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Heribert Kohl - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

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FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG<br />

2.2 Bestimmende Merkmale <strong>der</strong><br />

Koalitionsfreiheit und <strong>der</strong><br />

Arbeitsbeziehungen in <strong>der</strong> EU 15<br />

Um die z.T. divergierenden Entwicklungsmomente<br />

in Ost- und in Westeuropa besser einschätzen<br />

und beurteilen zu können, empfiehlt sich ein<br />

vergleichen<strong>der</strong> Blick auf die traditionellen Rahmenbedingungen<br />

<strong>der</strong> Koalitionsfreiheit in ausgewählten<br />

Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> EU 15 (s. Kasten).<br />

Als wesentliche Grundpfeiler des Europäischen<br />

Sozialmodells im Bereich <strong>der</strong> Arbeitsbeziehungen<br />

(industrial relations) erweisen sich hierbei traditionell<br />

folgende Ebenen:<br />

• Betrieb – mit einer mit garantierten Rechten<br />

ver sehenen Interessenvertretung<br />

• Branche – mit tariflichen Mindestregelungen<br />

<strong>der</strong> Entgelte und Arbeitsbedingungen<br />

• Land – mit Beteiligungsrechten bei grundlegenden<br />

Entscheidungen (über Arbeitsrecht, Arbeitsmarktpolitik,<br />

Mindestlöhne), z.B. in nationalen<br />

Wirtschafts- und Sozialräten<br />

• EU – mit Mitwirkungschancen im Brüsseler<br />

Wirtschafts- und Sozialausschuss, dem sektoralen<br />

sozialen Dialog, bei <strong>der</strong> Festlegung von EU-<br />

Richtlinien etc.<br />

Dies alles scheint sich <strong>der</strong>zeit im Zuge <strong>der</strong> neu<br />

entstandenen Konstellation im erweiterten Europa<br />

mit seinen ständigen Verlagerungsprozessen<br />

Die wesentlichen Charakteristika <strong>der</strong> Koalitionsfreiheit in Westeuropa<br />

(am Beispiel nordischer und kontinentaleuropäischer Län<strong>der</strong>)<br />

(1) Es besteht eine seit über einem Jahrhun<strong>der</strong>t währende Erfahrung des Arbeitsrechts, <strong>der</strong> Tarifpraxis<br />

und des Gewerkschaftsaufbaus mit beachtlichen Organisationsgraden: in Skandinavien<br />

zwischen 75 und 80%, in Österreich 33%, in Deutschland allerdings nach <strong>der</strong> Einigung abgesunken<br />

auf rd. 20%.<br />

(2) Es herrscht rechtliche Satzungsautonomie <strong>der</strong> Koalitionen mit möglichst wenigen gesetzlichen<br />

Vorschriften, d.h. teilweise ohne spezielle Gewerkschaftsgesetze – bis hin zur Praxis von closed<br />

shops mit ihrem Problem <strong>der</strong> negativen Koalitionsfreiheit.<br />

(3) Für die Mehrheit <strong>der</strong> Beschäftigten gibt es eine gewerkschaftliche o<strong>der</strong> institutionelle Interessenvertretung<br />

mit rechtlich garantierten Mindeststandards <strong>der</strong> Beteiligung – durch die Europäischen<br />

Betriebsräte nun auch im internationalen Rahmen.<br />

(4) Es besteht rechtliche Autonomie <strong>der</strong> Koalitionen zum Abschluss bilateraler Vereinbarungen<br />

nach Form und Inhalt. Ihre marktordnende Funktion auch in <strong>der</strong> Branche ist anerkannt. Staatliche<br />

Intervention erfolgt allenfalls zur Sicherung <strong>der</strong> Gleichbehandlung (z.B. durch Allgemeinverbindlicherklärung/general<br />

extension).<br />

(5) Das Streikrecht als ultima ratio gilt ohne detaillierte einschränkende Vorschriften und wird<br />

allenfalls durch Paritätsgrundsätze zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts <strong>der</strong> Koalitionen<br />

(Kampfparität) reguliert. Teilweise besteht eine ausgeprägte Tradition gewerkschaftlicher Militanz.<br />

(6) Es gibt eine hohe Tarifbindungsrate <strong>der</strong> Beschäftigten. Mindestlöhne als Lohnuntergrenzen wurden<br />

in Österreich und Deutschland erst ein Thema, seit die Tarifbindung sinkt (als Folge <strong>der</strong><br />

Migration aus Osteuropa, <strong>der</strong> Transformation in Ostdeutschland).<br />

(7) Arbeitsgerichte mit Beteiligung von Vertretern <strong>der</strong> Koalitionen als Laienrichter sowie die<br />

Arbeitsinspektion garantieren die Respektierung <strong>der</strong> Koalitionsfreiheit und die Einhaltung<br />

bestehen<strong>der</strong> Normen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neue Probleme entstehen<br />

hier allerdings durch Eingriffe von außen (so. die jüngsten Urteile zum Streik- und Tarifrecht<br />

des EuGH).<br />

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