Das ZeitGeschichtsParadox - Staatliche Hochschule für Gestaltung ...
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kristallisierte sich nach längerer Erprobung und Verfeinerung.<br />
Ausschlaggebend <strong>für</strong> die Übernahme der Elemente waren<br />
Zeitphänomene, die in der internationalen Entwicklung<br />
aufkamen und sich schon in den zwanziger Jahren auf<br />
unterschiedliche Weise zeigten. Gerade die Nähe der<br />
Sowjetunion, führte zu Parallelen in Kultur, Architektur und<br />
Malerei, die <strong>für</strong> Deutschland Vorbildcharakter hatten. Die<br />
Entwicklung russischer Propaganda, Masseninszenierungen und<br />
Paraden, im Rahmen des ersten 5 Jahresplanes 1928<br />
transportierten LKW-Kolonnen außer den Kulissen von<br />
Schiffen, Maschinen als Symbole der Industrialisierung auch<br />
beschwörende Appelle zu betriebsinterner Leistungssteigerung,<br />
monumentale Lichtdiagramme verdeutlichten<br />
Produktionszahlen und Planvorgaben, führten auch in<br />
Deutschland zu Versammlungen ähnlicher Art.<br />
Der erste Weltkrieg mit den daraus resultierenden Folgen <strong>für</strong><br />
Deutschland, die Entmilitarisierung der Gesellschaft und die<br />
industrielle Brachlage verhinderten aber eine Glorifizierung der<br />
eigenen Fähigkeiten und das Zurschaustellen militärischer<br />
Möglichkeiten. Folglich wurden hier andere Schwerpunkte<br />
gesetzt, man beschränkte sich auf theatralische Darbietungen,<br />
setzte auf riesige Spielflächen, den Einsatz von Lichttechnik<br />
und die Wirkung der Masse. Durch die stoffliche<br />
Einschränkung und das Fehlen konkreter Inhalte büßten<br />
deutsche Massenaufführungen wie Spartakus 1920 oder<br />
Erwachen 1924 aber an beabsichtigter revolutionärer Wirkung<br />
ein. Der Zustand des Erwachens, eine Beschwörung<br />
revolutionärer Massensehnsüchte, war noch kein Zustand, der<br />
genügend Dynamik entfachte.<br />
Die Angst vor Veränderungen in der Gesellschaft führte schon<br />
früh zu einer Rückbesinnung auf das eigene Ich. 1922 gründete<br />
der Hauptvertreter des deutschen Ausdruckstanzes, Rudolf von<br />
Laban, die ersten Bewegungschöre, die später in der<br />
Thingbewegung Reife erhielten. In Fortsetzung des<br />
sozialhygienischen und ganzheitlichen Menschenideals sollten<br />
Laien mit ihren körperkulturellen Sehnsüchten geläutert und in<br />
die „Triebwelt des Menschen zurückversetzt werden“. Die<br />
Faszination an der freiwilligen Hingabe und zugleich<br />
gemeinschaftlichen Disziplinierung „zu einem organischen<br />
Körper in der Verschmelzung von Musik und rhythmischer<br />
Belebung“ wurde auch in den Chören der Leipziger<br />
Massenfestspiele nachvollziehbar.<br />
Die Entwicklung korrespondierte mit der zeitgleichen<br />
Diskussion um die Erneuerung der Theaterarchitektur, wie sie<br />
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