15.02.2014 Aufrufe

Heribert Kohl - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

Heribert Kohl - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

Heribert Kohl - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

KOALITIONSFREIHEIT, ARBEITNEHMERRECHTE UND SOZIALER DIALOG<br />

6. Fazit <strong>der</strong> Bestandsaufnahme – in den Zeiten <strong>der</strong> Krise<br />

Die einzelnen Analyseschritte dieser Studie in beiden<br />

Regionen Osteuropas konnten eine Reihe wesentlicher<br />

Strukturunterschiede <strong>der</strong> Rechtsgrundlagen<br />

und <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> industriellen Beziehungen<br />

untereinan<strong>der</strong> und zwischen West- und Osteuropa<br />

aufzeigen. Zugleich wurden damit notwendige<br />

Reformen und Strukturän<strong>der</strong>ungen offenbar,<br />

die abschließend klar und möglichst handlungsbezogen<br />

in und gerade trotz <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />

Krise zu benennen sind.<br />

6.1 Wesentliche Resultate des<br />

Vergleichsvorhabens im<br />

osteuropäischen Raum<br />

Das Ergebnis <strong>der</strong> sich auf Osteuropa konzentrierenden<br />

Vergleichsbetrachtung in den 16 einbezogenen<br />

ehemals sozialistischen Län<strong>der</strong>n lässt sich<br />

in folgenden wesentlichen Punkten zusammenfassen:<br />

• Es gibt zahlreiche Fälle eines gesetzlich und satzungsrechtlich<br />

ausgeschlossenen Gewerkschaftsbeitritts<br />

bestimmter Arbeitnehmergruppen und<br />

damit verbundene Hemmnisse <strong>der</strong> Gewerkschaftsgründung,<br />

Mitgliedswerbung und Wahrnehmung<br />

des Koalitionsrechts. Wegen des allgemeinen<br />

Trends zu kleinbetrieblichen Unternehmensstrukturen<br />

ist auch hierin ein Grund<br />

für geringe Organisationsgrade zu sehen.<br />

• Die freie Bildung von Koalitionen ist durch zahlenmäßige<br />

Mindestvorschriften durch Gesetz<br />

o<strong>der</strong> Gewerkschaftssatzung für die Bildung<br />

einer gewerkschaftlichen Basisorganisation wie<br />

auch eines Betriebsrats deutlich eingeschränkt.<br />

Damit wird <strong>der</strong> wachsenden Zahl von Arbeitnehmern<br />

in KMU sowohl die Wahrnehmung<br />

ihrer Beteiligungsrechte als auch die Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> Regulierung ihrer Arbeitsbedingungen<br />

durch Kollektivvertrag vorenthalten.<br />

• Tarifverhandlungen und -abschlüsse sind zusätzlich<br />

auch größeren Kontingenten von Arbeitnehmergruppen<br />

– vor allem im Bereich öffentlicher<br />

Dienste und Versorgungseinrichtungen<br />

– verwehrt. Die Koalitionsfreiheit auf Branchenebene<br />

ist zusätzlich erschwert durch hohe<br />

Hürden für die Anerkennung <strong>der</strong> Repräsentativität<br />

einer Organisation sowie primär auf<br />

Unternehmenstarifverträge zugeschnittene Vorschriften.<br />

• Das Arbeitskampfrecht ist zum Teil äußerst<br />

prohibitiv gestaltet. Internationale Instanzen<br />

wie ILO und Europarat kritisieren wie<strong>der</strong>holt<br />

ein Übermaß vom Streikrecht ausgeschlossener<br />

Personengruppen, zu hoch angesetzte Quoren<br />

für eine Urabstimmung sowie die Arbeitgeberseite<br />

einseitig begünstigende und abschreckende<br />

bürokratische Hemmnisse mit dem Ergebnis,<br />

dass Arbeitsnie<strong>der</strong>legungen größeren Ausmaßes<br />

im privaten wie öffentlichen Sektor<br />

rasch an die Grenze <strong>der</strong> Illegalität rücken und<br />

in jüngster Zeit nur noch äußerst selten stattfinden.<br />

Tarifverhandlungen degenerieren unter<br />

diesen Umständen zu kaum mehr als „kollektivem<br />

Betteln“ (so das Bundesarbeitsgericht in<br />

einer auf Deutschland bezogenen Entscheidung<br />

zum Streikrecht).<br />

Verletzungen <strong>der</strong> Koalitionsfreiheit bleiben in den<br />

neuen Mitgliedslän<strong>der</strong>n oft straffrei, da eine administrative<br />

sowie juristische Kontrolle und Korrektur<br />

vielfach nur in Ausnahmefällen durchführbar<br />

und erfolgreich bleibt. Nicht eingehaltene Tarifverträge<br />

und ein unwirksamer Schutz von Gewerkschaftsmitglie<strong>der</strong>n<br />

vermin<strong>der</strong>t dann auch<br />

wie<strong>der</strong>um nachhaltig das Interesse an einem Gewerkschaftsbeitritt.<br />

6.2 Gewerkschaftspolitische<br />

Schlussfolgerungen: notwendiger<br />

Strukturwandel und verbesserte<br />

Mindeststandards<br />

In zugespitzter Form sind hier eine Reihe notwendiger<br />

Konsequenzen anzuführen, die sich sowohl<br />

an die Gewerkschaften selbst wie auch an die für<br />

die notwendige Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Rahmenbedin-<br />

77

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!