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OM Deutsch 2010 Internet-Ausgabe.pdf

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Auf dem Baltischen Weg:<br />

Die unterdrückten Völker halten<br />

zusammen<br />

Die Volksbewegungen des Baltikums wurden zum Vorbild<br />

für ähnliche Bewegungen in anderen Sowjetrepubliken,<br />

was schließlich zur Abschaffung der kommunistischen<br />

Alleinherrschaft, der Wiederherstellung der<br />

Unabhängigkeit und letztendlich zum Zusammenbruch<br />

der Sowjetunion führte. Diese Volksbewegungen<br />

manifestierten sich durch die Gründung einer breiten<br />

Palette an Organisationen und Großkundgebungen,<br />

deren wichtigste Ziele die Befreiung vom totalitären<br />

Regime, eine Demokratisierung und die Abschaffung<br />

des Moskauer Diktats darstellten. Die Bemühungen<br />

der Kommunistischen Partei, die Bewegung in eine ihr<br />

genehme Richtung zu lenken, waren zum Scheitern<br />

verurteilt, denn zahlreiche Kommunisten schlossen sich<br />

ihr aus Überzeugung an.<br />

Die erste breite Bürgerbewegung, die unaufhaltsam ihre<br />

Tätigkeit ausweitete, war die im April 1988 gegründete<br />

Estnische Volksfront Rahvarinne; es folgten im Juni die<br />

Litauische Volksfront Sajūdis und im Oktober 1988 die<br />

Lettische Volksfront. Im November desselben Jahres traf<br />

sich die Führung der drei Volksfronten und vereinbarte eine<br />

enge Zusammenarbeit, die im Mai 1989 in der Gründung der<br />

Baltischen Versammlung mündete und deren Resolutionen<br />

den Weg zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit<br />

ebneten.<br />

Am 23. August 1989, dem 50. Jahrestag der<br />

Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes, bildete eine halbe<br />

Millionen Menschen aus Estland, Lettland und Litauen<br />

einen gemeinsamen „Baltischen Weg,“ eine etwa 600 km<br />

lange Menschenkette durch die baltischen Staaten, um die<br />

Solidarität unter den baltischen Völkern und ihr Streben nach<br />

Unabhängigkeit zu demonstrieren. Die enge Zusammenarbeit<br />

zwischen den baltischen Staaten setzte sich auch nach der<br />

Wiedererlangung ihrer Unabhängigkeit fort.<br />

Eine wichtige Rolle kam 1989 auch den Vertretern aus<br />

den baltischen Staaten im Volksdeputiertenkongreß der<br />

UdSSR in Moskau zu. Mit Hilfe von Alexander Jakowlew,<br />

Sekretär des ZK der KPdSU, gelang es ihnen, den Kongreß<br />

am 24. Dezember 1989 zu einer Resolution zu bewegen,<br />

in der die geheimen Zusatzprotokolle des Hitler-Stalin-<br />

Paktes für ungültig vom Zeitpunkt ihrer Unterzeichnung<br />

an erklärt wurden. Mit der Bestätigung der Existenz der<br />

geheimen Zusatzprotokolle gestand die UdSSR faktisch die<br />

widerrechtliche Annexion der baltischen Staaten ein.<br />

Volkes Stimme:<br />

Die Lettische Volksfront<br />

Die Diskussion im Schriftstellerverband im Jahr 1988<br />

läutete eine neue Welle gesellschaftspolitischer Aktivitäten<br />

ein, die auch von offiziellen Organisationen und liberalen<br />

Kräften in der KPL unterstützt wurden. Die Lettische<br />

Volksfront (Latvijas tautas fronte – LTF) wurde rasch<br />

zur größten und einflußreichsten gesellschaftspolitischen<br />

Organisation in Lettland, der es gelang, das Volk für<br />

eine Wiedererlangung der Unabhängigkeit zu einen.<br />

Mit der großen Mehrheit, über die die LTF im 1990 neu<br />

gewählten Obersten Rat der LSSR verfügte, entschied<br />

das Parlament am 4. Mai 1990, die am 18. November<br />

gegründete Republik Lettland wiederherzustellen.<br />

Der Gründungskongreß der Lettischen Volksfront fand<br />

am 8. und 9. Oktober 1988 in Riga statt. Sie inspirierte und<br />

organisierte die Volksmassen. Die LTF-Zeitung Atmoda und<br />

das TV-Magazin Labvakar (Guten Abend) stellten Ende der<br />

achtziger Jahre die wirksamsten Medien in Lettland dar.<br />

Versuche, die LTF der Kontrolle durch die KP zu<br />

unterwerfen, waren von vornherein zum Scheitern verurteilt,<br />

wenngleich sich die LTF seitens nationaler Kreise noch<br />

lange des Vorwurfs ausgesetzt sah, eine von der Partei<br />

sanktionierte Organisation zu sein. Tatsächlich jedoch wurde<br />

die LTF mit bald schon 250.000 Mitgliedern zu einer<br />

breiten Massenbewegung, die mit den gewohnten Mitteln<br />

der Einflußnahme und Kontrolle nicht zu lenken und in die<br />

Schranken zu weisen war. Unter ihren Mitgliedern waren<br />

auch zahlreiche national denkende Kommunisten und viele<br />

Zuwanderer nichtlettischer Nationalität. Viele von ihnen<br />

waren enttäuscht, als später nur ehemaligen Staatsbürgern<br />

und deren Nachkommen automatisch die Staatsbürgerschaft<br />

der Republik Lettland zuerkannt wurde.<br />

Mitgliedskarte der Lettischen Volksfront.<br />

Auf der Suche nach einem gemeinsamen politischen<br />

Nenner war die LTF im Gegensatz zu radikaleren nationalen<br />

Organisationen zunächst bemüht, die bestehenden Gesetze<br />

und Verwaltungsstrukturen der UdSSR zum Erreichen<br />

ihre Ziele auszuschöpfen. Deshalb trat die LTF anfangs<br />

nur sehr vorsichtig für eine Souveränität Lettlands im<br />

Rahmen der Sowjetunion und erst 1989 für die vollständige<br />

Souveränität ein. Für die Anerkennung der Rechte Lettlands<br />

kämpften auch die 1989 gewählten Vertreter der LTF im<br />

Volksdeputiertenkongreß der UdSSR in Moskau.<br />

Bei den Wahlen zum Obersten Rat der Lettischen SSR<br />

im März 1990 gewann die Lettische Volksfront eine Zweidrittel-Mehrheit.<br />

Dieser Erfolg ist besonders bedeutsam,<br />

angesichts der Tatsache, daß nicht bloß Letten, die inzwischen<br />

nur noch 52 % der Einwohner in Lettland ausmachten,<br />

an diesen Wahlen teilnahmen, sondern alle Einwohner,<br />

einschließlich des riesigen Kontingents an sowjetischen<br />

Armeeangehörigen.<br />

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