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QiW - UniversitätsVerlagWebler

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<strong>QiW</strong><br />

W.-D. Webler • „Wieviel Wissenschaft braucht die Evaluation?”<br />

Feststellung einer Entwicklung, die aus Sachgründen (und<br />

um der Qualität dieser Arbeit willen) geändert werden<br />

muss. Das liegt an der Tatsache, dass „Higher Education”<br />

kein Lehrgebiet, geschweige Diplom- oder Bachelor-Studium<br />

darstellt. (Auf Masterstufe existieren mittlerweile Angebote,<br />

die aber bisher - verglichen mit der Zahl in diesem<br />

Themengebiet tätiger Kolleg/innen - relativ selten genutzt<br />

werden). Unter dieser Perspektive ist es z.B. zu bedauern,<br />

dass es drei getrennte Gesellschaften für Hochschulforschung,<br />

für Hochschuldidaktik (die in ihrem empirischen<br />

Teil immer ein Teil der Hochschulforschung war) und für<br />

Evaluation gibt (wobei klar ist, dass hochschulbezogene<br />

Evaluation nur eines von mehreren großen Teilgebieten der<br />

Evaluation darstellt). Professionalisierung müsste nicht zuletzt<br />

an einer gründlicheren und ausreichend breiten Feldkenntnis<br />

der Hochschulen ansetzen. Auch in einem engeren<br />

Sinne ist detailliertere Feldkenntnis notwendig: Wer<br />

Studium und Lehre nicht nur strukturell, sondern prozedural<br />

evaluiert, sollte genaue Kenntnis a) von Lernbedürfnissen<br />

und Lernprozessen haben sowie b) von guter Lehre (am<br />

besten breite eigene Lehrerfahrung). Also davon haben,<br />

wie - unter welchen Rahmenbedingungen und in welchen<br />

Prozessen - Menschen (am besten) lernen, wie - in welchen<br />

Prozessen - Kompetenzen erworben werden (wie verläuft<br />

Kompetenzerwerb? Woran ist er erkennbar? Wie kann er<br />

beobachtet oder sogar gemessen werden? Gibt es Indikatoren<br />

für Kompetenzerwerb?). Sind Kompetenzen überhaupt<br />

lehrbar? Es müssen genauere Kenntnisse (und am besten<br />

Erfahrungen) vorhanden sein, wie gelehrt wird, welche<br />

Möglichkeiten zur Verfügung stehen (Methodenspektrum),<br />

woran gute Lehre erkennbar ist (Qualitätsmerkmale guter<br />

Lehre) usw. Da gibt es auch organisatorische Nachteile: Oft<br />

sind Evaluationsprozesse, sind Aufgaben der Qualitätssicherung<br />

isoliert von Aufgaben der Personalentwicklung,<br />

des Auf- und Ausbaus der Lehrkompetenz angesiedelt. Mit<br />

letzterem ist nicht eine koordinierende, organisatorische<br />

Zuständigkeit, sondern die moderierende Tätigkeit in Ausund<br />

Weiterbildung gemeint. Vorteile haben diejenigen, die<br />

selbst eines der neuen curricularen Programme zum Erwerb<br />

der Lehrkompetenz (im Umfang von mindestens 250 Stunden<br />

- internationaler Standard 300-350 Stunden) erfolgreich<br />

durchlaufen haben.<br />

Gefahr der disziplinären Abschottung: Die Anfänge der<br />

hochschulbezogenen Evaluation in den 70er bis 90er Jahren<br />

des abgelaufenen Jahrhunderts waren weitgehend von<br />

Soziologen sowie Politikwissenschaftlern geprägt (u.a.<br />

wegen der anfänglichen soziologischen Prägung des MPI<br />

für Bildungsforschung Berlin, der Starnberger Gruppe, des<br />

IWT Bielefeld und der soziologischen Anteile im IZHD Bielefeld<br />

und IZHD Hamburg), die aber eng mit anderen Disziplinen<br />

(z.B. der Bildungsökonomie, dem Hochschulrecht,<br />

der Psychologie, der Geschichte, der Hochschularchitektur<br />

usw.) in hochschulbezogenen Projekten kooperierten.<br />

Nicht zufällig existierte über 25 Jahre eine ständige „Arbeitsgruppe<br />

Hochschulforschung” mit interdisziplinärer Zusammensetzung<br />

unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft<br />

für Soziologie, die alle diese Aktivitäten focussierte.<br />

Innerhalb der Psychologie bildete sich allmählich ein eigenes<br />

Gebiet „Evaluationsforschung”, in einigen Studiengängen<br />

sogar als eigener Studienschwerpunkt. In der entscheidenden<br />

Phase der Expansion hochschulbezogener Evaluarischen<br />

Hochschulforschung und Wissenschaftsforschung in<br />

Deutschland geprägt. Dazu mussten eine entsprechende<br />

Methodik, Muster des Projektdesigns und der Auswertung<br />

entwickelt werden. Diese Projekte waren zwischen traditioneller<br />

Forschung und Aktionsforschung aufgespannt und<br />

lösten entsprechende wissenschaftstheoretische Grundsatzdebatten<br />

aus.<br />

Paradigmatisch für diese Debatte war die Begleitforschung<br />

bei der Entwicklung und Erprobung einer einstufigen Juristenausbildung<br />

mit 7 Begleitgruppen in 7 Bundesländern<br />

zwischen 1972 und 1982. Sieben Bundesländer hatten von<br />

der Experimentierklausel im Deutschen Richtergesetz Gebrauch<br />

gemacht und unterschiedliche Modelle einer einstufigen<br />

Juristenausbildung in die 10-jährige Erprobungsphase<br />

eingebracht. Am Ende der Erprobungsphase wollte<br />

der Bundesgesetzgeber (der die Juristenausbildung bundesweit<br />

einheitlich regelt) eines der Modelle wieder zur allein<br />

gültigen Norm erklären. Während das Bundesjustizministerium<br />

und letztlich der Gesetzgeber ein klassisches Forschungsdesign<br />

erwartete, in dem der Untersuchungsgegenstand<br />

konstant gehalten werden sollte (Erprobung und empirische<br />

Begleitung eines unveränderten Modells über 10<br />

Jahre; unverändert bedeutete gleichzeitig auch, keine Zwischenergebnisse<br />

an den untersuchten Fachbereich herauszugeben)<br />

erwarteten die beteiligten Fachbereiche laufende<br />

Rückmeldungen der Zwischenergebnisse aus der Begleitforschung,<br />

weil sie ihr Modell kontinuierlich optimieren wollten.<br />

Es liegt auf der Hand, dass beides nicht mit dem gleichen<br />

Projektdesign zu haben war - von den persönlichen<br />

(Rollen-)Konflikten der Mitglieder der Begleitforschungsgruppen<br />

in Richtung Bundesebene und in Richtung des untersuchten<br />

Fachbereichs ganz abgesehen (Nähere Details<br />

dazu: vgl. Webler 1981, 1983a, 1983b, 1993). Diese Konflikte<br />

erlebten praktisch alle begleitenden Gruppen. An dieser<br />

Konstellation und den Anforderungen entzündeten sich<br />

viele Grundsatzdebatten bezüglich der klassischen Forderungen<br />

an Forschung (Konstanz der Untersuchungseinheit,<br />

Nicht-Partizipation der untersuchten Klienten, Wiederholbarkeit<br />

des Settings und Wiederholbarkeit des Ergebnisses<br />

usw.). Im Ergebnis herrschte Konsens, dass Begleitforschung<br />

und Evaluation als anwendungsorientierte Varianten<br />

der empirischen Sozialforschung einige der klassischen Forderungen<br />

an Forschung nicht nur nicht erfüllen konnten,<br />

sondern bei Erfüllung sogar ihren Zweck verfehlen würden.<br />

Also wandelte sich der Forschungsbegriff in der Sozialforschung<br />

und unterschied zwei gleich berechtigte Arten: die<br />

alte Grundlagenforschung als „reine” Forschung und die Begleit-<br />

bzw. Evaluationsforschung (auch als Politikberatung<br />

entscheidungsorientiert unter Termindruck) mit teilweise<br />

anderen Leitbildern, aber auch Kompromissen („quick and<br />

dirty”) mit ursprünglichen Forderungen an Forschung. „Unsauber”<br />

ist diese Forschung in den Augen von Puristen<br />

schon deshalb, weil Messungen im verfügbaren Zeitraum<br />

und mit den verfügbaren Ressourcen im strengen Sinne<br />

nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden (können).<br />

Lückenhafte Feldkenntnis über Hochschulen: Zunächst ist<br />

festzustellen, dass eine Reihe von Projektdesigns darunter<br />

leiden, dass Strukturen und Prozesse des Hochschulsystems<br />

und seiner gesellschaftlichen Einbettung von den jeweiligen<br />

Urhebern bisher nur unzureichend berücksichtigt werden.<br />

Das ist kein Vorwurf, keine Schuldzuweisung, sondern<br />

<strong>QiW</strong> 1+2/2009<br />

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