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Schutzlos hinter Gittern Abschiebungshaft in Deutschland - Pro Asyl

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33<br />

n 3. <strong>Abschiebungshaft</strong>gewahrsam Eisenhüttenstadt<br />

(Brandenburg)<br />

(besucht am 2. 8. 2012)<br />

Kurzdarstellung: Das <strong>Abschiebungshaft</strong>gewahrsam <strong>in</strong> Eisenhüttenstadt<br />

existiert seit 1993 und bef<strong>in</strong>det sich auf dem<br />

Gelände der Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtung. Das Gefängnis besteht<br />

aus vier Abteilungen, davon e<strong>in</strong>e Frauenabteilung. Die<br />

Haftkapazität umfasst <strong>in</strong>sgesamt 108 Plätze. Die Bewachung<br />

erfolgt durch Landesbedienstete und e<strong>in</strong>en privaten Sicherheitsdienst<br />

(Firma BOSS). BOSS ist <strong>in</strong> der Gesamtanlage für<br />

die Bewachung, die hauswirtschaftliche Versorgung und den<br />

Sozialdienst zuständig. Während unseres Besuches befanden<br />

sich 25 Personen <strong>in</strong> Haft. Seit e<strong>in</strong>iger Zeit steigen die Haftzahlen<br />

<strong>in</strong> Eisenhüttenstadt aber kont<strong>in</strong>uierlich. Primär handele<br />

es sich um Aufgriffsfälle der Bundespolizei an der deutschpolnischen<br />

Grenze.<br />

Unterbr<strong>in</strong>gung: E<strong>in</strong>e Abteilung besteht aus zwei Gängen,<br />

die durch Gitter abgegrenzt s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Gang hat 10 Zellen á 3<br />

Plätze, im anderen Gang bef<strong>in</strong>den sich 8 Zellen á 3 Plätze. Die<br />

Zellen s<strong>in</strong>d mit Betten, Stühlen und e<strong>in</strong>em Tisch ausgestattet.<br />

In der Zelle bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Fernseher. Auf den Zellen gibt es<br />

e<strong>in</strong> Bad mit Waschbecken und Toilette. Die Fenster der Zellen<br />

s<strong>in</strong>d vergittert. Duschmöglichkeiten s<strong>in</strong>d auf dem Gang und<br />

zu den Aufschlusszeiten benutzbar. Das Wachpersonal bef<strong>in</strong>det<br />

sich permanent <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em eigens dafür e<strong>in</strong>gerichteten<br />

Raum im Haftbereich.<br />

Trennungsgebot: Da der Abschiebungsgewahrsam e<strong>in</strong>e eigenständige<br />

Haftanstalt für den Vollzug der <strong>Abschiebungshaft</strong><br />

ist, wird das Trennungsgebot beachtet.<br />

Bewegungsfreiheit <strong>in</strong>nerhalb des Gewahrsams: Die Zellen<br />

s<strong>in</strong>d zwischen 07:00 und 22:00 Uhr offen, d.h. die Inhaftierten<br />

können sich auf ihrem Flur frei bewegen. Zwischen 22:00 und<br />

07:00 Uhr erfolgt der E<strong>in</strong>schluss. Es gibt e<strong>in</strong>e Stunde Hofgang<br />

pro Tag.<br />

Freizeitmöglichkeiten/Entgeltliche Arbeitsmöglichkeiten:<br />

Für Freizeitaktivitäten stehen Tischtennisplatten und Spielkonsolen<br />

zur Verfügung. Im Außenbereich kann während des<br />

Hofgangs auch Fußball u. ä. gespielt werden. Es gibt ke<strong>in</strong>e<br />

entgeltlichen Arbeitsmöglichkeiten.<br />

„Bei Bedarf und Möglichkeit der <strong>Abschiebungshaft</strong>e<strong>in</strong>richtung<br />

kann zum Satz aus dem <strong>Asyl</strong>bewerberleistungsgesetz (<strong>Asyl</strong>bLG)<br />

gearbeitet werden.“ 70<br />

Kontaktmöglichkeiten nach außen: Handys s<strong>in</strong>d erlaubt,<br />

sofern sie ke<strong>in</strong>e Fotofunktionen haben. Laptops s<strong>in</strong>d auch<br />

erlaubt, sofern sie nicht <strong>in</strong>ternetfähig s<strong>in</strong>d. Bis vor gut e<strong>in</strong>em<br />

Jahr gab es auf allen Abteilungen e<strong>in</strong>en anzurufenden Telefonapparat.<br />

Diese s<strong>in</strong>d durch die Telekom aber abmontiert<br />

worden, da sie sich nicht gelohnt haben. Nunmehr gibt es nur<br />

noch e<strong>in</strong>en Telefonapparat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gang im Erdgeschoss.<br />

Über dessen Existenz würde über „Buschfunk“ <strong>in</strong>formiert, so<br />

unsere Gesprächspartner. Wer ke<strong>in</strong> eigenes Handy hat, dem<br />

steht e<strong>in</strong> anzurufendes Telefongerät demnach nur sehr e<strong>in</strong>geschränkt<br />

zu Verfügung. Besuche s<strong>in</strong>d jeden Tag möglich.<br />

Essen: Das Essen wird zentral <strong>in</strong> der Aufnahmee<strong>in</strong>richtung<br />

zubereitet und <strong>in</strong> die <strong>Abschiebungshaft</strong> gebracht. Im Haftbereich<br />

gibt es weder e<strong>in</strong>e Küche noch e<strong>in</strong>e sog. Teeküche.<br />

Es gibt ke<strong>in</strong>erlei Möglichkeiten, Speisen selbst zuzubereiten.<br />

Auch der Tee wird fertig bereitgestellt.<br />

Mediz<strong>in</strong>ische Versorgung: E<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> der Woche kommt e<strong>in</strong><br />

Arzt <strong>in</strong> die Haft, vor allem, um die Erstuntersuchung durchzuführen.<br />

In der Haft arbeiten auch noch zwei Krankenschwestern<br />

(sie arbeiten auch <strong>in</strong> der Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtung),<br />

die für die übrige mediz<strong>in</strong>ische Versorgung der Inhaftierten<br />

zuständig s<strong>in</strong>d. Die Krankenschwestern verfügen nicht über<br />

Fremdsprachenkenntnisse. Dolmetscher werden <strong>in</strong> der Regel<br />

nicht e<strong>in</strong>gesetzt. Die Krankenschwestern haben Fragekarten<br />

<strong>in</strong> verschiedenen Sprachen, die sie e<strong>in</strong>setzen, wenn Inhaftierte<br />

<strong>in</strong> die Sprechstunde kommen, um e<strong>in</strong>e Anamnese<br />

durchzuführen. E<strong>in</strong>e ärztliche Behandlung wird dann durchgeführt,<br />

wenn e<strong>in</strong>e akute Erkrankung festgestellt wurde. Ausführungen<br />

zu Fachärzten und Krankenhäusern s<strong>in</strong>d möglich,<br />

wobei auch hier die fehlende Sprachmittlung problematisch<br />

ist. Weiterh<strong>in</strong> ist <strong>in</strong> der Haft ke<strong>in</strong> Psychologe tätig. Es gibt derzeit<br />

Überlegungen, dies zu ändern, da es u. a. auch vom Europäischen<br />

Ausschuss zur Verhütung von Folter (CPT) angeregt<br />

wurde. Das <strong>Pro</strong>blem sei hier aber der kurzfristige Aufenthalt<br />

der Inhaftierten. Es gebe aber nunmehr Gespräche mit e<strong>in</strong>er<br />

ortsansässigen Diplompsycholog<strong>in</strong>.<br />

„Bei Beg<strong>in</strong>n der Haftzeit erfolgt e<strong>in</strong>e Hafttauglichkeitsuntersuchung<br />

durch e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> der Woche anwesenden allgeme<strong>in</strong>en<br />

Arzt. Stellt dieser weitergehenden Behandlungsbedarf fest,<br />

der e<strong>in</strong>er Hafttauglichkeit nicht entgegen steht, wird an die im<br />

Krankenhaus und im Stadtgebiet Eisenhüttenstadt und Frankfurt<br />

(Oder) tätigen Fachärzte weitervermittelt. […] E<strong>in</strong>e täglich <strong>in</strong> der<br />

<strong>Abschiebungshaft</strong> tätige Krankenschwester steht als Ansprechpartner<strong>in</strong><br />

und Vermittler<strong>in</strong> zu den Ärzten zur Verfügung.“ 71<br />

Soziale Betreuung/unabhängige Beratung: Das E<strong>in</strong>gangsgespräch<br />

mit den neu Inhaftierten wird durch e<strong>in</strong>en Vertreter<br />

der „zuständigen Behörde“ durchgeführt. E<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche<br />

Sozialarbeit gibt es <strong>in</strong> der Haft <strong>in</strong> Eisenhüttenstad nicht.<br />

Bei „Bedarf“ werden die Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen der Firma BOSS<br />

gerufen, die eigentlich <strong>in</strong> der Aufnahmee<strong>in</strong>richtung arbeiten.<br />

Sie werden auch h<strong>in</strong>zugezogen, wenn Inhaftierte konkret<br />

danach fragen. Nach Aussagen unseres Gesprächspartners<br />

decken die Mitarbeiter der Firma BOSS die Sprachen Englisch,<br />

Französisch und Russisch ab. Daneben wird auf Sprachkompetenzen<br />

anderer Inhaftierter zurückgegriffen. Die Betreuer<br />

70. Große Anfrage DIE LINKE, a.a.O., S. 118. 71. Große Anfrage DIE LINKE, a.a.O., S. 27.

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