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Bergsteiger Lichtblicke (Vorschau)

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Die letzte Etappe des Wiener Wallfahrerweges führt durch die Falkenschlucht.<br />

Abt Matthäus Nimmervoll fasst die Schätze<br />

des Klosters nur mit Handschuhen an.<br />

Von Sturzbächen gestoppt<br />

Heftige Schneeschauer sind ab dem dritten<br />

Tag angekündigt. Doch die Sandleitener<br />

haben Glück mit dem Wetter: Die ersten<br />

Flocken werden erst fallen, wenn sie an der<br />

Basilika in Mariazell angekommen sind.<br />

Das Motto, das die Gruppe für die Wallfahrt<br />

wählte, scheint das Unwetter fern zu halten:<br />

»Gottes guter Geist weht.« Jeden Mittag<br />

erinnern sie in den »Lob« genannten<br />

Einheiten an dieses Motto, lesen einander<br />

Geschichten dazu aus den Evangelien vor,<br />

singen gemeinsam und meditieren über<br />

den Texten.<br />

Ein einziges Mal konnte Hannelore eine<br />

Wallfahrt nicht beenden. Das war Pfingsten<br />

2005 zum Jahrhundert-Hochwasser.<br />

»Sturzbäche sind den Hang heruntergelaufen<br />

und haben die Wege überspült«, erinnert<br />

sich die rüstige Seniorin. Am Hut auf<br />

ihrem Kopf wippt munter ein Gamsbart im<br />

Takt ihrer Schritte. 200 Pilger wanderten<br />

damals im strömenden Regen am Kieneck<br />

Richtung Mariazell und dachten gar nicht<br />

daran umzukehren – bis ihnen ein Mann<br />

im Auto entgegen kam und sie auf die drohende<br />

Murengefahr aufmerksam machte.<br />

Notgedrungen brachen sie die Wallfahrt<br />

ab. »Es sollte eben nicht sein.«<br />

Alles eine Frage der Balance<br />

Dass manchmal das Nachgeben besser ist,<br />

zeigt Parucha an der Scheibum, einem Felsdurchbruch<br />

der Ammer. Dort fand der Fluss<br />

»nicht mit Härte und Macht, sondern mit<br />

Anpassen, Nachgiebigkeit und Weichheit«<br />

seinen Weg durch den Stein, beschreibt er.<br />

»Zeit spielte dabei keine Rolle.« Die Wanderer<br />

hören aufmerksam zu und besinnen<br />

sich auf den Augenblick. Parucha entlehnt<br />

seine Denkanstöße der Landschaft und<br />

spricht oft in philosophischen Zitaten. Seinen<br />

Schützlingen gibt er täglich ein Thema<br />

wie »Gut und Böse«, die Zeit oder »Brücken«<br />

mit auf den Weg. Die Gruppe ist von seiner<br />

einfühlsamen, ausgeglichenen Art begeistert.<br />

Er nennt sich »Körpertherapeut« und<br />

verrät lächelnd sein Konzept: »Ich mache<br />

gar nicht viel.« Das meiste übernehme die<br />

Natur. »Die Natur ist das Heilsamste überhaupt.«<br />

Lange Zeit lässt die Gruppe die Kraft<br />

der Scheibum auf sich wirken. Einige sitzen<br />

in der Sonne und schreiben. Einer stapelt<br />

flache Steine zu einem Turm. Alles eine Frage<br />

der Balance.<br />

Gründungsurkunde aus dem Jahr 1209<br />

Inzwischen hat die Sonne den Nebel aufgelöst<br />

und bringt das Herbstlaub zum Glühen.<br />

Ein blauer Himmel strahlt über den<br />

hellgelben Fassaden des Stiftes Lilienfeld,<br />

als Manfred Rühl mit seiner Pilgergruppe<br />

auf einen Zwischenstopp in das Zisterzienserstift<br />

einkehrt. Stolz präsentiert der Abt<br />

die Schätze des Klosters: die pergamentene<br />

Gründungsurkunde aus dem Jahr 1209,<br />

die man nur mit weißen Handschuhen<br />

berühren darf; der 800 Jahre alte Pilgerstab<br />

von Herzog Leopold IV., dem Stifter<br />

des Klosters. Und plötzlich tauchen im<br />

Inneren der Pilger die eigenen Schätze<br />

auf, die Begabungen, die Wünsche… »Wer<br />

Mehr als 800 Jahre ist dieses Pergament alt:<br />

die Gründungsurkunde des Stifts Lilienfeld.<br />

»Die Natur ist das Heilsamste überhaupt«,<br />

sagt »Körpertherapeut« Norbert Parucha.<br />

Alles eine Frage der Balance. Ein Teilnehmer<br />

des meditativen Wanderns baut Pyramiden.<br />

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