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CACT S Comeback<br />
© Pressefo<strong>to</strong>/mfp Concerts<br />
Bassist Tim Bogert und Schlagzeuger Carmine Appice, zwei US-Ostküstler,<br />
waren 1967 Mitbegründer der Psychedelic-Prog-Band Vanilla<br />
Fudge. Das Quartett fiel auch mit musikalisch exzessiven Cover-Versionen<br />
auf. Es fand in der Hippie-<br />
Generation Beachtung und Wohlwollen, der<br />
ganz große Durchbruch blieb trotz technischer<br />
Finesse jedoch aus.<br />
Bogert und Appice hatten danach kein Problem,<br />
sich von ihren Mitstreitern Mark Stein<br />
(org) und Vince Martell (g) zu lösen. Denn<br />
1970 meldete sich Jeff Beck bei ihnen, der<br />
ein neues Projekt starten wollte. Pech, dass<br />
der Gitarrist wenig später einen Au<strong>to</strong>unfall<br />
hatte, von dessen Folgen er sich nur langsam<br />
erholte. So gründeten Bogert und Appice<br />
Cactus; mit dabei Jim McCarty (g) und Rusty<br />
Day (voc, harp). „Der Cactus-Sound war die<br />
Fortsetzung von Vanilla Fudge mit brachialen<br />
Heavy-Rock-Mitteln”, ordnet der heute<br />
66-jährige Drummer die Musik ein. „Die Zuhörer<br />
bekamen von uns die volle Dröhnung,<br />
wir zeigten uns von der ganz harten Seite!<br />
Black Sabbath, Deep Purp le und Cactus ...<br />
wir haben uns massiv gegenseitig beeinflusst.<br />
Obwohl wir auch Yes, Chicago und<br />
Blood, Sweat & Tears als Inspirationsquelle<br />
nutzten.”<br />
Nach zweieinhalb Jahren war Schluss, denn Jeff Beck war genesen<br />
und formierte Beck, Bogert & Appice. Von da an verliefen<br />
sich die Wege sämtlicher Cactus-Musiker, Rusty Day wurde<br />
am 6. März 1982 von einem Einbrecher erschossen.<br />
Doch im Juni 2006 absolvierten Cactus zwei Shows in New York<br />
sowie beim Sweden Rock Festival in Norje. Besetzung: Appice,<br />
Bogert und McCarty, als Frontmann stieß der ehemals bei Savoy<br />
Brown singende Jimmy Kunes zur Band, und die Gruppe<br />
veröffentlichte CACTUS V. „2013 ist es Zeit für das ganz große<br />
Comeback<br />
der Rampensäue<br />
Seite 68 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />
Cactus-Revival”, freut sich Appice. Als<br />
akustischer Vorbote erscheint mit THE<br />
COLLECTION eine Bestandsaufnahme,<br />
zu finden sind remasterte frühe Songs<br />
sowie unveröffentlichte Live- und Studiotracks:<br />
„Das Wichtigste ist, dass wir<br />
Rampensäue wieder auf großer Tournee<br />
sein werden, wenn auch leider ohne Tim<br />
Bogert.”<br />
Wenn du jetzt die alten<br />
Songs spielst, ist das nicht<br />
ein sehr anachronistisches<br />
Gefühl?<br />
Nein, weil dieses Animalische, Urwüchsige<br />
von früher nach wie vor in uns<br />
steckt. Auch wenn wir ein wenig erwachsener<br />
geworden sind. Aber eben nur ein<br />
wenig ...<br />
Der Blues hat bei Dir eine<br />
entscheidende Rolle gespielt<br />
...<br />
Ja, obwohl ich eigentlich aus der Beat-<br />
Ecke stamme. Doch als die Beatles zu<br />
Beginn ihrer Karriere die für damalige<br />
Zeiten wilden Rock-Sachen veröffentlichten,<br />
ließ ich mir die Haare wachsen<br />
und haute etwas kräftiger in die Trommelfelle als zuvor (lacht). Das kam bei den<br />
Girls tierisch gut an! Was mir natürlich auch gefallen hat. Aber im Grunde war<br />
ich stets ein Bluesmann, wegen all der existenziellen Traurigkeit dieser Musik.<br />
Von Cactus gab es in weniger<br />
als drei Jahren vier LPs, ihr<br />
habt über 100 Konzerte absolviert.<br />
Schwindelerregend,<br />
oder?<br />
So war das halt damals! Es wurde eine Platte<br />
aufgenommen, dann kam die Livepräsentation,<br />
wir warfen Drogen ein, machten mit<br />
Mädels rum, danach der ganze Irrsinn wieder<br />
von vorn. Mehr als drei Nächte im Monat am<br />
Stück durchzuschlafen war nicht drin – eine<br />
geile Zeit! Auch wenn man so ein Dasein<br />
höchstens bis 30 führen kann, wenn man<br />
nicht mit 35 <strong>to</strong>t sein will.<br />
Warum wurden Cactus wiederbelebt?<br />
v.l.: Randy Pratt, Pete Bremy, Jimmy Kunes, Carmine Appice, Jim McCarty<br />
Stacheliger Rock'n'Roll-Outlaw einst und heute: Cactus-Mitbegründer<br />
Carmine Appice in den frühen 1970ern (1. v.l.) und aktuell (2. v.r., siehe oben)<br />
Weil die Reaktionen auf unsere drei Auftritte<br />
2006 überwältigend waren! Ich bin eitel genug,<br />
dass mir so was schmeichelt. Also dachte<br />
ich: „Wieso nicht wieder einsteigen in die<br />
Kakteen-Zucht?!"<br />
Warum ist Tim Bogert nicht<br />
dabei?<br />
Ihm geht es schon seit einiger Zeit gesundheitlich ziemlich mies,<br />
für ihn ist das Thema Rock’n’Roll-Lifestyle endgültig vorbei –<br />
schon weil ihm das Reisen äußerst schwerfällt. Doch was bitte,<br />
ist ein Rocker, der nicht wenigstens ab und zu auf Tournee geht?<br />
Gibt es Pläne für ein neues Studio-album?<br />
Das ist – bis auf die Gesangsspuren – bereits fertig und soll noch<br />
in diesem Jahr erscheinen! Es klingt ähnlich wie in den alten<br />
Zeiten. Auf jeden Fall ziemlich heißer Shit, auch wenn er von<br />
alten Säcken wie uns eingespielt worden ist.<br />
Michael Fuchs-Gamböck