>in</strong>n <strong>in</strong>duziert<br />
(= angeschaltet) werden. Etwa zehn