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JUSTIN HAYWARD<br />
Von Michael Fuchs-Gamböck<br />
Auch Kitsch ist Kunst<br />
Wie auch immer man zu Justin Haywards Stimme stehen mag, kalt lässt<br />
sie niemanden, unvergleichlich ist sie in jedem Fall. Jetzt veröffentlicht<br />
der Multi-Instrumentalist und Moody-Blues-Star sein erstes Solo-<br />
Album seit 17 Jahren, SPIRITS OF THE WESTERN SKY. Der 66-jährige Engländer<br />
präsentiert eine gefühlige CD, textlich introspektiv, die durchaus auch als Bandprojekt<br />
durchgehen könnte. Und wieder wird es bei dieser Scheibe nur ja" oder "<br />
nein" geben. Wem eine Portion herrlichen Kitsches das Herz öffnen soll, der ist<br />
"<br />
mit SPIRITS OF THE WESTERN SKY prächtig bedient. Ich bin in perfektem Einklang<br />
"<br />
mit der Harmonie der Welt", beteuert Hayward gleich zu Beginn des exklusiv mit<br />
<strong>GoodTimes</strong> geführten Interviews, daher kann ich gar<br />
"<br />
nichts anderes, als harmonische Lieder komponieren."<br />
© Pressefo<strong>to</strong>s<br />
Sie haben uns 17 Jahre auf eine neue Soloplatte<br />
warten lassen.<br />
(Lacht) Ich war kein Faulpelz, auch wenn ich als<br />
Mittsechziger durchaus das Recht hätte, in Rente zu<br />
gehen. Doch ich sehe meinen Job als unglaubliches<br />
Privileg, deshalb werde ich ihn ausüben, so lange<br />
meine grauen Zellen mitmachen oder bis ich ins<br />
Grab falle. Ich hatte eine Menge<br />
zu tun mit ein paar Moody-<br />
Blues-Alben, außerdem habe<br />
ich diverse DVDs der Band<br />
kompiliert. Und Jahr für Jahr<br />
bin ich für ungefähr fünf oder<br />
sechs Monate auf Tournee. Die<br />
Lieder für die Soloscheibe kamen<br />
in den letzten Jahren eher<br />
gemächlich zusammen. Irgendwann<br />
hatte ich genügend<br />
Ideen gesammelt, die mich befriedigten,<br />
die habe ich weiter<br />
ausgearbeitet – und jetzt gibt<br />
es eben dieses Album. Ich bin<br />
äußerst zufrieden damit!<br />
Aufgenommen wurde in<br />
Italien und Nashville. Wie kam es dazu?<br />
Ich lebe mit meiner Familie einen Teil meiner Zeit<br />
in Italien, und das schon seit einigen Jahren. Mir<br />
behagt das Klima<br />
dort, der Umgang<br />
der Menschen untereinander,<br />
das<br />
Lebensgefühl ganz<br />
allgemein, auch<br />
die Kultur. Da war<br />
es naheliegend, in<br />
Genua wenigstens<br />
einige der neuen<br />
Songs zu produzieren.<br />
Außerdem gab<br />
es in dem Studio, wo<br />
ich aufnahm, diese<br />
herrlichen alten Mikrofone,<br />
mit denen<br />
ich schon während<br />
der Moody-Blues-<br />
Ära in den 1960ern<br />
und 1970ern zu tun<br />
hatte und die einen<br />
unglaublich warmen<br />
Klang besitzen. Die wollte ich unbedingt für<br />
SPIRITS OF THE WESTERN SKY haben! In Nashville<br />
arbeitete ich, weil ich seit einiger Zeit großer Bluegrass-Fan<br />
bin. Zumindest drei der aktuellen Stücke<br />
hört man diese Leidenschaft an.<br />
Was gefällt Ihnen so an Bluegrass?<br />
Es ist sehr ehrliche Musik. Und es ist Musik von Menschen,<br />
die extrem talentiert<br />
sind und in ihrem<br />
Kosmos aus Klängen<br />
aufgehen. Die Tatsache,<br />
dass es bei Bluegrass<br />
im Normalfall kein<br />
Schlagzeug gibt, keine<br />
elektrische Gitarre oder<br />
E-Bass, beweist: Man<br />
muss seine akustischen<br />
Instrumente perfekt beherrschen,<br />
wenn es in<br />
der Öffentlichkeit keine<br />
Blamage geben soll. Du<br />
hast keine Lautstärke,<br />
hinter der du dich verstecken<br />
kannst. So et-<br />
Moody Blues 1978 mit Justin Hayward (1.v.l.)<br />
was imponiert mir. Bluegrass erinnert mich an die<br />
wilden, leidenschaftlichen Anfangstage meiner eigenen<br />
Musikerkarriere.<br />
SPIRITS OF THE WES-<br />
TERN SKY enthält<br />
kritische Kommentare<br />
zum Geschehen<br />
in der Welt,<br />
doch mehrheitlich<br />
sind die Texte sehr persönlich ...<br />
Vermutlich eine Frage der Altersmilde – und eine<br />
Frage der Umstände, wie meine Texte entstehen: Ich<br />
sitze meist in einem kleinen Zimmer, grüble und meditiere<br />
vor mich hin, mache mir die eine oder andere<br />
Notiz. Und plötzlich ist da ein Elaborat, mit dem<br />
ich gut leben kann, das etwas mit meiner Sicht der<br />
Welt zu tun hat. Wobei ich immer weniger Interesse<br />
habe, mich um politische Fragen zu kümmern, wie<br />
ich das früher tat. Ich fürchte, Politik ist schlecht<br />
fürs Karma.<br />
Gehen Sie an ein Moody-Blues-Album anders<br />
heran?<br />
Das ist einfach zu beantworten: Wenn du mit einer<br />
Band arbeitest, hat jeder Mitwirkende das gleiche<br />
Recht, sich einzubringen. Das nennt man Demokratie.<br />
Wenn ich als Solist unterwegs bin, liegt die gesamte<br />
Verantwortung für den Inhalt bei mir. Wobei<br />
ich nicht weiß, ob sich eine Justin-Hayward-Platte<br />
stark von einer<br />
der Moody Blues<br />
unterscheidet ...<br />
Sie fühlen sich<br />
der Band also<br />
weiter stark<br />
verbunden?<br />
Unbedingt! Die<br />
Moody Blues<br />
sind neben meiner<br />
Familie der<br />
Dreh- und Angelpunkt<br />
meines<br />
Lebens. Es lief<br />
Justin<br />
Hayward<br />
1974<br />
nicht immer<br />
rund zwischen<br />
uns, gelegentlich war es notwendig, dass man sich<br />
aus den Augen verliert. Aber wir haben mit dieser<br />
Band stets die Musik gemacht, die uns emotional<br />
nahesteht. Wir haben uns nie verbogen beim Komponieren.<br />
Manch einer mag unseren Sound für<br />
Kitsch halten. Dem kann ich nur antworten: Vielleicht<br />
ist es Kitsch. Aber auch der kann extrem aufrichtige<br />
Kunst sein.<br />
© Fo<strong>to</strong>: Pressefo<strong>to</strong> © Jim Summaria<br />
Seite 96 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>