Vorbemerkungen zum Heft 9
Vorbemerkungen zum Heft 9
Vorbemerkungen zum Heft 9
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kommunikation macht den Betroffenen Beschwerden, kommunikative Vermeidung<br />
wird allmählich zu ihrem Lebensstil. Schweigen ist als Bewältigungsversuch<br />
zu verstehen.<br />
Aufgrund der Unterversorgung mutismusspezifischer Behandlungsangebote<br />
werden häufig andere Therapien ausprobiert; wertvolle Zeit verstreicht, das Kind<br />
schweigt weiterhin und wird ermutigt nonverbale Verhaltensmuster auszubauen.<br />
Für die Eltern ein Wechselbad der Gefühle. Die Interpretationsrichtung kann sich<br />
weg vom Störungsbild zur Gesellschaftskritik drehen. Die über Jahre entstehende<br />
Spirale der Dauerfrustration kann als Höhepunkt zu fünf Phänomenen führen:<br />
• Ausblendung des mutistischen Verhaltens als Störungsbild seitens der<br />
Eltern<br />
• Überbetonung der „verdeckten“ Leistungsfähigkeit ihres Kindes als<br />
Kompensation<br />
• mütterliche Fixierung auf das „schlimme Schicksal“ ihres Kindes als<br />
Unverzichtbarmachung der eigenen Rolle und identitätsstiftendes Kriterium,<br />
das von den Schweigenden im Kindesalter zur eigenen, fast schon zwanghaften<br />
Zentrierung genutzt wird<br />
• ambivalente Abwehr dieser mütterlichen Fixierung im späteren Jugend- und<br />
Jungerwachsenenalter durch latente oder offene Aggression der Schweiger;<br />
gleichzeitig schmerzhafte Erkenntnis, dass ihr Leben ohne die Mutter nicht<br />
funktioniert, vor allem nicht im Kontakt zur Außenwelt<br />
• sukzessives Aufkommen ehelicher Spannungen, wenn diese Nutzsymbiose<br />
zwischen Mutter und Kind nicht eine Abschwächung erfährt; Wunsch nach<br />
„Normalität“<br />
1.1 Klassifikation<br />
Die Internationale Klassifikation von psychischen Erkrankungen, kurz: ICD-10 der<br />
Weltgesundheitsorganisation zählt (s)elektiven Mutismus zu den psychisch<br />
begründeten Verhaltenauffälligkeiten und listet sie unter F94 Störung sozialer<br />
Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend. Die beim Kind emotional<br />
bedingte Selektivität des Sprechens ist häufig mit Sozialangst verbunden.<br />
Üblicherweise können auch die Persönlichkeitsmerkmale Rückzug, besondere<br />
Empfindsamkeit oder Widerstand gefunden werden.<br />
Im DSM-IV / Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen<br />
zählt selektiver Mutismus zu den emotionalen Störungen.<br />
(S)elektiver Mutismus muss differentialdiagnostisch von anderen Krankheitsbildern<br />
abgegrenzt werden, die in ihrer Phänomenologie des dauerhaften Schweigens<br />
eine gewisse Ähnlichkeit haben können, z.B. Autismus, Tiefgreifende<br />
Entwicklungsstörung oder Schizophrenie.<br />
FORUM TERMINE<br />
BÖRSE<br />
Regierung von Mittelfranken – Förderschulbereich – <strong>Heft</strong> 9/Sept. 2011 3