Bergsteiger Lichtblicke (Vorschau)
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[ Nr. 4 Abalakov-Eissanduhr ]<br />
Hält in gutem Eis<br />
locker so viel wie eine<br />
Eisschraube, kostet<br />
aber nur einen Bruchteil:<br />
die Eissanduhr.<br />
Aiguille Verte<br />
(Mont-Blanc-Massiv)<br />
»Couloir<br />
Couturier«<br />
Für einen Prusiknoten knüpft man<br />
zunächst mit einer dünnen Schlinge einen<br />
losen Ankerstich um ein dickeres Seil.<br />
Nun führt man die Schlinge nochmals um<br />
das dicke Seil und fädelt sie durch die Bucht.<br />
Schneebergwand – 4. Turm<br />
(Dachstein)<br />
»Prusikführe«<br />
Erste Begehung: K. Prusik, L. Wührer<br />
(1928)<br />
Schwierigkeit: IV+ (einige Stellen),<br />
meist III und IV, kaum leichter<br />
Wandhöhe: 350 m<br />
Charakter: In den vergangenen Jahren<br />
etwas in Vergessenheit geratene,<br />
eindrucksvolle Genusskletterei an<br />
bestem Dachsteinkalk, etwas komplizierte<br />
Linienführung. Nur ein Teil<br />
der notwendigen Haken ist vorhanden.<br />
Führer: W. End »AVF Dachsteingebirge<br />
Bd. Ost«, Bergverlag Rother<br />
(vergriffen)<br />
Fotos: Archiv Kubin (li.); Heinz Zak, Archiv ÖAK (Mitte); Andreas Dick; Archiv des Deutschen Alpenvereins (re.)<br />
Dem Russen an sich sagt man gern<br />
einen Hang zum Pragmatischen<br />
nach. Klassischer Beleg dafür ist der<br />
Bleistift, den die Kosmonauten einst der<br />
millionenschweren US-Entwicklung eines<br />
auch im All auslaufsicheren Tintenfüllers<br />
(vulgo Kugelschreiber) entgegensetzten.<br />
Versierte <strong>Bergsteiger</strong> kennen noch ein weiteres<br />
Beispiel: die Eissanduhr. Ihr Erfinder<br />
Vitali Abalakov war eine Art Anderl Heckmair<br />
des Sowjet-Alpinismus: Er lernte das<br />
Klettern in Stolby, jenem legendären sibirischen<br />
Steinhaufen, der traditionell seilfrei<br />
beklettert wird. Die Erstbesteigung des<br />
Pik Lenin (7134 m) im Jahr 1934 machte<br />
ihn zum Volkshelden, schützte ihn aber<br />
nicht vor der Verhaftung unter Stalins<br />
Terror – wegen »Ausübung westlicher<br />
Klettertechniken«. Später mit zahllosen<br />
Orden rehabilitiert, entwickelte sich der<br />
Ingenieur zum führenden Ausrüstungstüftler<br />
östlich des Eisernen Vorhangs. Im<br />
Gedächtnis blieb er vor allem mit einem<br />
Geistesblitz: Statt teures Material im Eis zu<br />
versenken, bohrte Abalakov im 60°-Winkel<br />
zwei Löcher ins Eis, die einander am<br />
tiefsten Punkt berührten. Durch den Tunnel<br />
fädelte er eine Schlinge und seilte daran<br />
ab. Das hält und schont den Geldbeutel.<br />
Aus der Not geboren und eigentlich<br />
nur für den Rückzug gedacht, hat es die<br />
Abalakov-Eissanduhr heute in alle Lehrbücher<br />
geschafft.<br />
–te– ◀<br />
Erste Begehung: M. Couturier mit<br />
A. Charlet und J. Simond (1932)<br />
Schwierigkeit: ZS, Stellen 55°<br />
Wandhöhe: 1000 m<br />
Charakter: Lange war das Whympercouloir<br />
der klassische Abstieg an<br />
der Aiguille Verte. Seit es zunehmend<br />
ausapert, hat sich das nordseitige<br />
Couloir Couturier zur Abseilpiste gemausert.<br />
Während der Saison sind oft<br />
Eissanduhren vorbereitet. Falls nicht,<br />
sollte das Fädeln in der 1000-Meter-<br />
Eiswand allerdings keine Probleme<br />
mehr bereiten.<br />
Führer: H. Eberlein »Mont-Blanc-<br />
Gruppe«, Bergverlag Rother 2000<br />
Vitali Mihailovic Abalakov,<br />
geb. 13. Januar 1906 in Krasnojarsk,<br />
gest. 26. Mai 1986 in Moskau<br />
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