Das ZeitGeschichtsParadox - Staatliche Hochschule für Gestaltung ...
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dass das ganze Ausmaß dem Betrachter nicht vergegenwärtigt<br />
werden konnte. Es wurde folglich eine Fahnentribüne errichtet,<br />
die sich terrassenförmig zehn Meter über die Ebene erhob. In<br />
der Dunkelheit wurde das Arrangement noch zusätzlich durch<br />
Lichtregie aus der in Gruppen angetretenen Verbände<br />
herausgehoben. <strong>Das</strong> Gebilde wirkte wie ein Schiff im Meer der<br />
Massen. Stabilität und eine klare Richtung der Kulisse, nach<br />
rechts, verdeutlichten die gewollte Wirkung. Dabei hatte diese<br />
Erste Mai Kundgebung das Motto „Volk <strong>für</strong> Volk! Stand <strong>für</strong><br />
Stand! Alle <strong>für</strong> Deutschland!“ und sollte den 1.Mai als<br />
Kampftag der Arbeiter in einen „Tag der nationalen Arbeit“<br />
umgestalten. Statt Demonstrationen der Arbeiter im Zeichen des<br />
Klassenkampfes sollten nun alle Volksgenossen als Einheit <strong>für</strong><br />
Deutschland ohne soziale Schichtung das „neue Fest“ begehen.<br />
Spätere Massenveranstaltungen basierten auf den Elementen,<br />
die „am Tag der Arbeit“ auf dem Tempelhofer Feld eingesetzt<br />
wurden: Hakenkreuzfahnen in unbeschreiblicher Menge,<br />
Lichtregie, Beleuchtung von unten, Fackeln, Architektur der<br />
Massen als Sinnbild der Volksgemeinschaft. Speer beschreibt<br />
die Wirkung der Fackelarrangements in der Dunkelheit mit<br />
ihrer diffusen Stimmung als Außerkraftsetzung von Raum und<br />
Zeitwahrnehmung.<br />
„Der Tag der Arbeit“ wurde in der gleichgeschalteten Presse<br />
propagandistisch vorbereitet. Über den „Volksempfänger“<br />
erzielte man die Teilnahme über das Medium. Die Magie der<br />
Zahl, die lokal anwesend war, oder via Medium teilnehmen<br />
konnte, wurde hervorgehoben, um die nationale Einheit als<br />
tragendes Element zu betonen.<br />
Parallel zur Zentralveranstaltung fanden in anderen Städten<br />
ähnliche Veranstaltungen statt, die durch das Medium in die<br />
Radioinszenierung mit einbezogen wurden. Auch so erzielte<br />
man den Eindruck des feiernden Volkes. Die anschließende<br />
Aufbereitung des Filmmaterials und die Vorführung hatte<br />
Vorbildcharakter und war Lehrmaterial <strong>für</strong> die kleinen Appelle<br />
in Schule, am Arbeitsplatz und Freizeit.<br />
Die Thingbewegung<br />
Die Thing-Bewegung trat als lokale Inszenierung die Nachfolge<br />
der Großveranstaltung an. Hinter dem germanisierten Begriff<br />
„Thing“ verbarg sich die Vorstellung von einer großen<br />
Versammlungsstätte unter freiem Himmel <strong>für</strong> die Veranstaltung<br />
von Kundgebungen, Feiern und Aufführungen von<br />
„Thingspielen“, die in der Tradition der proletarischen<br />
Sprechchöre der Weimarer Republik standen.<br />
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