Definierbarkeit und Definition des Ausdrucks „Gott“ - Christoph Zimmer
Definierbarkeit und Definition des Ausdrucks „Gott“ - Christoph Zimmer
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38<br />
„identity of classes is identity of membership“ 98 .<br />
Es läuft also auf dasselbe hinaus zu sagen, G hat keine Extension (Gattung), wie zu<br />
sagen, G hat die Nullextension. Da eine Klasse nicht unabhängig von den durch sie<br />
sprachlich zusammengefaßten Elementen existiert, ist ein extensionsloses Prädikat<br />
nur eine andere <strong>Ausdrucks</strong>weise dafür, daß diesem Prädikat die Nullklasse zugeordnet<br />
wird. Und die Nullextension ist das, was die Atheisten dem Prädikat <strong>„Gott“</strong> zuordnen.<br />
8.2. Die atheistische Konsequenz der Nichtdefinierbarkeitsbehauptung liegt <strong>des</strong>wegen<br />
vor, weil das Prädikat <strong>„Gott“</strong> gemäß „deus non habet genus“ extensionslos<br />
sein soll. Denn wenn es für G keine Extension gibt, dann gibt es auch kein Objekt,<br />
auf das G zutreffen könnte, da die Extension gerade die Klasse derjenigen Objekte<br />
ist, auf die das Prädikat zutrifft. G wäre somit ein atheistischer Ausdruck.<br />
Völlig sinnlos ist es jedoch, wenn mit Hilfe <strong>des</strong> als extensionslos titulierten Prädikats<br />
behauptet wird, es existiere ein bestimmtes Objekt Gott <strong>und</strong> hätte die <strong>und</strong> die bekenntnismäßigen<br />
Eigenschaften, nachdem gerade die Existenz eines solchen Objektes<br />
kraft „deus non habet genus“ unmöglich gemacht worden ist. Die Behauptung<br />
„deus non habet genus“ schließt die Behauptung, daß Gott existiert, aus, weil die eine<br />
Behauptung der andern logisch widerspricht.<br />
Eine monotheistische Existenzbehauptung – die Aussage, daß es genau ein Objekt<br />
gibt, auf das das Prädikat G zutrifft, – der Form<br />
Ⅴx Λy (Gx ∧ Gy ↔ x = y)<br />
ist bereits analytisch falsch, wenn γ = 0. Demzufolge ist die Behauptung der Existenz<br />
Gottes entweder sinnlos oder falsch, wenn gleichzeitig das Prädikat <strong>„Gott“</strong> keine<br />
Gattung hat.<br />
Das Prädikat <strong>„Gott“</strong> mit Nullextension erlaubt weder die Formulierung sinnvoller<br />
noch wahrer theologischer Aussagen, sofern theologische Aussagen jene sind, die<br />
das Prädikat <strong>„Gott“</strong> enthalten 99 . Geht man ferner davon aus, daß sich die Theologie<br />
sprachlich dem Prädikat <strong>„Gott“</strong> nicht nur verdankt, sondern auch darauf angewiesen<br />
bleibt, so stellt „deus non habet genus“ eine Sinnloserklärung der gesamten Theologie<br />
dar.<br />
8.3. Die Nichtdefinierbarkeitsbehauptung entpuppt sich als chamouflierter Atheismus,<br />
eine Tatsache, die besonders auch dadurch prekär wirkt, daß die Auseinandersetzung<br />
zwischen Theisten <strong>und</strong> Atheisten plötzlich als eine rein inneratheistische<br />
Angelegenheit erscheint. Während sich die Theologie mit einem von außen an sie<br />
herantretenden Atheismus beschäftigt, trägt sie gleichzeitig dazu bei, wenn auch in<br />
98 Hughes, Set Theory, NEBrit (1985) 23, 270b.<br />
99 <strong>Zimmer</strong>, C.: Was ist unter einer theologischen Aussage zu verstehen? FZPhTh 36, 1989, 311-340.