Das ZeitGeschichtsParadox - Staatliche Hochschule für Gestaltung ...
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„Alle Zeremonien und Regeln, die zu solchen Institutionen<br />
gehören, haben es im Grunde auf ein Abfangen der Masse<br />
abgesehen. In der vertrauten Wiederholung bestimmter Riten<br />
sichert man der Masse etwas wie ein gezähmtes Erlebnis ihrer<br />
selbst“. Der erreichte Zustand des Parteitages verdeutlicht die<br />
Stabilisierung des Regimes nach innen, verdeutlicht den<br />
momentan bewegungsarmen Zustand der Gesamtmasse vor der<br />
nächsten Stufe der Entladung. Canetti beschreibt diesen<br />
Zustand als „stockende Masse“. Die religiöse Umdeutung des<br />
Nationalsozialismus hatte aber noch ein weiteres Ziel, wenn es<br />
noch nicht möglich war, die Kirche selbst zu bekämpfen, so<br />
mußte man Kirche werden. Zum Mekka dieser Kirche wurde<br />
das neue Germania. Symbolisch war die gigantische<br />
Dimensionierung, die die Welthauptstadt Germania, und mit ihr<br />
im Zentrum stehend, die Kuppelhalle aufweisen sollte. Sie lag<br />
am Ende der geplanten Nord-Südachse und war der Mittelpunkt<br />
eines fast tempelartig ausgegrenzten Bezirkes.<br />
Die zentrale Kuppelhalle „war das Hoheitszeichen, gleichzeitig<br />
der Abschluss der Prachtstraße Hitlers und ihr Ziel. Irgendwo<br />
unter diesem Zeichen befand sich der Platz des Führers der<br />
Nation. Aber hier zeigte sich der Nachteil der gigantischen<br />
Architektur: Hitler verschwand in ihr zu einem optischen<br />
Nichts“.<br />
<strong>Das</strong> hatte aber nicht nur negativen Charakter, da das<br />
Verschwinden im Nichts auch gleichzeitig der Punkt ist, der der<br />
Unendlichkeit am nächsten ist. <strong>Das</strong> Symbol selbst wäre der<br />
allumfassenste Führer geworden, monumental und gewaltig mit<br />
der durchdringenden Stimme Hitlers über die Lautsprecher.<br />
Hitler selbst unterstützt hier meine Argumentation. Hitler wollte<br />
nach der Einweihung noch ein Jahr regieren, um dem Bau<br />
„sakrale Weihe zu geben“. „Irgend ein Führer des Reiches<br />
verfügt vielleicht nicht über meine Wirkungen, aber dieser<br />
Rahmen wird ihn stützen und ihm Autorität verleihen.“<br />
Auch hier spielte der Film eine zentrale Rolle, er ermöglichte<br />
es, die Fertigstellung schon während der Planung als Realität zu<br />
zeigen. Die Medienvision hatte die Realität verdrängt. Der Film<br />
„Symphonie einer Weltstadt“ lehrte die Zuschauer, die Größe<br />
und Symbolik der neuen Architektur zu verstehen und zeigte<br />
schon 1943 die zukünftigen Fakten, auch wenn der Bau erst<br />
1950 endgültig fertig gestellt worden wäre.<br />
Krieg als Inszenierungselement<br />
Der Beginn des Krieges, der Polenfeldzug, fing mit einem<br />
Symbol des Führers an, war Hitler vorher nur in seiner braunen<br />
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