Definierbarkeit und Definition des Ausdrucks „Gott“ - Christoph Zimmer
Definierbarkeit und Definition des Ausdrucks „Gott“ - Christoph Zimmer
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schauungen haben zu können, muß min<strong>des</strong>tens klar sein, was unter x genau zu verstehen<br />
ist. Und daß über Gott anscheinend verschiedene Anschauungen bestehen,<br />
verlangt gerade umgekehrt eine <strong>Definition</strong> von <strong>„Gott“</strong>, sonst sind es nicht verschiedene<br />
Anschauungen über Gott, sondern verschiedene Anschauungen über offenbar<br />
verschiedene Gegenstände. Denn komparabel werden verschiedene Auffassungen<br />
erst durch einen gemeinsamen, klar bestimmten, definierten Bezugspunkt.<br />
Da verschiedene Anschauungen über etwas voraussetzen, dass dieses sprachlich als<br />
dasselbe repräsentiert ist, kann man wegen der intensionalen Vagheit <strong>des</strong> <strong>Ausdrucks</strong><br />
<strong>„Gott“</strong> ziemlich leicht bestreiten, daß es über Gott verschiedene Auffassungen gibt.<br />
Es gibt zwar verschiedene Auffassungen, ob es aber verschiedene Auffassungen über<br />
Gott sind, müßte noch bewiesen werden. Dafür jedoch braucht man eine <strong>Definition</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>Ausdrucks</strong> <strong>„Gott“</strong>.<br />
2.4. Aus dem Charakter der <strong>Definition</strong> als Festsetzung <strong>und</strong> Vereinbarung über<br />
sprachliche Ausdrücke erhellt ganz unmittelbar ihre Relevanz für Konsensbildungen,<br />
zumal eine <strong>Definition</strong> selbst schon einen Elementarkonsens darstellt. Ohne Klarheit<br />
über das sprachliche Material gibt es keinen Konsens, <strong>und</strong> da <strong>Definition</strong>en diese<br />
Klarheit herstellen, gibt es einen Konsens auch nicht ohne <strong>Definition</strong>en.<br />
Der Bezug zu ökumenischen Konsensbestrebungen ist damit offensichtlich. Zwar<br />
machen <strong>Definition</strong>en allein noch keinen ökumenischen Konsens aus, aber ein solcher<br />
Konsens ohne <strong>Definition</strong>en ist unerreichbar, weil <strong>Definition</strong>en notwendige Elemente<br />
von Konsens sind.<br />
Es ist <strong>des</strong>halb nicht übertrieben zu sagen, daß der Fortschritt der ökumenischen Konsensbestrebungen<br />
wesentlich davon abhängt, ob die <strong>Definition</strong> als Strukturelement<br />
von Konsens erkannt wird <strong>und</strong> in Anwendung gelangt. Umgekehrt leuchtet ohne<br />
weiteres ein, daß dort, wo <strong>Definition</strong>en abgelehnt werden, erst recht kein Konsens, ja<br />
nicht einmal kommunikative Verständigung zustande kommen kann.<br />
Ebensowenig jedoch wie ein Konsens über das Verabredete sagt eine <strong>Definition</strong> über<br />
das Definierte aus, daß es wahr ist. Vielmehr wird in beiden Fällen nur konventionell<br />
vereinbart. Man kann aber nicht vereinbaren, daß etwas wahr sei, weil über Wahrheit<br />
oder Falschheit nicht ein Konsens bestimmt, sondern logischer <strong>und</strong> empirischer Beweis.<br />
Dem steht der Irrtum entgegen, die Wahrheit liege im Konsens, oder ein Konsens besage,<br />
daß das, worüber die Übereinkunft erzielt wurde, automatisch wahr sei. 34 Statt<br />
<strong>des</strong>sen kann weder aus einem Konsens auf die Wahrheit der betreffenden Aussage<br />
geschlossen werden, noch vermag eine konsensmäßige Übereinkunft irgendetwas<br />
wahr zu machen. Es kann nämlich durchaus auch über Falsches ein Konsens erzielt<br />
werden, wie die Geschichte lehrt.<br />
17<br />
34 Vgl. Ritschl, Dietrich: Zur Logik der Theologie. 1984, 149f, 269; anders: Sauter, Gerhard: Consensus. In: TRE 8,<br />
183, 187.