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Schutzlos hinter Gittern Abschiebungshaft in Deutschland - Pro Asyl

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In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage<br />

der L<strong>in</strong>ken heißt es: „Die mediz<strong>in</strong>ische und psychologische<br />

Grundbetreuung der genannten Abschiebungshäftl<strong>in</strong>ge ist gewährleistet.<br />

So werden sämtliche Abschiebungshäftl<strong>in</strong>ge bei<br />

ihrer Aufnahme e<strong>in</strong>er ärztlichen Untersuchung unterzogen. Sofern<br />

hierbei oder zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt psychische Auffälligkeiten<br />

beobachtet werden, wird dies mit den zuständigen<br />

Psychologen oder erforderlichenfalls mit e<strong>in</strong>em konsiliarischen<br />

Psychiater besprochen bzw. der Abschiebungshäftl<strong>in</strong>g direkt bei<br />

diesen vorgestellt.“ 67 Wie jedoch ohne den E<strong>in</strong>satz von Dolmetschern<br />

psychische Erkrankungen erkannt werden sollen,<br />

bleibt e<strong>in</strong>e unbeantwortete Frage. So verwundert es auch<br />

nicht, dass uns mitgeteilt wurde, dass Fälle von ernsthaften<br />

psychische Krankheiten bzw. Traumatisierungen kaum vorkommen<br />

würden.<br />

Soziale Betreuung/unabhängige Beratung: Es gibt e<strong>in</strong>e<br />

halbe Sozialarbeiterstelle der JVA, die für die <strong>Abschiebungshaft</strong><br />

zuständig ist. Diese war lange Zeit nicht besetzt. E<strong>in</strong>e<br />

Neubesetzung erfolgte im November 2012. Aufgabe sei es,<br />

den Inhaftierten <strong>in</strong> sozialen Belangen behilflich zu se<strong>in</strong>. Es<br />

gibt e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es Informationsblatt über den Vollzug der<br />

<strong>Abschiebungshaft</strong> <strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt sieben Sprachen. Die Hausordnung<br />

ist <strong>in</strong> vier Sprachen übersetzt worden. Daneben gab<br />

es e<strong>in</strong>e unabhängige Verfahrensberatung des Diakonischen<br />

Werkes. Diese Beratungsstelle sollte die Inhaftierten <strong>in</strong> ihrem<br />

<strong>Abschiebungshaft</strong>verfahren begleiten und ggf. Kontakte zu<br />

Rechtsanwälten herstellen. Die Stelle wurde im Dezember<br />

2012 gestrichen. Weiterh<strong>in</strong> führt Amnesty International <strong>in</strong> der<br />

<strong>Abschiebungshaft</strong> Beratung durch. E<strong>in</strong>e regemäßige Rechtsberatung<br />

gibt es nicht. Sonstige Betreuungsangebote, z.B.<br />

weitere ehrenamtliche Gruppen usw., gibt es nicht.<br />

Das zuständige Regierungspräsidium hat <strong>in</strong> der <strong>Abschiebungshaft</strong>anstalt<br />

e<strong>in</strong> Büro. Diese Stelle soll den Inhaftierten<br />

als Ansprechpartner im laufenden Verfahren dienen. Bei unserem<br />

Besuch konnten wir mit dem zuständigen Sachbearbeiter<br />

sprechen. Er arbeitet nicht mit Dolmetschern sondern<br />

greift bei se<strong>in</strong>en Beratungen auf die Sprachkompetenz von<br />

Mithäftl<strong>in</strong>gen zurück. Kurz vor unserem Gespräch führte er<br />

e<strong>in</strong>e Beratung mit vier Inhaftierten durch, wobei zwei Mitgefangene<br />

als Sprachmittler fungierten.<br />

Im Widerspruch dazu wird <strong>in</strong> der Antwort der Bundesregierung<br />

auf die Große Anfrage der L<strong>in</strong>ken ausgeführt: „Der Vertreter<br />

der Ausländerbehörde steht den Abschiebungshäftl<strong>in</strong>gen<br />

als Ansprechpartner <strong>in</strong> allen ausländerrechtlichen Belangen<br />

zur Verfügung und erläutert den Betroffenen im Bedarfsfall die<br />

Verfahrenssituation und den Inhalt behördlicher Schreiben. Im<br />

persönlichen Gespräch besteht die Möglichkeit, auf <strong>in</strong>dividuelle<br />

Bedürfnisse der Abschiebungshäftl<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>zugehen. Bei Bedarf<br />

zieht die Ausländerbehörde e<strong>in</strong>en Dolmetscher h<strong>in</strong>zu; für vollzugliche<br />

Angelegenheiten bestand <strong>in</strong>soweit bislang noch ke<strong>in</strong><br />

Erfordernis.“ 68<br />

E<strong>in</strong>zelgewahrsam/Besonders gesicherter Haftraum (bgH):<br />

In der JVA gibt es besonders gesicherte Hafträume, allerd<strong>in</strong>gs<br />

ohne Fixierungsmöglichkeiten. Bei Unterbr<strong>in</strong>gen im bgH bis<br />

zu drei Tagen muss dies nicht ans zuständige M<strong>in</strong>isterium gemeldet<br />

werden.<br />

n 2. Polizeigewahrsam Berl<strong>in</strong> Köpenick (Berl<strong>in</strong>)<br />

(besucht am 01.08.2012)<br />

Kurzdarstellung: 1995 wurde das Gefängnis <strong>in</strong> Köpenick<br />

als re<strong>in</strong>e <strong>Abschiebungshaft</strong> <strong>in</strong> Betrieb genommen. Zunächst<br />

wurden 371 Haftplätze vorgehalten. 2005 wurde die Haftkapazität<br />

auf 214 Plätze reduziert (164 für Männer und 50 für<br />

Frauen). Die Bewachung erfolgt durch Polizeivollzugsbeamte.<br />

Während unseres Besuches befanden sich 15 Männer <strong>in</strong><br />

<strong>Abschiebungshaft</strong>. Die <strong>Abschiebungshaft</strong> ist sowohl für Frauen<br />

als auch für Männer zuständig.<br />

Unterbr<strong>in</strong>gung: Es gibt e<strong>in</strong>e Raucher- und e<strong>in</strong>e Nichtraucheretage<br />

für Männer. In den Zellen gibt es Stockbetten mit bis<br />

zu sechs Schlafplätzen. Verschließbare Sp<strong>in</strong>de, e<strong>in</strong>en Tisch<br />

und Stühle. In den Zellen bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Fernseher, allerd<strong>in</strong>gs<br />

nur mit deutschsprachigen <strong>Pro</strong>grammen. In e<strong>in</strong>igen<br />

Zellen s<strong>in</strong>d die Stühle und der Tisch (noch) im Boden verankert.<br />

Die Fenster der Zellen s<strong>in</strong>d vergittert. Von den Zellen<br />

aus s<strong>in</strong>d teilweise sanitäre E<strong>in</strong>richtungen zugänglich, mit E<strong>in</strong>sichtsmöglichkeiten<br />

von außen (Sichtschlitze). Duschmöglichkeiten<br />

s<strong>in</strong>d auf dem Flur jederzeit zugänglich. Es besteht<br />

die Möglichkeit der geme<strong>in</strong>samen Unterbr<strong>in</strong>gung von Ehepaaren.<br />

Die Bewachung bef<strong>in</strong>det sich nicht im Flur sondern<br />

außerhalb. E<strong>in</strong>e Kontaktaufnahme zu Vollzugskräften ist jederzeit<br />

möglich.<br />

Trennungsgebot: Da der Polizeigewahrsam e<strong>in</strong>e eigenständige<br />

<strong>Abschiebungshaft</strong>anstalt ist, wird das vorgeschriebene<br />

Trennungsgebot beachtet.<br />

Bewegungsfreiheit <strong>in</strong>nerhalb des Gewahrsams: Die Inhaftierten<br />

können sich <strong>in</strong>nerhalb des Flures rund um die Uhr<br />

frei bewegen. Es gibt nur e<strong>in</strong>en Kurze<strong>in</strong>schluss zum Zählen.<br />

Vormittags und <strong>in</strong> der Regel nachmittags besteht die Möglichkeit<br />

des Hofgangs, jeweils etwa e<strong>in</strong>e Stunde.<br />

Freizeitmöglichkeiten/Entgeltliche Arbeitsmöglichkeiten:<br />

Es gibt im Außenbereich drei e<strong>in</strong>gezäunte Plätze, auf denen<br />

Sport gemacht werden kann, z.B. Fußball oder Basketball. Im<br />

Haftbereich besteht die Möglichkeit, Tischtennis zu spielen.<br />

Es gibt ke<strong>in</strong>e entgeltlichen Arbeitsmöglichkeiten.<br />

„Soweit vorhanden und organisatorisch umsetzbar, wird den<br />

Insassen ermöglicht, kle<strong>in</strong>ere Arbeiten zu verrichten (Malerarbeiten,<br />

Aufräumen, Schnee- und Eisbeseitigung).“ 69<br />

67. Große Anfrage DIE LINKE, a.a.O., S. 167.<br />

68 Große Anfrage BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, a.a.O., S. 74.<br />

69. Große Anfrage DIE LINKE, S. 117.

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