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Zum 80. Geburtstag (*30. April 1933)<br />
Willie Nelson<br />
Willie Nelson hat alle Moden der<br />
amerikanischen Musikszene<br />
überdauert. Jetzt wird die<br />
lebende Legende 80<br />
Jahre alt.<br />
Outlaw unter Denkmalschutz<br />
Seit einem Jahr hat Austin, die Hauptstadt<br />
von Texas, eine Attraktion mehr. Am 20.<br />
April enthüllte der Bürgermeister eine Willie-<br />
Nelson-Statue. Damit erfuhr der texanische Musiker<br />
eine Würdigung, die Louis Armstrong, Elvis Presley,<br />
Buddy Holly und Bob Wills in den USA erst nach<br />
dem Tod zuteil wurde. Im Leben des „Red Headed<br />
Stranger", das vor Widersprüchen nur so strotzt, ist<br />
das eine weitere unerwartete Facette. Willie Hugh<br />
Nelson, der am 30. April 1933 im winzigen Kaff Abbott<br />
120 Meilen nördlich von Austin als Sohn einer<br />
Indianerin und eines Arbeiters geboren wurde, hat in<br />
seiner Laufbahn nie den normalen Weg beschritten.<br />
Das verdeutlicht schon die Schwierigkeit, ihn<br />
musikalisch einzuordnen: In Deutschland gilt er als<br />
Countrymusiker, so wird er zum Beispiel in Kreuzworträtseln<br />
als „US-Country-Ikone" mit sechs Buchstaben<br />
gesucht. Die Amerikaner, die ihre Musiker weniger in<br />
Schubladen stecken, sehen in ihm eher einen Grenzen<br />
überschreitenden Künstler – auch wenn die Bezeichnung<br />
„Outlaw", die sie ihm anheften, nur eines<br />
der üblichen Klischees der Musikindustrie ist. Die<br />
Zeitschrift „The New Yorker" definiert dagegen sein<br />
Image als „St. Willie", ein „Versöhner von Rednecks<br />
und Hippies", dessen Musik immer komplizierter und<br />
urbaner geworden ist. Eine unglaubliche Entwicklung,<br />
die vor 70 Jahren mit dem ersten Auftritt des<br />
gerade mal Zehnjährigen in einer Polka-Band begann.<br />
Der Junge vom Land, der oft Baumwolle pflückte,<br />
statt zur Schule zu gehen, hat es so weit gebracht,<br />
dass er mit Recht singen konnte: ”I’m Sitting<br />
On Top Of The World." Als Jimmy Carter Präsident<br />
war, lud er den Sänger ins Weiße Haus ein, der es<br />
sich prompt nicht nehmen ließ, aufs Dach des Gebäudes<br />
zu klettern und dort einen Joint zu rauchen.<br />
Im Spannungsfeld zwischen Arbeiterherkunft und<br />
Weltruhm fühlt Nelson sich seit Jahren wohl. Sein<br />
Biograf Joe Nick Pa<strong>to</strong>ski bescheinigt dem Golfspieler<br />
denn auch ein „Luxus-Leben mit White-Trash-<br />
Manieren". Der große Erneuerer der Nashville-Szene<br />
hat sich nie wirklich von seinen Wurzeln distanziert.<br />
Geprägt hat ihn die Jugend auf dem Land, im Haus<br />
der Großeltern, bei denen er aufwuchs, weil die Mutter<br />
sich schon bald abgesetzt hatte. Sie schenkten<br />
ihm die erste Gitarre,<br />
bei ihnen hörte<br />
er im Radio die<br />
Musik, die er verinnerlichte.<br />
Natürlich<br />
Bob Wills, Ernest<br />
Tubb, Gene Autry,<br />
die<br />
Western-Stars<br />
seiner Jugend, aber<br />
auch Frank Sinatra,<br />
an dessen Gesangsstil<br />
er sich orientierte. t Musikern, mit denen er in der<br />
Anfangszeit auftrat, hielt er auch später die Treue:<br />
Paul Buskirk, der ihn mit Django Reinhardt vertraut<br />
machte und ihm die ersten Kompositionen für 150<br />
Dollar abkaufte;<br />
Johnny Bush, mit<br />
dessen ”Whiskey<br />
River" er jedes<br />
Konzert beginnt<br />
und den er 2000<br />
wieder ins Studio<br />
holte; seine ältere<br />
Schwester Bobby,<br />
die ihn schon immer<br />
auf dem Klavier<br />
begleitet; Paul English, der seit ewigen Zeiten<br />
sein Drummer ist. English, ein Ex-Häftling und -Zuhälter,<br />
trug bei Gigs immer eine Waffe bei sich, um<br />
seinen Bandleader in brenzligen Situationen zu beschützen.<br />
Ihm widmete Nelson den Song ”Me And<br />
Paul", in dem er die Härten des Tourneelebens beschreibt.<br />
Wochenlang im Bus unterwegs zu sein mit<br />
seiner „Family", wie er die Mitmusiker nennt, das<br />
steht als Leitmotiv über seinem Leben, das er in ”On<br />
The Road Again" besingt.<br />
Der Songschreiber<br />
Schon früh sah sich der kleine Willie als Texter und<br />
Komponist. Mit zwölf stellte er sein erstes Liederbuch<br />
zusammen, auf dessen Titelseite er notierte: „Songs by<br />
Willie Nelson, Waco, Texas". Bei einer Begegnung mit<br />
Mae Boren Axten, die für Elvis ”Heartbreak Hotel" geschrieben<br />
hatte, spielte er ihr sein Stück ”Family Bible"<br />
vor. Sie empfahl ihm, nach Nashville zu gehen. Bevor<br />
er dort nach einer längeren Odyssee als DJ, Bibel- und<br />
Staubsaugervertreter ankam, hatte er bereits ”Crazy",<br />
”Night Life", ”Funny How Time Slips Away", ”The<br />
Party’s Over" und ”I Gotta Get Drunk" komponiert. Sie<br />
gehören heute zum Kanon, der ihn weltberühmt gemacht<br />
hat. Seine eigenen Versionen der Stücke für verschiedene<br />
Plattenfirmen brachten damals keine Resonanz;<br />
und so galt er in Nashville als Songschreiber, der<br />
in Tootsie’s Orchid Lounge mit Kollegen wie Roger Miller,<br />
Harlan Howard und Hank Cochran rumhing. Ernstgenommen<br />
wurde er dort erst, als Faron Young sein<br />
”Hello Walls" zum Hit machte und Patsy Cline und Roy<br />
Orbison mit ”Crazy" sowie ”Pretty Paper" punkteten. Da<br />
konnte er mit seiner jungen Familie aus dem Trailerpark<br />
auf eine Farm außerhalb von Nashville ziehen.<br />
P lattenstar<br />
Nelson war 1961 noch kein Glück mit seinen Aufnahmen<br />
vergönnt. So verdingte er sich als Bassist bei<br />
Seite 20 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>