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Volltext [pdf] - Hannah-Arendt-Institut Dresden

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1. Einleitung – Annäherung an ein schwieriges wie heikles<br />

Thema<br />

Martin Niemöllers Feststellung aus dem Jahre 1945, »daß wir alle schuldig<br />

sind an dem, was geschehen ist; die Frage ist, ob wir als Schuldige<br />

berufen sind zu richten«, gab eine Stimmungslage wieder, die zumindest<br />

dem nachdenklichen und selbstkritischen Teil der deutschen Öffentlichkeit<br />

von damals eigen war. 1 Sie beleuchtete ein Dilemma, das im 20.<br />

Jahrhundert nicht zum ersten Mal aufgetreten war. Der bereits nach dem<br />

Ersten Weltkrieg von den alliierten Siegermächten unternommene Versuch,<br />

deutsche Kriegsverbrechen, insbesondere die Verantwortlichen für<br />

den Giftgaseinsatz und den uneingeschränkten U-Boot-Krieg, von den<br />

Deutschen selber juristisch aburteilen zu lassen, hatte überaus kläglich<br />

geendet. Nachdem das Auslieferungsbegehren auf annähernd 900 Personen<br />

an der beharrlichen Weigerung der Reichsregierung gescheitert war,<br />

war die Anzahl der schließlich Anfang der zwanziger Jahre vor dem Leipziger<br />

Reichsgericht Angeklagten so gering und zudem die Zahl der Freisprüche<br />

so hoch, daß das Vorgehen der deutschen Justiz im westlichen<br />

Ausland als ein einziger Affront betrachtet wurde. 2 Aus dieser Erfahrung<br />

heraus und angesichts der ungleich größeren Verbrechen des Dritten Reiches<br />

waren die alliierten Kriegsgegner Hitlerdeutschlands im Zweiten<br />

Weltkrieg schon vor dem Kriegsende übereingekommen, die Aburteilung<br />

deutscher Verbrechen in eigener Verantwortung zu übernehmen.<br />

Der Anspruch auf die eigene Strafverfolgung deutscher Verbrechen fand<br />

seinen Ausdruck in der gesonderten »Erklärung über Grausamkeiten«<br />

(Statement on Atrocities) der Regierungen Großbritanniens, der USA<br />

und der UdSSR während der Moskauer Außenministerkonferenz am<br />

30. Oktober 1943. Darin wurde allen Deutschen, die sich an Kriegs- und<br />

Besatzungsverbrechen auf dem Boden anderer Länder beteiligt hatten<br />

oder noch beteiligten, angedroht, »daß sie an den Schauplatz ihrer Verbrechen<br />

zurückgebracht und an Ort und Stelle von den Völkern abgeurteilt<br />

werden, denen sie Gewalt angetan haben«. Sobald ein Waffenstillstand<br />

mit Deutschland erreicht sei, so präzisierte die Deklaration,<br />

»werden jene deutschen Offiziere, Soldaten und Mitglieder der Nazipartei,<br />

die für … Grausamkeiten, Massaker und Exekutionen verantwortlich<br />

gewesen sind oder an ihnen zustimmend teilgehabt haben, nach den Ländern<br />

zurückgeschickt werden, in denen ihre abscheulichen Taten ausge-<br />

1 Zitiert nach Feldmann S. 3.<br />

2 Siehe Jung S. 93.<br />

7

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