22.11.2013 Aufrufe

Schutzlos hinter Gittern Abschiebungshaft in Deutschland - Pro Asyl

Schutzlos hinter Gittern Abschiebungshaft in Deutschland - Pro Asyl

Schutzlos hinter Gittern Abschiebungshaft in Deutschland - Pro Asyl

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

35<br />

n 4. Polizeigewahrsam Bremen (Bremen)<br />

(besucht am 8. 8. 2012)<br />

Kurzdarstellung: Bei dem Bremer <strong>Abschiebungshaft</strong>gewahrsam<br />

handelt es sich um e<strong>in</strong>en Polizeigewahrsam, der<br />

zentral <strong>in</strong> Bremen gelegen ist. Dort wird nicht nur die <strong>Abschiebungshaft</strong><br />

vollzogen, sondern auch vorläufige Festnahmen<br />

der Polizei. Die verschiedenen Haftarten s<strong>in</strong>d auf unterschiedlichen<br />

Etagen untergebracht. Insgesamt gibt es 24<br />

Plätze, 18 Plätze für Männer und sechs für Frauen. Während<br />

unseres Besuchs befanden sich ke<strong>in</strong>e Personen <strong>in</strong> <strong>Abschiebungshaft</strong>.<br />

Unterbr<strong>in</strong>gung: E<strong>in</strong>zelzellen, ausgestattet mit Bett, Stuhl,<br />

Tisch. Es gibt e<strong>in</strong> Fenster aus Glasbauste<strong>in</strong>en. Die Belüftung<br />

der Zelle ist sehr schlecht. Toilette, Waschmöglichkeiten und<br />

Duschen s<strong>in</strong>d auf dem Gang und zu den Zeiten offener Zellentüren<br />

frei zugänglich. Die Bewachung erfolgt durch Polizeibeamte.<br />

Im <strong>Abschiebungshaft</strong>bereich s<strong>in</strong>d verschiedene<br />

Kameras angebracht, die alle relevanten Bereiche abdecken.<br />

Die Bilder gehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Büro im Erdgeschoss. Dort kontrollieren<br />

Polizisten die Monitore. Die persönliche Präsenz von<br />

Polizei auf der Station ist sehr begrenzt. Bei Schichtwechsel<br />

f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e sog. „Lebendkontrolle“ statt. Die Räumlichkeiten<br />

s<strong>in</strong>d sehr bunt gestaltet, <strong>in</strong>sbesondere fallen die vielfältigen<br />

Bastelarbeiten auf, die an den Wänden hängen. Die Inhaftierten<br />

tragen ihre persönliche Kleidung, die auch im Gewahrsam<br />

gewaschen werden kann.<br />

Trennungsgebot: Die <strong>Abschiebungshaft</strong>bereiche für Männer<br />

und Frauen s<strong>in</strong>d von den anderen Gewahrsamsbereichen<br />

strikt getrennt.<br />

Bewegungsfreiheit <strong>in</strong>nerhalb des Gewahrsams: Um 10:00<br />

Uhr werden die Zellen aufgeschlossen. Dann haben die Inhaftierten<br />

freien Zugang zu den Duschen, Aufenthaltsraum<br />

und Sportraum. Ab 14:00 Uhr ist Hofgang, d.h. es besteht die<br />

Möglichkeit, über e<strong>in</strong>e Treppe <strong>in</strong> den Hof zu gelangen. Dort<br />

kann Fußball und Basketball gespielt werden. Um 01:00 Uhr<br />

ist E<strong>in</strong>schluss <strong>in</strong> die Zellen.<br />

Freizeitmöglichkeiten/Entgeltliche Arbeitsmöglichkeiten:<br />

Die Frauen- und Männerplätze bef<strong>in</strong>den sich auf der gleichen<br />

Etage, s<strong>in</strong>d aber durch e<strong>in</strong> Gittertor, das mit Vorhängen<br />

abgehängt ist, getrennt. Sowohl der Frauen als auch der<br />

Männerbereich haben e<strong>in</strong>en Aufenthaltsraum. Dieser ist ausgestattet<br />

mit e<strong>in</strong>em Fernseher, Video- bzw. DVD-Player; weiterh<strong>in</strong><br />

Kühlschrank, Wasserkocher, Toaster und Mikrowelle. Es<br />

gibt aus Sicherheitsgründen ke<strong>in</strong>en Herd oder Kochplatten.<br />

Die Angebote der Sozialarbeiter<strong>in</strong> umfassen: Basteln und Malen.<br />

Außerdem gibt es die Möglichkeit, draußen Tischtennis,<br />

Fußball und weitere Spiele zu spielen. Es gibt e<strong>in</strong>en Sportraum<br />

mit Fahrrad, Stepper, Situp Bank und Dartscheibe. Es<br />

gibt ke<strong>in</strong>e entgeltlichen Arbeitsmöglichkeiten.<br />

Kontaktmöglichkeiten nach außen: Besuche s<strong>in</strong>d jeden<br />

Tag zwischen 14:00 und 18:30 Uhr, auch am Wochenende,<br />

nach vorheriger Anmeldung möglich. Die Handynutzung ist<br />

une<strong>in</strong>geschränkt möglich, auch mit Fotos und Internetzugang.<br />

Außerdem gibt es e<strong>in</strong>en öffentlichen Telefonapparat<br />

auf den Fluren von der Telekom, der aber so gut wie nicht benutzt<br />

wird, da die meisten Handys haben.<br />

Essen: Das Essen wird von der JVA Bremen geliefert und<br />

durch e<strong>in</strong>en Taxidienst angefahren. Es wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er separaten<br />

Küche portioniert. Abendessen und Frühstück werden<br />

ebenfalls mittags ausgegeben. Im Aufenthaltsraum gibt es<br />

e<strong>in</strong>e Mikrowelle, mit der Essen warm gemacht werden kann.<br />

Schwe<strong>in</strong>efleisch gibt es nie, vegetarisches Essen kann bestellt<br />

werden.<br />

Es gibt zwar auf der Etage e<strong>in</strong>e Küche mit Kochmöglichkeiten.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs liegt die außerhalb des Gefangenenbereichs.<br />

Auf unsere Anregung h<strong>in</strong> soll nun überlegt werden, ob elektrische<br />

Herdplatten für die Gefangenen angeschafft werden.<br />

Von Induktionsplatten würde ke<strong>in</strong>e Brandgefahr ausgehen.<br />

Mediz<strong>in</strong>ische Versorgung: E<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische E<strong>in</strong>gangsuntersuchung<br />

f<strong>in</strong>det nicht statt. Wenn die Beamten oder die<br />

Sozialarbeiter<strong>in</strong> der Ansicht s<strong>in</strong>d, es bestünde Behandlungsbedarf,<br />

wird der Polizeiarzt gerufen. Dieser überweise dann<br />

den Betroffenen, bei Bedarf, an e<strong>in</strong>en Facharzt. Bei Bedarf<br />

werden die Inhaftierten zum Zahnarzt ausgeführt. Bei akuten<br />

Schmerzzuständen wird der Rettungsdienst oder der ärztliche<br />

Beweissicherungsdienst gerufen. E<strong>in</strong>e regelmäßige psychologische<br />

Betreuung/Begutachtung f<strong>in</strong>det nicht statt. Haben<br />

die Bediensteten den E<strong>in</strong>druck, dass es dem Inhaftierten<br />

schlecht geht, kann der Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst gerufen<br />

werden. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaus/e<strong>in</strong>e Psychiatrie<br />

ist möglich.<br />

In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage<br />

der L<strong>in</strong>ken wird ausgeführt: „Durch das Aufnahmeverfahren im<br />

Abschiebungsgewahrsam ist sichergestellt, dass schutzbedürftige<br />

Personen ggf. erkannt und durch den Polizeiarzt untersucht<br />

werden. Erforderlichenfalls werden den Abschiebungshäftl<strong>in</strong>gen<br />

von e<strong>in</strong>er Sozialarbeiter<strong>in</strong> des Sozialen Dienstes Betreuungsund<br />

Hilfsmaßnahmen erbracht.“ 73 Es stellt sich die Frage, wie<br />

schutzbedürftige Personen erkannt werden sollen, wenn<br />

nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische E<strong>in</strong>gangsuntersuchung geschweige<br />

denn e<strong>in</strong> Gespräch mit psychologischem Fachpersonal<br />

stattf<strong>in</strong>det.<br />

Soziale Betreuung/unabhängige Beratung: Das E<strong>in</strong>gangsgespräch<br />

wird <strong>in</strong> der Regel durch die Sozialarbeiter<strong>in</strong> geführt,<br />

am Wochenende durch die diensthabenden Polizeibeamten.<br />

Dolmetscher werden nach Bedarf e<strong>in</strong>gesetzt. Die Aufgabenstellung<br />

der Sozialarbeiter<strong>in</strong> umfasst: Betreuung, E<strong>in</strong>kaufen<br />

für die Inhaftierten, Habesicherung und Organisation, dass<br />

73. Große Anfrage DIE LINKE, a.a.O., S. 22.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!