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LP<br />
REVIEWS<br />
OTIS RUSH<br />
RIGHT PLACE, WRONG TIME<br />
Den Titel der LP<br />
nahmen 1971 nur die<br />
depperten Manager<br />
von Capi<strong>to</strong>l ernst,<br />
denn sie ließen dieses<br />
Juwel fünf Jahre<br />
unveröffentlicht.<br />
Heute hört sich ih dieser bläserverstärkte,<br />
knackige Blues zeitlos gut an, sicher eines<br />
der Top-Alben des Genres. Otis Rush singt<br />
beseelt und spielt eine (be-)stechend klare<br />
Gitarre zu unverfälschten Zwölftaktern,<br />
mal langsam wiegend, mal rasant rollend.<br />
Und selbst wo er die reine Lehre wie im<br />
schönen Tony-Joe-White-Cover “Rainy<br />
Night In Georgia” variiert, bleibt er absolut<br />
au<strong>the</strong>ntisch. Kevin Gray remasterte die<br />
erstaunlich klaren und dynamischen Aufnahmen<br />
aus Wally Helder’s Studio in San<br />
Francisco mit einem guten Händchen für<br />
Transparenz ab, nur ab und an verzischeln<br />
die S-Laute etwas. Aber das ist angesichts<br />
der Klassequalität der Scheibe völlig belanglos.<br />
(Pure Pleasure/Speakers Corner,<br />
1971, 10 Tracks) lbr<br />
GENE CLARK<br />
NO OTHER<br />
Kaum einer zweifelt<br />
noch an der herausragenden<br />
Rolle, die<br />
Gründungsmitglied<br />
Gene Clark bei den<br />
Byrds spielte. Bis zu<br />
seinem Ausstieg 1966<br />
prägte ät der Sänger, Gitarrist und Songschreiber<br />
maßgeblich die Band. Nach verschiedenen<br />
Projekten (Dillard And Clark), Solo-<br />
Alben und dem kurzfristigen Wiedereinstieg<br />
bei den Byrds 1973 veröffentlichte er 1974<br />
sein definitives Meisterwerk. NO OTHER<br />
mag von diversen illegalen Substanzen unterwandert<br />
sein, doch der faszinierende Mix<br />
aus Country, Rock, Westcoast, Folk und<br />
Psychedelic funkelt noch heute wie ein perfekt<br />
geschliffenes Juwel. Produzent Thomas<br />
Jefferson Kaye stellte dem tragischen Genie<br />
und späteren Drogen<strong>to</strong>ten (1944 –1991) eine<br />
formidab le Band zur Seite (unter anderem<br />
Gitarrist Danny Kortchmar und Drummer<br />
Russ Kunkel), von der leider nirgends bei<br />
diesem Reissue zu lesen ist. Bis auf den zeittypisch<br />
leicht abgesofteten Drumsound tönt<br />
das 180-Gramm-Vinyl zeitlos gut, verzichtet<br />
aber auf die sieben Bonus-Tracks der 2003er<br />
CD-Ausgabe.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1974, 8 Tracks) lbr<br />
CHI COLTRANE<br />
CHI COLTRANE<br />
Chi Coltrane (nicht<br />
verwandt mit John<br />
Coltrane)<br />
zählte<br />
zu den großen<br />
Hoffungen der aufstrebenden<br />
Singer/<br />
Songwriter-Gilde im<br />
Rockkontext, t denn sie konnte nicht nur<br />
hervorragend singen, sondern auch Klavier<br />
spielen und arrangieren – und klasse<br />
Stücke schreiben. Hier zu Lande begeisterte<br />
sie durch ihren Auftritt im „Musikladen”,<br />
bei dem sie das Rock-orientierte “I<br />
Will Not Dance” aufführte (auch auf dem<br />
Album) und mit ihrer voluminösen Stimme<br />
glänzte. Neben den eher offensiven<br />
Songs wie dem Riesenhit “Thunder And<br />
Lightning” drückt sie sich auch durch beschauliche<br />
Stimmungen aus, wie bei der<br />
Ballade “You Were My Friend” und dem<br />
introspektiven “Turn Me Around”, einer<br />
Nummer, bei der sie sich gesanglich deutlich<br />
introspektiver gibt. Eine lohnenswerte<br />
Entdeckung.<br />
(Speakers Corner/Lotus Records, 1972,<br />
11 Tracks) at<br />
SADE<br />
DIAMOND LIFE<br />
Okay, das Cover<br />
glänzt etwas mehr<br />
als das des Originals.<br />
Doch sonst ist<br />
bei diesem Reissue<br />
von <strong>Music</strong> On Vinyl<br />
leider ein wenig<br />
der Lack ab. Der raffiniert gepflegte Mix<br />
aus Soft-Jazz, Latenight-Pop und Soul,<br />
mit dem die damals wohl schönste Sängerin<br />
des Universums die Welt verzauberte,<br />
war seinerzeit auch klangtechnisch eine<br />
Sensation. Die auch enger als die Epic-<br />
Scheibe gepresste Wiederveröffentlichung<br />
schlägt sich auf die Schattenseite des Remasterings:<br />
eingeebnete Dynamik und<br />
gezähmter Höhenkick, der beispielsweise<br />
den fast scharfen Orgeleinwürfen bei dem<br />
grandiosen Cover “Why Can’t We Live<br />
Toge<strong>the</strong>r” merklich die Spitze nimmt. Erstaunlicherweise<br />
tönt auch die Version von<br />
Audio Fidelity ähnlich abgesoftet, so dass<br />
man in diesem Fall besser beim originalen<br />
Vinyl bleibt. Merke: Analog rund heißt<br />
nicht immer schlapp.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1984,<br />
9 Tracks) lbr<br />
EMERSON, LAKE &<br />
PALMER<br />
TARKUS<br />
Den Backkatalog von<br />
ELP hat MOV bereits<br />
recycelt – jetzt<br />
nochmals das zweite<br />
Opus? Ja – und mit<br />
einem<br />
prächtigen<br />
Goodie: „The Alternate<br />
Tarkus”, also der 2012er (Re-)Mix von<br />
Steven Wilson. Der leitet nicht nur die Prog-<br />
Rocker Porcupine Tree, sondern hat mit Remixen<br />
und Remastern von King Crimson<br />
oder Jethro Tull schon viel Lorbeer auch<br />
unter Alt-Art-Rockern gesammelt. Denn er<br />
vermag, ohne den Ursprungscharakter zu<br />
verhunzen, einfach mehr Klarheit und Offenheit<br />
in den bombastischen Sound der Altvorderen<br />
zu mischen. Als weitere Dreingabe<br />
gibt es hier noch einen einen alternativen<br />
Take von “Mass” aus der siebenteiligen, die<br />
Seite 1 komplett füllenden Suite “Tarkus”.<br />
Den erhabensten Sound des „Originals”<br />
transportiert noch immer die 200-Gramm-<br />
Pressung von MFSL, doch auch die 180er<br />
MOV mit ihren differenzierten Höhen hat<br />
ihre Meriten. Die Musik definierte damals<br />
neu, was im Rock alles möglich war: komplexe<br />
Rhythmen und Takte, auch ungerade<br />
und mehrfach wechselnd innerhalb<br />
eines Stücks, fauchendes Georgel auf der<br />
Hammond-B3, viele Syn<strong>the</strong>sizerspuren<br />
zu gewaltigen Soundungeheuern getürmt,<br />
aber auch purer Rock’n’Roll und magische<br />
Hymnen. Toll war’s – und ist’s noch immer.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1971 /2012,<br />
2 LPs, 7/ 8 Tracks) lbr<br />
EARTH AND FIRE<br />
EARTH AND FIRE<br />
Noch so eine wunderschöne<br />
Wiederveröffentlichung<br />
aus<br />
der Serie „Dutch Vinyl<br />
Masters”, zumal<br />
das Polydor-Original<br />
und erst recht die<br />
UK-Ausgabe (mit Roger-Dean-Cover)<br />
kaum mehr zu greifen sind. <strong>Music</strong> On Vinyl<br />
entschied sich für die kontinentale Version<br />
mit dem wundervollen Klappcover im<br />
Streichholzheftchen-Design, so dass man<br />
dankbar die bei MOV übliche Zellofan-<br />
Schutzhülle nach dem Hören wieder überstreift.<br />
Wobei das rote Vinyl sicher öfter<br />
rotiert bei proggig angehauchten Rockfans<br />
mit einem Faible für starke Frauenstimmen.<br />
Sängern Jerney Kaagman prägte mit ihrer<br />
zwischen Grace Slick und Sonya Kristina<br />
liegenden Powerstimme dieses Debüt, das<br />
noch meilenweit vom späteren Seicht-Pop<br />
der Holländer entfernt war. In dem kompakten<br />
Rock des Albums sorgen Flötentöne<br />
und Avantgarde-Anklänge (“What’s Your<br />
Name”) für Abwechslung.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1970, 9 Tracks) lbr<br />
IRON BUTTERFLY<br />
HEAVY<br />
Schon früh gab es<br />
das Debüt der „Eisernen<br />
Schmetterlinge”,<br />
aufgenommen<br />
Ende 1967 und<br />
Anfang 1968 veröffentlicht,<br />
als Billigpressung.<br />
Im Schatten des überlangen<br />
Megahits “In-A-Gadda-Da-Vida” hatte es<br />
HEAVY schwer, obgleich die Kalifornier,<br />
wenn auch nur unter ferner (Höchstplatzierung<br />
78), damit immerhin fast ein Jahr<br />
in den US-Charts, liefen. Die wuchtige Orgel<br />
sowie der nölend-beseelte Gesang von<br />
Doug Ingle oder die Fuzz-Gitarrentöne gab<br />
es schließlich schon hier zu hören. Zeitgemäß<br />
machten sich auch psychedelische<br />
Sounds und ab und an sogar Klavierklänge<br />
breit – doch ein Hammer wie der Song vom<br />
Lebensgarten hing hier nirgends. MOV<br />
hat die Stereoversion der einzigen Scheibe<br />
mit der Urbesetzung wie gewohnt ordentlich<br />
auf 180 Gramm Vinyl gepresst – von<br />
Ramsch keine Spur.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1968,<br />
10 Tracks) lbr<br />
CUBY (AND THE) +<br />
BLIZZARDS<br />
LIVE<br />
Live-Alben<br />
waren<br />
im<br />
Rockbusiness<br />
anno 1968 weit weniger<br />
üblich und<br />
gut als dann in den<br />
seligen 70ern. In<br />
deutlich mehr als<br />
weniger guter Stereo-Bootlegqualität ließ<br />
die holländische Elektro-Bluestruppe von<br />
Sänger Harry „Cuby” Muskee die Scheibe<br />
„recorded in Concert at <strong>the</strong> Rheinhalle<br />
Vinyl<br />
Dusseldorf” veröffentlichen. Die Jungs mit<br />
dem sehr guten Gitarristen Eelco Gelling<br />
und dem erstaunlich präsenten Pianisten<br />
Herman Brood (später ein Drogenwrack<br />
mit Wild Romance) rissen vier Standards<br />
und zwei eigene Nummern runter: rau,<br />
ungehobelt, spontan. Nicht schlecht, aber<br />
bestimmt nicht besser als die vielen Bluesbands<br />
aus dem UK, denen Liner-Notes-<br />
Au<strong>to</strong>r Alexis Korner gleichfalls Beistand<br />
leistete. Dennoch ein schönes Reissue aus<br />
der verdienten Reihe „Dutch Vinyl Masters”,<br />
die gute 180-Gramm-Pressung auf<br />
rotem Vinyl verpackt im originalgetreuen<br />
Klappcover.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1968, 6 Tracks) lbr<br />
IT’S A BEAUTIFUL DAY<br />
IT’S A BEAUTIFUL DAY<br />
Gibt es eine Platte,<br />
die den „Summer Of<br />
Love” so ausstrahlt<br />
wie das Debüt von<br />
It’s A Beautiful<br />
Day aus San Francisco?<br />
Na ja, man<br />
könnte noch IN SEARCH OF THE LOST<br />
CHORD von den Moody Blues nennen,<br />
aber für die amerikanischen Hippies stand<br />
dieses Album an erster Stelle! Besonders<br />
die kreative Spannung von Linda La-<br />
Flamme und David LaFlamme, der mit<br />
seiner Violine die Zuhörer verzauberte,<br />
trug maßgeblich zum Gelingen bei, da<br />
die beiden sich im Stil der Jefferson Airplane<br />
gesanglich auch noch ergänzten.<br />
Das wunderschön melancholische “White<br />
Bird”, ein atmosphärisches “A Hot Summer<br />
Day” und das orientalisch anmutende<br />
“Bombay Calling” (das sicherlich Deep<br />
Purples “Child In Time” inspirierte) vermitteln<br />
Sanf<strong>the</strong>it und das Gefühl unendlicher<br />
Möglichkeiten. Wenn man sich in<br />
diesem Monat nur ein Album leisten kann,<br />
dann muss es dieses sein!<br />
(Speakers Corner/Lotus Records, 1968,<br />
7 Tracks) at<br />
NINA HAGEN BAND<br />
UNBEHAGEN<br />
Natürlich hätte der<br />
Sammler gerne das<br />
„Rothaar”-Cover statt<br />
des<br />
langweiligeren<br />
„typo”-Covers gesehen,<br />
doch sonst gibt<br />
es an diesem Reissue<br />
auf – immerhin – rotem Vinyl nichts auszusetzen.<br />
Schon heillos zerstritten spielten Nina<br />
und die späteren Spliff-Mucker ihre Parts für<br />
das zweite und letzte gemeinsame Album getrennt<br />
ein. Entgegen Frau Hagens depperten<br />
Beschuldigungen, die Band „hätte sie in den<br />
Hintergrund gemischt”, klingt das trotzdem<br />
wie aus einem Guss. Und Nina dreht mächtig<br />
auf. Sie trällert, gurrt, krächzt, zerrt, jodelt,<br />
rrrollt, bellt und knurrt, dass der überdrehte<br />
Vokalstil heute sogar leichtes UNBEHAGEN<br />
verursachen kann. Damals Ende der 70er<br />
freilich eine Sensation, genau wie die unverblümten<br />
Texte, die Lyrics gibt’s zum Nachlesen<br />
auf einem Beiblatt. Musikalisch passiert<br />
in dem coolen Mix aus Reggae, New Wave<br />
und Klabauterschlager (<strong>to</strong>lle Liveversion von<br />
“Wenn ich ein Junge wär”) so einiges, auf<br />
Seite 2 geht mächtig der Punk ab.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1979, 9 Tracks) lbr<br />
Seite 48 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>