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CD REVIEWS Jazz & World <strong>Music</strong><br />
EVO<br />
EVA<br />
In der deutschen Mittelalter-Folk-Rockwelle<br />
der vergangenen Jahre, angeführt von Bands<br />
wie In Extremo und Subway To Sally, stand<br />
oft das Laute und Brachiale im Vordergrund.<br />
Auf der Strecke geblieben ist dabei ein wenig<br />
die zurückgenommene, lyrische Seite.<br />
Die spanische Combo Evo um den Multi-<br />
Instrumentalisten Efrén López, bekannt als<br />
Kopf der Folkband L’Ham de Foc, setzt genau<br />
dort an: Auf einem Sammelsurium an Instrumenten,<br />
darunter Harfe, Laute, Bouzouki,<br />
Drehleier und Flöten, interpretiert sie auf<br />
ihrem Debütalbum EVA (eine Verehrung der<br />
Frau) Liebeslieder spanischer Troubadoure<br />
aus dem 12. bis 14. Jahrhundert; nicht werkgetreu,<br />
sondern in eigenen Arrangements,<br />
beeinflusst auch von maurischen und südosteuropäischen<br />
Klängen (beide Kulturen wirkten<br />
stark auf das mittelalterliche Spanien).<br />
Beeindruckend, wie die Lieder wie feingewebte<br />
Seide wirken und sich schon im nächsten<br />
Moment voller Emotion eruptiv entladen.<br />
Einen derart packenden Mix aus Mystik und<br />
Schönheit hat man seit den besten Tagen von<br />
Dead Can Dance selten gehört.<br />
(Songsurfer/Cargo, 2013, 13/71:27) frs<br />
PAUL KUHN<br />
THE L.A. SESSION<br />
Vor wenigen Tagen,<br />
am 12. März, wurde<br />
Paul Kuhn 85 Jahre<br />
alt. Doch bereits im<br />
November 2011 erfüllte<br />
er sich einen<br />
großen Traum, als<br />
er sich ihin den berühmten Capi<strong>to</strong>l Studios in<br />
Los Angeles in die Hände von Produzent Al<br />
Schmitt begab. Legendär dessen Umsetzung<br />
des Henri-Mancini-Soundtracks für „Breakfast<br />
At Tiffany’s”, Grammy-ausgezeichnet<br />
seine Arbeiten für George Benson und Ray<br />
Charles. Der Sound, den Schmitt ihm dabei<br />
auf den Leib schneiderte, ist überraschend<br />
leicht und verspielt, sicher auch ein Verdienst<br />
seiner beiden Mitmusiker John Clay<strong>to</strong>n (b)<br />
und Jeff Hamil<strong>to</strong>n (dr), sonst die Rhythmusgruppe<br />
von Diana Krall. In dieser Umgebung<br />
war es für Paul Kuhn natürlich ein Leichtes,<br />
sowohl eigene Stücke (“Almost The Blues”,<br />
“Griff”) als auch Standards wie “Dinah”,<br />
“Just In Time” oder “As Time Goes By” so<br />
zeitlos gut, so gelassen, so reif wie selten zuvor<br />
klingen zu lassen.<br />
(In + Out Records/inakustik, 2013,<br />
14/49:23) us<br />
IN THE COUNTRY<br />
SUNSET SUNRISE<br />
Auch beim neuesten Werk dieser norwegischen<br />
Band wird Pianist und Komponist<br />
Morten Qvenild von Roger Arntzen am<br />
Bass und Pål Hausken an Schlagzeug und<br />
Vibrafon unterstützt. Und wer den tiefgründigen<br />
Jazz von In The Country kennt, der<br />
wird wenig überrascht sein von der Art und<br />
Weise, wie dieses Trio SUNSET SUNRISE<br />
sehr viel Zeit und Raum zum Entwickeln<br />
gibt. Schon das Eröffnungsstück “Birch<br />
Song” ist zunächst (und vordergründig)<br />
durchdrungen vom süßlichen Moll skandinavischer<br />
Musik – Edvard Grieg oder Jan<br />
Garbarek lassen grüßen –, bis die klassische,<br />
fast belanglos vor sich hinplätschernde Pianomelodie<br />
hinabgezogen wird in die Tiefe<br />
bedrohlicher Akkordgewitter – nur um kurz<br />
darauf in unheilvoller Stille zu enden. Bestes<br />
Beispiel für diese Mini-Epen ist aber der<br />
über zehnminütige Titelsong, der genau diese<br />
Spannung in Perfektion zelebriert, der das<br />
gemächliche Tempo langsam steigert, bei<br />
dem sich Wohlklang langsam, aber sicher in<br />
befeuerten Groove umwandelt.<br />
(ACT/edel, 2013, 8/65:19)<br />
us<br />
CHRIS FARLOWE<br />
AS TIME GOES BY<br />
1995 veröffentlichte<br />
Chris Farlowe mit<br />
AS TIME GOES<br />
BY ein Album voller<br />
Jazzklassiker, die er<br />
schon in seiner Kindheit<br />
– begleitet von<br />
seiner Mutter am Piano – gesungen hatte.<br />
Dieses Mal wählte er sich als Begleitband<br />
Clem Clempson (g), John Pearce (p), Simon<br />
Woolf (b) und Simon Mor<strong>to</strong>n (dr)<br />
aus, dazu noch den 2008 vers<strong>to</strong>rbenen Pat<br />
Crumly am Saxofon sowie Mark Nightingale<br />
an der Posaune. Natürlich würzt Farlowe<br />
diese Vorlagen mit einer kräftigen<br />
Prise Blues, doch das schadet Songs wie<br />
“Bewitched”, “These Foolish Things”,<br />
“Sunday Kind Of Love” oder “Don’t Let<br />
Me Be Lonely” in keinster Weise.<br />
(MiG/Intergroove, 1995, 14/56:57) us<br />
THE KEITH TIPPETT<br />
GROUP<br />
YOU ARE HERE … I AM THERE<br />
+ DEDICATED TO, BUT YOU<br />
WEREN’T LISTENING<br />
Auf dem von Giorgio Gomelsky produzierten<br />
Erstling YOU ARE HERE … I AM THERE<br />
präsentierte sich der damals etwas über 20<br />
Jahre alte Keith Tippett noch auf der Suche<br />
nach dem eigenen Stil. Er und seine Mitstreiter,<br />
darunter die von Soft Machines THIRD-<br />
Phase bekannten Mark Charig, El<strong>to</strong>n Dean<br />
und Nick Evans, sind eher dem Jazz der frühen<br />
und Mitte der 60er Jahre à la Miles Davis<br />
und John Coltrane denn dem Jazz-Rock des<br />
ausgehenden Jahrzehnts verhaftet. Das muss<br />
im Erscheinungsjahr schon als leicht antiquiert<br />
gegolten haben, standen die Zeichen<br />
der Londoner Jazzszene Anfang 1970 schon<br />
ganz auf Fusion. Schuld daran hatten Tippett<br />
& Co. nicht, denn die Aufnahmen waren<br />
schon 1968 eingespielt worden, als an Fusion<br />
nur in vagen Ansätzen zu denken war. In der<br />
Zwischenzeit hatte Tippett sich einen Namen<br />
als Session-, Jam- und Livemusiker gemacht,<br />
so dass er auf DEDICATED TO YOU, BUT<br />
YOU WEREN’T LISTENING die Crème de<br />
la Crème britischer Fusion-Jazzmusikern um<br />
sich scharen konnte. Neben den erwähnten<br />
erlebten auch Robert Wyatt, Roy Babbing<strong>to</strong>n<br />
und Neville Whitehead zwei als glorreich<br />
und magisch beschriebene Aufnahmetage, in<br />
denen die Keith Tippett Group zeitgemäßen,<br />
artifiziellen Fusion-Jazz einspielten. Teilweise<br />
hatte das schon die Ausmaße, wie sie kurz<br />
darauf in Tippetts erfolgreichem Bigband-<br />
Projekt Centipede zu hören sind. So unterschiedlich<br />
Debüt und Zweitwerk auch sind,<br />
sie einen doch die hohe Qualität der musikalischen<br />
Darbietungen und den abwechslungsreichen<br />
Stilmix unterschiedlicher Jazz- und<br />
Jazz-Rock-Stilarten.<br />
(Esoteric/Rough Trade, 1970, 8/46:25,<br />
1971, 7/41:37) an<br />
FELA KUTI<br />
THE BEST OF THE BLACK<br />
PRESIDENT 2<br />
Zum 15. Todesjahr des nigerianischen Musikers<br />
nimmt sich Knitting Fac<strong>to</strong>ry Records der<br />
Wiederveröffentlichung von Fela Kutis über<br />
50 Alben umfassendem Gesamtwerk an. Den<br />
Auftakt macht das Label mit der Compilation<br />
THE BEST OF THE BLACK PRESIDENT<br />
2. Sie enthält neben einer über 150 Minuten<br />
gehenden Doppel-CD in der Deluxe-Edition<br />
die mehr als 70-minütige DVD FELA LIVE<br />
– MIDSUMMER CONCERT mit einem Auftritt<br />
in Glas<strong>to</strong>nbury von 1984, der allerdings<br />
auch auf Youtube zu bewundern ist. Kutis<br />
mehr als 20-köpfige Gruppe interpretiert hier<br />
über halbstündige Versionen von “Confusion<br />
Break Bones” und “Teacher Don’t Teach Me<br />
Nonsense”. Auf den CDs finden sich zwölf<br />
Stücke, von denen keines kürzer als zehn<br />
Minuten ist, darunter gibt es auch die bislang<br />
unveröffentlichte und um rund sechs Minuten<br />
längere Original Extended Version von “Sorrow<br />
Tears And Blood”. Zusammen mit THE<br />
BEST OF THE BLACK PRESIDENT, das<br />
die vermutlich bekannteren Stücke umfasst,<br />
erhalten Neueinsteiger einen gelungen Kuti-<br />
Überblick, zumal das Booklet ausführliche<br />
Informationen zu den meist politisch motivierten<br />
Songs und damit auch zu Kuti bietet.<br />
Fans komplettieren ihre Sammlung womöglich<br />
mit dem im März, Mai und September<br />
erscheinenden restlichen Gesamtwerk.<br />
(Kalakuta Sunrise/Knitting Fac<strong>to</strong>ry Records,<br />
2013, 6/79:16, 6/77:36, 2/72:35) an<br />
JOAO GILBERTO +<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
THE LEGEND + THE HITS OF<br />
JOAO GILBERTO<br />
Mit drei Alben in drei Jahren, CHEGA DE<br />
SAUDADE (1959), O AMOR, O SORRI-<br />
SO E A FLOR (1960) und JOAO GILBER-<br />
TO (1961) legte Joao Gilber<strong>to</strong> (zusammen<br />
mit Komponist An<strong>to</strong>nio Carlos Jobim) den<br />
Grundstein für den Höhenflug des Bossa Novas,<br />
für die leichten, rhythmisch swingenden<br />
Töne aus Brasilien, die kurz darauf ihren<br />
Siegeszug rund um die Welt antraten. Der<br />
Doppelpack LEGEND versammelt auf CD1<br />
das Beste aus diesen drei Alben, von “Desafinado”<br />
über “Outra Vez” bis zu “Saudade<br />
De Bahia”. CD 2 ist den Raritäten aus dieser<br />
Zeit vorbehalten, von zwei frühen Singles<br />
(mit dem Vokalensemble Os Garotas Da<br />
Lua) über die Filmbeiträge zu „Copacabana<br />
Palace” bis zu den legendären Aufnahmen<br />
mit Mil<strong>to</strong>n Banana in der Carnegie Hall 1962.<br />
Welchen Einfluss diese Musik auf Amerikas<br />
Jazzszene hatte, zeigt THE HITS OF JOAO<br />
GILBERTO. Stan Getz, Charlie Byrd, Herbie<br />
Mann, Quincy Jones, Jon Hendricks oder<br />
Sacha Distel waren von Gilber<strong>to</strong>s Bossa Nova<br />
so beeindruckt, dass sie dessen Lieder in ihr<br />
Reper<strong>to</strong>ire aufnahmen. Die Spannweite ihrer<br />
Versionen ist breit, von originalgetreu abgekupfert<br />
bis frei interpretiert – großartige Musik<br />
ist es aber allemal!<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 1959–1962,<br />
36/70:59, 30/76:04 + 2013, 26/79:56) us<br />
Seite 58 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />
BILLY COBHAM + JEAN-<br />
LUC PONTY + TOWER<br />
OF POWER + MICHAEL<br />
FRANKS<br />
ORIGINAL ALBUM SERIES<br />
Fusion – das war zu<br />
Beginn der 70er Jahre<br />
ein Versprechen.<br />
Nach dem Aufbrodeln<br />
avantgardistischer<br />
Stile (Bebop,<br />
Free Jazz) in den<br />
Jahrzehnten Jh ht zuvor, bt bot sich durch die Verschmelzung<br />
mit Rockmusik die Chance,<br />
dass der Jazz wieder größere Popularität<br />
und Tanzbarkeit errang. Gleichwohl zeigten<br />
bereits die ersten Fusion-Werke, etwa Miles<br />
Davis’ BITCHES BREW (1970), neue<br />
Wege des Experimentierens auf. Einer aus<br />
Davis’ Umfeld war der Drummer Billy Cobham.<br />
1973 brachte er mit SPECTRUM sein<br />
erstes Album unter eigenem Namen her aus<br />
– bis heute ein Meisterwerk. Cobham, obwohl<br />
„nur” Drummer, ist darauf gleichbedeutender<br />
Bestandteil eines Kollektivs aus<br />
versierten Musikern wie Jan Hammer (keys)<br />
und dem späteren Deep-Purple-Gitarristen<br />
Tommy Bolin. Jazz, Hard Rock, Funk,<br />
Psychedelia – selten ging diese Kombination<br />
besser auf. Der wuchtige Basslauf von<br />
“Stratus” waberte, gesampelt, zwei Jahrzehnte<br />
später durch das Stück “Safe From<br />
Harm” der ebenfalls Space-verliebten Trip-<br />
Hopper Massive Attack. Seiner Vorliebe<br />
für Weltraumklänge frönte Cobham auch<br />
auf den nachfolgenden Alben CROSS-<br />
WINDS (1974) und TOTAL ECLIPSE<br />
(1974). Geerdeter ging es hingegen auf A<br />
FUNKY THIDE OF SINGS (1975) zu, für<br />
dessen heiße Bläsersätze er die Brecker-<br />
Brüder gewann. Alle vier Alben sind nun<br />
zusammen mit der Liveplatte SHABAZZ<br />
(1974) in einer preiswerten 5er-Box in der<br />
ORIGINAL ALBUM SERIES erhältlich.<br />
In gleicher Aufmachung (abgespeckt, ohne<br />
Booklets, kaum kleingedruckte Infos) erscheinen<br />
in dieser Serie auch 5er-Packs<br />
von Jean-Luc Ponty, Tower Of Power und<br />
Michael Franks. Ponty, der u.a. mit Frank<br />
Zappa und John McLaughlins Mahavishnu<br />
Orchestra spielte, wählte auf seinen Alben<br />
UPON THE WINGS OF MUSIC (1975),<br />
AURORA (1975), IMAGINARY VOYAGE<br />
(1976), ENIGMATIC OCEAN (1977) und<br />
COSMIC MESSENGER (1978) einen ganz<br />
anderen Ansatz als Cobham. Statt eruptiven<br />
Funk nutzte der französischstämmige<br />
Geiger als Grundlage für seine brillanten<br />
Läufe einen mehr introspektiven Ansatz:<br />
Mit ambitionierten, mehrteiligen Suiten wie<br />
“Imaginary Voyage” und “Enigmatic Ocean”<br />
näherte er sich der europäischen Klassik<br />
an. Ganz auf der Funk-Schiene hingegen<br />
fuhr die elfköpfige kalifornische Formation<br />
Tower Of Power um die Saxofonisten Stephen<br />
Kupka und Emilio Castillo. Auf ihren<br />
Alben BUMP CITY (1972), TOWER OF<br />
POWER (1973), BACK TO OAKLAND<br />
(1974), URBAN RENEWAL (1975) und IN<br />
THE SLOT (1975) zeigten gesungene Titel<br />
wie “You Got To Funkifize” und “What Is<br />
Hip?” eher eine Nähe zu James Brown als<br />
zu Miles Davis. Die punktgenauen Bläsersätze,<br />
für die Tower Of Power rasch berühmt<br />
wurden, sorgten dafür, dass die fünfköpfige<br />
eigenständige Bläsersektion auch gerne von<br />
anderen gebucht wurde, u.a. von Santana,