Volltext [pdf] - Hannah-Arendt-Institut Dresden
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3.2 Das Verfahrensrecht<br />
Das sowjetische Verfahrensrecht beruhte im wesentlichen auf der Strafprozeßordnung<br />
der Russischen Föderation (StPO der RSFSR) von 1924,<br />
die auch in einer Reihe anderer Unionsrepubliken galt. 32 Es erfuhr für<br />
Prozesse vor Militärgerichten eine gewisse Modifizierung durch die Militärgerichtsordnung<br />
der UdSSR aus dem Jahre 1926, die jedoch keine gravierenden<br />
Verfahrensabweichungen vom gewöhnlichen Strafprozeß<br />
beinhaltete. Für Militärgerichtsverfahren galten nach Artikel 380 StPO<br />
dieselben Vorschriften wie für Strafverfahren vor Gebiets- und Kreisgerichten.<br />
Der sowjetische Strafprozeß teilte sich in das Untersuchungs- und das<br />
gerichtliche Verfahren. Dazwischen lag – als ein besonderer Rechtsakt –<br />
die Überstellung des Beschuldigten an das Gericht, wodurch er vom<br />
Beschuldigten (obvinjaemyj) zum Angeklagten (podsudimyj) wurde. Die<br />
Dauer des Untersuchungsverfahrens war auf höchstens zwei Monate<br />
beschränkt, Verlängerungen waren mit staatsanwaltschaftlicher Genehmigung<br />
möglich. Die Aussagen des Beschuldigten waren vom Vernehmer<br />
zu protokollieren, Angaben zur Sache selbst »in der ersten Person«<br />
und »nach Möglichkeit wörtlich« (§ 138 StPO) wiederzugeben. Die<br />
Erpressung von Aussagen oder Geständnissen durch Gewalt, Drohung<br />
oder Einschüchterung war verboten (§ 136), außerdem hatte der Untersuchungsbeamte<br />
nicht nur belastende, sondern ebenso der Entlastung<br />
dienende Tatsachen und Umstände zu ermitteln (§ 111). Dem Beschuldigten<br />
stand das Recht auf Akteneinsicht zu (§ 207). Der inhaltliche Aufbau<br />
der Anklageschrift, die dem Angeklagten spätestens 72 Stunden vor<br />
der gerichtlichen Hauptverhandlung (§ 392) – gegebenenfalls in seine<br />
Muttersprache übersetzt (§ 22) – bekannt sein mußte, war durch die<br />
Strafprozeßordnung in engen Grenzen vorgeschrieben (§ 210). In ihrem<br />
ersten – deskriptiven – Teil waren Sachverhalte und beweisrelevante Tatsachen<br />
anzugeben, im Anschluß daran die Einlassung des Beschuldigten<br />
dazu anzuführen. Der zweite, resolutive Teil sollte exakte Angaben über<br />
die Person wie auch über Tatort und Tatzeitpunkt sowie über die in<br />
32 Im folgenden nach: Strafgesetzbuch, Gerichtsverfassungsgesetz und Strafprozeßordnung<br />
Sowjetrußlands, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Heinrich<br />
Freund S. 214-324. Ergänzend und interpretierend dazu: Frey S. 32-37.<br />
Man vergleiche zur Fassung der stalinistischen Ära die ebenfalls in deutscher<br />
Übersetzung vorliegende liberalisierte Strafprozeßordnung von 1960 in:<br />
Gerichtsverfassung, Strafgesetzbuch und Strafprozeßordnung der RSFSR, bearbeitet<br />
von Hans Fritzsche S. 186ff.<br />
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