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Heribert Kohl - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

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KOALITIONSFREIHEIT, ARBEITNEHMERRECHTE UND SOZIALER DIALOG<br />

2. Koalitionsfreiheit und Sozialdialog als Grundpfeiler des europäischen<br />

Sozialmodells – Hemmnisse ihrer Umsetzung in post-sozialistischen Län<strong>der</strong>n<br />

Als neben <strong>der</strong> Attraktivität ihrer jeweiligen<br />

„Leistungen“ für die betroffenen Arbeitnehmer<br />

weiterhin entscheiden<strong>der</strong> Aspekt für die Mitgliedsrekrutierung<br />

sind letztlich die Chancen einer<br />

Organisation zu werten, sich vor Ort sichtbar<br />

zu etablieren und wirksam zur Erreichung ihrer<br />

Ziele agieren zu können. Dies verlangt sowohl<br />

ausreichende und angepasste rechtliche Grundlagen,<br />

gesellschaftliche und politische Akzeptanz,<br />

bestimmte Regeln für den sozialen Dialog und<br />

nicht zuletzt eine wirksame Kontrolle <strong>der</strong> Ausübung<br />

dieser Rechte und Regularien.<br />

2.1 Koalitionsfreiheit – Fundament<br />

jeglichen gewerkschaftlichen Handelns<br />

Die praktizierte Koalitionsfreiheit wird damit zur<br />

entscheidenden Ausgangsfrage je<strong>der</strong> vergleichenden<br />

Betrachtung. Denn die positive Koalitionsfreiheit<br />

und die damit zusammenhängenden fundamentalen<br />

Grundrechte (Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit,<br />

garantierte Beteiligungsrechte<br />

<strong>der</strong> Arbeitnehmer, bilaterale Tarifautonomie, Sicherung<br />

eines angemessenen Lebensunterhalts),<br />

wie sie in zahlreichen internationalen Normen<br />

verankert sind, bilden eine essentielle Grundlage<br />

jedes demokratisch verfaßten Staates. In den Mitgliedslän<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> EU sind sie regelmäßig in den<br />

Verfassungen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> garantiert und im nationalen<br />

Arbeitsgesetzbuch o<strong>der</strong> in vielen Einzelgesetzen<br />

detailliert umrissen. Sie alle basieren als<br />

Grundnormen <strong>der</strong> Arbeitsbeziehungen auf den<br />

von <strong>der</strong> Staatenwelt ratifizierten zentralen ILO-<br />

Konventionen zur Ermöglichung eines funktionierenden<br />

sozialen Dialogs auf den relevanten<br />

Ebenen: Betrieb, Branche und Gesamtgesellschaft<br />

(s. wesentliche Auszüge in Anh. 2).<br />

In <strong>der</strong> EU 27 konstituieren die Koalitions- und<br />

Verhandlungsrechte zugleich als Mindeststandards<br />

des Gemeinschaftsrechts (des sog. Sozialacquis)<br />

die soziale Dimension als wesentliche Zielmarge<br />

<strong>der</strong> europäischen Integration und des in<br />

seinen Grundzügen damit erkennbaren Europäischen<br />

Sozialmodells. Dieses sich im Laufe des<br />

Zusammenwachsens in Europa herauskristallisierende<br />

Modell allerdings ist <strong>der</strong>zeit im Zuge <strong>der</strong><br />

EU-Erweiterung einerseits, durch wi<strong>der</strong>streitende<br />

Prioritätensetzungen zwischen den Grundprinzipien<br />

<strong>der</strong> Wirtschafts- und Markfreiheiten sowie<br />

sozialer Grundrechte und -standards an<strong>der</strong>erseits<br />

einer ernsthaften Belastungsprobe ausgesetzt. Es<br />

geht dabei um nichts weniger als die zukünftige<br />

Gestaltung des erweiterten Europa im Interesse<br />

aller seiner Bürger und damit die durch negative<br />

nationale Voten immer wie<strong>der</strong> in Frage gestellte<br />

Akzeptanz des Projekts Europa insgesamt.<br />

Die Umsetzung und <strong>der</strong> Vollzug <strong>der</strong> in allen neuen<br />

Mitgliedslän<strong>der</strong>n kodifizierten Arbeitnehmerund<br />

Gewerkschaftsrechte sind dabei ein wesentlicher<br />

Prüfstein für die Gewinnung dieser Akzeptanz.<br />

Insofern ist die im Rahmen des vorliegenden<br />

Befragungsprojekts zur Praxis <strong>der</strong> Koalitionsfreiheit<br />

vorgenommene Real- und Defizitanalyse in<br />

Osteuropa gerade im Vergleich mit ausgewählten<br />

Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> alten EU 15 – im Beson<strong>der</strong>en mit<br />

skandinavischen, kontinental- o<strong>der</strong> südeuropäischen<br />

Staaten – von einer nicht zu unterschätzenden<br />

Aussagekraft. Dies beweisen die hier zusammengestellten<br />

Ergebnisse unter Nutzung weiterer<br />

aktueller und das Gesamtbild abrunden<strong>der</strong><br />

Quellen.<br />

Angesichts <strong>der</strong> den bisherigen Bestand sozialer<br />

„Errungenschaften“ und des sozialen Fortschritts<br />

gefährdenden Herausfor<strong>der</strong>ungen des weltweiten<br />

Globalisierungsprozesses sind die hier zu Tage<br />

tretenden Fragestellungen alles an<strong>der</strong>e als nur von<br />

marginaler Bedeutung. Gehen sie doch einher mit<br />

den sich ohnehin seit längerem zeigenden Trends<br />

des Verlusts von Organisationsmacht <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />

als Interessenverband <strong>der</strong> Arbeitnehmer<br />

und ihrer Fähigkeit zur Beibehaltung <strong>der</strong> nötigen<br />

sozialen Balance und des Interessenausgleichs in<br />

einer dem Spiel <strong>der</strong> Marktkräfte ausgesetzten Gesellschaft.<br />

Damit steht mehr auf dem Spiel als die<br />

Sicherung überkommener Besitzstände, vielmehr<br />

geht es um die Frage einer wirksamen Interessenwahrnehmung<br />

insgesamt.<br />

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