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scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

GENSILENCING UND DIE ANALYSE VON<br />

REGULATIONSPROZESSEN IM CHROMATIN<br />

Gunter Reuter, Ra<strong>in</strong>er Dorn, Gunnar Schotta, Anja Ebert, Kathr<strong>in</strong> Naumann,<br />

Andreas Fischer und Thomas Rudolph<br />

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Genetische Information wird auf engstem Raum verpackt. Bei mehreren Organismen wurde<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahren die DNA-Sequenz des Genoms ermittelt. Hierzu gehören z. B. die im Drosophila-Modell bee<strong>in</strong>flussen, kön-<br />

<strong>in</strong> Genen, die e<strong>in</strong> Silenc<strong>in</strong>g des white-Gens<br />

33<br />

Taufliege Drosophila melanogaster, die Maus, die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana nen leicht erkannt werden. Die Tiere haben<br />

und auch der Mensch. Dadurch konnte die Zahl der Gene dieser Organismen genauer vorher<br />

dann normal rote statt weiß-rot gefleckte<br />

gesagt werden.<br />

Augen. Durch die Isolation und Charakteri-<br />

sierung von mehr als 400 Mutationen<br />

dichtere Verpackung der DNA durch Heterochromatisierung.<br />

konnten wir etwa 150 neue Gene beschreizess<br />

E<strong>in</strong> vergleichbarer Proben,<br />

die bei Drosophila Gensilenc<strong>in</strong>g kon-<br />

wird auch beim Modellobjekt Drosophila<br />

trollieren. Von diesen 150 Genen konnten<br />

gefunden. Hier wird beobachtet, dass bisher etwa 20 <strong>in</strong> ihrer molekularen Wirtrollieren.<br />

Gene still gelegt werden, wenn sie <strong>in</strong> unmittelbare<br />

kung aufgeklärt werden. Unsere Arbeitshymat<strong>in</strong><br />

Nachbarschaft von Heterochropothese<br />

hat sich bestätigt. Die Produkte<br />

verlagert werden (Abb. 1). Im Mo- dieser Gene haben wichtige Funktionen bei<br />

Der Mensch besitzt etwa 40 000 Gene, die<br />

auf DNA-Molekülen mit e<strong>in</strong>er Gesamtlänge<br />

von ca. 1m untergebracht s<strong>in</strong>d. Im Kern<br />

e<strong>in</strong>er diploiden menschlichen Zelle s<strong>in</strong>d 46<br />

Chromosomen vorhanden. Da diese nur<br />

wenige Mikrometer groß s<strong>in</strong>d, ergibt sich<br />

die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er extrem dichten<br />

Verpackung der DNA. Zugleich muss aber<br />

die Regulierbarkeit und Aktivität der Gene<br />

gewährleistet se<strong>in</strong>. Die Verpackung der<br />

DNA erfolgt über mehrere, hierarchisch<br />

aufe<strong>in</strong>anderfolgende Stufen. Das Nukleosom<br />

bildet bei allen Eukaryoten die Grunde<strong>in</strong>heit<br />

und enthält jeweils zwei Moleküle<br />

der Histonprote<strong>in</strong>e H2A, H2B, H3 und<br />

H4. Die DNA b<strong>in</strong>det an dieses Prote<strong>in</strong>oktamer,<br />

<strong>in</strong>dem sie <strong>in</strong> ca. 1,75 W<strong>in</strong>dungen<br />

herumgewickelt wird. Anschließend b<strong>in</strong>det<br />

e<strong>in</strong> weiteres Histon (H1) jeweils zwei benachbarte<br />

Nukleosomen und führt so zu e<strong>in</strong>er<br />

zusätzlichen Verdichtung. Höhergeordnete<br />

Schleifenstrukturen dieser Nukleosomenkette<br />

bewirken die weitere Kondensation.<br />

Die maximale Verpackung wird während<br />

der Zellteilung erreicht, wenn die<br />

Chromosomen sichtbar werden. Demgegenüber<br />

müssen die Chromosomen für die<br />

Realisierung der genetischen Information<br />

(Ablesen der Gene) so dekondensiert werden,<br />

dass e<strong>in</strong>e Zugänglichkeit durch die dafür<br />

notwendigen Werkzeuge möglich ist.<br />

Die damit verbundenen Prozesse, welche<br />

vor allem höhergeordnete Strukturen kontrollieren,<br />

s<strong>in</strong>d noch weitgehend unbekannt.<br />

Die Aufklärung der Kontrolle dieser<br />

Verpackungsstrukturen ist e<strong>in</strong> Schwerpunkt<br />

unserer Arbeiten.<br />

Viele Gene müssen <strong>in</strong> der Entwicklung<br />

stillgelegt werden:<br />

Mann und Frau unterscheiden sich <strong>in</strong> der<br />

Zahl der X-Chromosomen. Männer haben<br />

nur e<strong>in</strong> X-, während Frauen zwei X-Chromosomen<br />

besitzen. Frauen haben somit die<br />

doppelte Anzahl X-chromosomaler Gene<br />

und würden damit auch die doppelte Menge<br />

an entsprechenden Genprodukten bilden,<br />

wenn nicht e<strong>in</strong>e Korrektur erfolgt.<br />

Diese besteht dar<strong>in</strong>, dass alle Gene auf e<strong>in</strong>em<br />

der beiden X-Chromosomen total<br />

stillgelegt werden. Dieser Prozess wird<br />

Gensilenc<strong>in</strong>g genannt und erfolgt über e<strong>in</strong>e<br />

Abb. 1: Silenc<strong>in</strong>g des white-Gens bei Drosophila. (a) Die Verlagerung des white-Gens ans Heterochromat<strong>in</strong><br />

führt zur (b) Inaktivierung des white-Gens durch Gensilenc<strong>in</strong>g im Drosophila-Auge<br />

(weiße Facetten)<br />

dellsystem betrifft dies das white-Gen,<br />

welches für die rote Augenfarbe wichtig<br />

ist. Durch diese Verlagerung kommt es sehr<br />

häufig zu e<strong>in</strong>er Stillegung des white-Gens<br />

durch Heterochromatisierung. Aufgrund<br />

der Struktur des Komplexauges (bestehend<br />

aus ca. 800 E<strong>in</strong>zelaugen/Facetten) bei Drosophila<br />

kann <strong>in</strong> jeder Facette die Aktivität<br />

(rot) oder Inaktivität (weiß) des white-<br />

Gens erkannt werden. Sichtbar wird dies<br />

durch rote bzw. weiße Flecken im Auge. Es<br />

handelt sich hierbei um e<strong>in</strong> System von<br />

Gensilenc<strong>in</strong>g, das mit der X-Heterochromatisierung<br />

beim Menschen vergleichbar<br />

ist.<br />

Drosophila besitzt viele Vorteile für den<br />

Experimentator. Die Entwicklung vom Ei<br />

bis zum Imago dauert nur zwölf Tage. E<strong>in</strong><br />

Weibchen br<strong>in</strong>gt mehr als 500 Nachkommen<br />

hervor. Für genetische Analysen werden<br />

oft sehr umfangreiche Nachkommenschaften<br />

benötigt; bei bestimmten Experimenten<br />

waren mehr als 1 Million Tiere<br />

notwendig. Solche Untersuchungen, die zudem<br />

noch materiell sehr kostengünstig<br />

durchgeführt werden können, s<strong>in</strong>d nur bei<br />

Drosophila möglich.<br />

Mutanten und Kontrollgene<br />

für Gensilenc<strong>in</strong>g:<br />

Zunächst haben wir Mutationen isoliert,<br />

die zu e<strong>in</strong>er Unterdrückung oder Verstärkung<br />

von Gensilenc<strong>in</strong>g führen. Mutationen<br />

der Verpackung der DNA im Chromosom<br />

und kontrollieren zugleich den Prozess des<br />

Gensilenc<strong>in</strong>g.<br />

Gensilenc<strong>in</strong>g bei Fliege und Mensch erfolgt<br />

nach gleichem Mechanismus:<br />

E<strong>in</strong>es der von uns identifizierten Gene haben<br />

wir Su(var)3-9 genannt, weil es die<br />

veränderliche Ausprägung des white-Gens<br />

unterdrückt (Suppressor of variegation),<br />

auf dem 3. Chromosom liegt und die Nummer<br />

9 bekommen hat. Inzwischen hat sich<br />

herausgestellt, dass der zufällig gewählte<br />

Name eigentlich schon die Funktion widerspiegelt.<br />

Jahre später wurde gefunden, dass<br />

das von diesem Gen gebildete Prote<strong>in</strong> als<br />

Histon H3/Lys<strong>in</strong>9-Methyltransferase<br />

funktioniert. Es b<strong>in</strong>det an Heterochromat<strong>in</strong><br />

(Abb. 2) und führt hier zur Methylierung<br />

der Am<strong>in</strong>osäure Lys<strong>in</strong> 9 im Histon H3.<br />

Dies bewirkt, dass DNA viel dichter verpackt<br />

wird und Gene stillgelegt werden.<br />

Die Frage, ob das Su(var)3-9-Gen auch<br />

beim Menschen vorkommt, konnte durch<br />

e<strong>in</strong>en Vergleich mit der DNA-Sequenz des<br />

Menschen beantwortet werden. Die Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

<strong>in</strong> der Am<strong>in</strong>osäuresequenz<br />

zwischen dem Drosophila SU(VAR)3-9-<br />

Prote<strong>in</strong> und dem menschlichen SUV39H1-<br />

Prote<strong>in</strong> ist mit etwa 70 Prozent sehr hoch.<br />

Die Gruppe von Professor Dr. Jenuwe<strong>in</strong><br />

am IMP <strong>in</strong> Wien, mit der wir eng kooperieren,<br />

konnte zeigen, dass auch beim Men-

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