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QiW - UniversitätsVerlagWebler

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<strong>QiW</strong><br />

K. Hauss & M. Kaulisch • Diskussion gewandelter Zusammenhänge zwischen Promotion, ...<br />

folg gebunden ist. Das lange Zeit gepflegte Leitbild einer<br />

weitgehend auf Wissenschaftsfreiheit und Selbstkontrolle<br />

beruhenden Wissensproduktion weicht einer an quantifizierbaren<br />

Erfolgen und Leistungen orientierten Wissenschaftsphilosophie,<br />

die in der Praxis der Forscher und Forscherinnen<br />

zu einem gestiegenen Leistungsdruck und mehr<br />

Wettbewerb untereinander führt. Anreizstrukturen, wie sie<br />

beispielsweise im Rahmen der leistungsorientierten Mittelvergabe<br />

gesetzt werden, führen auf der Ebene der Hochschulen<br />

zu einem stärker wettbewerblichen Handeln und<br />

der Etablierung von Qualitätssicherungssystemen. Auf der<br />

individuellen Ebene kann dies zu Wettbewerbssituationen<br />

führen, die – wie für den Fall der biomedizinischen Forschung<br />

in den USA beschrieben – einem „Tournament“ um<br />

berufliche Unabhängigkeit und Anerkennung durch Fachkollegen<br />

gleichen, in dem geringe Unterschiede in der Produktivität<br />

Einzelner zu großen Unterschieden in der Belohnung<br />

führen können (Freeman/Weinstein/Marincola/Rosenbaum/Solomon<br />

2001). In der Folge kommt es zu veränderten<br />

Bewertungsmaßstäben im Wettbewerb um Reputation,<br />

Stellen und Ressourcen. Georg Krücken (2006) spricht<br />

in diesem Zusammenhang von einer Ablösung der sonst<br />

eher polymorphen Bewertungsstrukturen in der Wissenschaft<br />

durch standardisierte Maßstäbe in Gestalt von Publikationen<br />

und Zitationen in Zeitschriften mit hohem Impact<br />

(Krücken 2006, S. 11).<br />

Für Promovierende bedeutet dies die Sozialisation in eine<br />

Forschungspraxis, in der Leistungen und Erfolge anhand<br />

scientometrischer Größen beschrieben, evaluiert und selektiert<br />

werden. Dies trifft insbesondere für Promovierende<br />

aus Fachbereichen zu, in denen Reputation in hohem Maße<br />

über die Veröffentlichung in US-amerikanischen Fachzeitschriften<br />

erworben wird. Es ist ferner davon auszugehen,<br />

dass Promovierende zunehmend in die Publikationsaktivitäten<br />

einer wissenschaftlichen Einrichtung eingebunden<br />

und in die Pflicht genommen werden, Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen<br />

Arbeit zu veröffentlichen. Die Dissertationsschrift<br />

in Gestalt der Monographie wird in ihrer historischen<br />

Bedeutung kurz- bis mittelfristig zwar nicht einbüßen.<br />

Allerdings wird sie angesichts eines steigenden Publikationsdrucks<br />

eine unter vielen Publikationen in einer<br />

insgesamt an Bedeutung gewinnenden Publikationsliste<br />

sein. Dies mag in publikationsstärkeren Fächern schon länger<br />

Tradition haben, führt aber in anderen Fächern zu einer<br />

Verminderung des Stellenwerts der Monographie.<br />

2.3 Der wissenschaftliche Arbeitsmarkt und Karrieresysteme<br />

im Wandel? Zwei Thesen.<br />

Doch welche Folgen haben die beschriebenen Veränderungen<br />

für wissenschaftliche Arbeitsmärkte und in ihnen stattfindende<br />

Karrieren von Promovierten? Wenngleich dies nur<br />

empirisch über einen längeren Zeitraum überprüfbar ist,<br />

weisen die beobachtbaren Veränderungen in zwei entgegengesetzte<br />

Richtungen.<br />

Wissenschaftliche Arbeitsmärkte unterscheiden sich von<br />

vergleichbaren Arbeitsmärkten z.B. in der Industrie dadurch,<br />

dass sie keine ausgefeilten Karrierestrukturen aufweisen<br />

(Enders 1996; Sørensen 1992; Enders/Bornmann<br />

2001). Die Herausbildung von internen Arbeitsmärkten, die<br />

in Unternehmen Aufstiege strukturieren (vgl. Doeringer/<br />

Piore 1985) existiert in dieser vergleichbaren Form nicht für<br />

wissenschaftliche Arbeitsmärkte, in denen die Position des<br />

Hochschullehrers oder der Hochschullehrerin gewissermaßen<br />

die einzige Sprosse der Karriereleiter darstellt und<br />

die Eingangsposition durch die Aufnahme einer Promotion<br />

auf einer Mitarbeiterstelle gekennzeichnet ist. Gleichzeitig<br />

fehlt die für interne Arbeitsmärkte typische Bindung des Arbeitsnehmers<br />

an die Organisation. Grund hierfür ist ein<br />

grundsätzlich verschiedenes Ressourcenmanagement:<br />

Während in klassischen Unternehmen die Produktivität<br />

eines Angestellten zum Gesamtwohl des Unternehmens,<br />

und damit zur Gesamtproduktivität beiträgt, werden individuelle<br />

Ergebnisse der Forscher und Forscherinnen nicht der<br />

Organisation, sondern dem Erzeuger von Erkenntnis selbst<br />

in Form von Reputation zugeschrieben (Sørensen 1992).<br />

Im Zuge der Stärkung der Autonomie der Hochschule,<br />

neuer Steuerungsmodelle in der Wissenschaft, durch leistungsorientierte<br />

Mittelvergabesysteme, Rankings und<br />

damit verbundene Wettbewerbszunahme unter Forschungseinrichtungen<br />

ist einerseits von einer zunehmenden<br />

institutionellen Bindung einzelner (exzellenter) Wissenschaftler<br />

und Wissenschaftlerinnen an die Forschungseinrichtungen<br />

auszugehen, wodurch es zu einer stärkeren Ausprägung<br />

von Merkmalen des internen Arbeitsmarktes<br />

kommt (vgl. Sorensen 1992). Die Leistungen einzelner Forscher<br />

und Forscherinnen werden in Evaluationen zu zentralen<br />

Erfolgskriterien in der Ressourcen- und Mittelzuweisung<br />

von wissenschaftlichen Einrichtungen. In der Folge<br />

entstehen Anreizstrukturen, die die langfristige Bindung<br />

jener Forschenden an die Einrichtung begünstigen, die Erfolge<br />

erwarten lassen. Dabei entstehen interne Arbeitsmärkte<br />

auch über die institutionelle Bindung von Forschenden,<br />

deren Stellen über wechselnde Projektträger, z.B. über<br />

aufeinander folgende Drittmittelprojekte finanziert werden.<br />

Empirisch ließe sich eine Annäherung von Karrieremustern<br />

in wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Arbeitsmärkten<br />

erwarten, die sich quantitativ in einer graduellen<br />

Annäherung in der Häufigkeit von Wechseln zwischen Organisationen<br />

zeigen sollte (vgl. Baruch/Hall 2004; Enders/<br />

Kaulisch 2005).<br />

Andererseits treffen Hochschulen Personalentscheidungen<br />

unter Markbedingungen und überantworten Risiken, die<br />

aus Marktdynamiken entstehen an ihrer Beschäftigten. Insbesondere<br />

durch die projektförmige Forschung und die Erarbeitung<br />

von Forschungs- und Promotionsvorhaben im<br />

Rahmen von Drittmittelprojekten (vgl. Hornbostel/Heise<br />

2006), findet Forschungshandeln seit längerer Zeit in befristeten<br />

Beschäftigungsverhältnissen statt. Wissenschaftliche<br />

Karrieren nehmen in der Folge die Gestalt von „Projektkarrieren“<br />

an (Torka 2006, S. 64), die sich durch häufige Wechsel<br />

zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen auszeichnen.<br />

Die für den wissenschaftlichen Arbeitsmarkt typische Rekrutierung<br />

von Experten über den externen Arbeitsmarkt,<br />

so die Erwartung, wird sich in Folge eines zunehmenden<br />

Wettbewerbs um Drittmittel verstetigen. Enders und Kaulisch<br />

(2006) weisen darauf hin, dass im Zuge einer zunehmend<br />

im globalen Raum stattfindenden Wissenschaftslandschaft<br />

mit einer größeren geographischen Mobilität unter<br />

Forschenden zu rechnen ist (Enders/Kaulisch 2006).<br />

<strong>QiW</strong> 1+2/2009<br />

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