OM Deutsch 2010 Internet-Ausgabe.pdf
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Žīds / ebrejs<br />
Seitdem Lettland 1991 seine staatliche Unabhängigkeit<br />
wiedererlangte, tauchte in der wissenschaftlichen wie öffentlichen<br />
Diskussion immer wieder die Frage auf, mit welchem Namen die<br />
jüdische Bevölkerung des Landes bezeichnet werden sollte. Bis 1940<br />
war in der Literatursprache die Bezeichnung žīds üblich gewesen,<br />
die im Lettischen nicht negativ belegt war und etymologisch der<br />
im Polnischen, Litauischen und anderen Sprachen verwendeten<br />
Bezeichnung entspricht. Unter der sowjetischen Besatzung<br />
1940/41 wurde im offiziellen Sprachgebrauch bereits die russische<br />
Bezeichnung ebrejs verwendet. Unter den Nationalsozialisten<br />
tauchte das lettische žīds im Zusammenhang mit antijüdischen<br />
Hetzkampagnen auf, insbesondere in der Verbindung „jüdischer<br />
Bolschewik.“<br />
Eben weil im russischen Wort žīd eine negative und<br />
diskriminierende Nebenbedeutung mitschwingt, bürgerte sich<br />
nach dem Krieg die Bezeichnung ebrejs in der lettischen Sprache<br />
ein. Nach der Vernichtung nahezu der gesamten jüdischen<br />
Bevölkerung Lettlands durch die Nationalsozialisten sprachen die<br />
jüdischen Zuwanderer aus anderen Sowjetrepubliken vorwiegend<br />
Russisch und bezeichneten sich wie in Rußland selbst als ebreji.<br />
Ein Teil der alteingesessenen jüdischen Bevölkerung Lettlands,<br />
darunter auch Juden, sowie außerhalb Lettlands lebende Letten<br />
bestehen heute auf der alten Bezeichnung žīds mit dem Argument,<br />
daß das ursprüngliche lettische Wort keinerlei negative Konnotation<br />
habe. Die Vertreter der jüdischen Gemeinde in Lettland lehnen<br />
diese Bezeichnung jedoch ab. In der Presse und Öffentlichkeit<br />
wie auch im Okkupationsmuseum wird die Bezeichnung ebrejs<br />
benutzt.<br />
Jānis (Žanis) Lipke (1900–1987)<br />
Jānis Lipke, besser bekannt unter dem Namen Žanis, Hafenarbeiter<br />
in Riga, arbeitete in den ersten Kriegsmonaten mit jüdischen<br />
Zwangsarbeitern zusammen und entschloß sich, sie in einem für<br />
diesen Zweck eingerichteten Bunker in seinem Haus und später auch<br />
bei Freunden zu verstecken. Auf diese Weise hat er 53 Menschen das<br />
Leben gerettet. Das Holocaust-Museum in Jerusalem hat Lipke und<br />
seine Frau Johanna mit einer Gedenkmedaille geehrt. In der „Straße<br />
der Gerechten“ in Jerusalem wurde für Lipke ein Baum gepflanzt. In<br />
Riga ist eine Straße nach ihm benannt. An seinem Haus wurde eine<br />
Gedenktafel angebracht. Hier wird eine Gedenkstätte eingerichtet.<br />
Vom Staat Israel ausgestellte Ehrenurkunde für Pauls Krūmiņš,<br />
der „sein Leben für die Rettung jüdischer Mitbürger riskiert<br />
hatte.“<br />
Das Schreckensjahr<br />
Titelblatt des Buches Baigais gads (Das Schreckensjahr).<br />
Die Erschütterung und Trauer der Bevölkerung in Bezug auf die<br />
immer offensichtlicher zutage tretenden, im Jahr 1941 begangenen<br />
brutalen Verbrechen der sowjetischen Besatzungsmacht wurde<br />
von der Propaganda der Nationalsozialisten im Dienste ihrer<br />
rassistischen Ideologie und Hetze ausgenutzt. Am deutlichsten<br />
wird dies im 1942 in lettischer und 1943 in deutscher Sprache<br />
erschienenen Buch Das Schreckensjahr. Darin wird der sowjetische<br />
Terror mit Hilfe von Fotos exhumierter Leichen von NKWD-<br />
Opfern gezeigt. Diese werden als Opfer der „Juden–Bolschewiken“<br />
instrumentalisiert, um auf diese Weise die Juden als Schuldige<br />
an den kommunistischen Verbrechen hinzustellen und sie als<br />
Feinde des lettischen Volkes zu dämonisieren. Zahlreiche Fotos<br />
der Publikation sind tendenziös ausgewählt, retuschiert und<br />
kommentiert.<br />
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