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Industriedenkmäler in Brandenburg - IHK Cottbus

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K<strong>in</strong>der spielen gern im<br />

Familiengarten.<br />

Titelthema<br />

E<strong>in</strong>e alte Dampfspeicherlok<br />

steht unter dem 58<br />

Meter hohen Montagekran,<br />

e<strong>in</strong>em Wahrzeichen<br />

von Eberswalde.<br />

<br />

Fotos (alle): W. Döll<br />

Seit Jahrhunderten e<strong>in</strong><br />

Regionaler Wachstumskern<br />

<strong>Industriedenkmäler</strong> Eberswalde im F<strong>in</strong>owtal wurde so<br />

zur Wiege der brandenburg-preußischen Industrie<br />

Ich werde den Schatz f<strong>in</strong>den!“ Laut kreischend<br />

rennt das kle<strong>in</strong>e Mädchen ihren<br />

Mitschülern voran. Die Klasse verlebt<br />

e<strong>in</strong>en Abenteuertag im Familiengarten<br />

<strong>in</strong> Eberswalde. Die Mädchen und Jungen<br />

laufen durch die Blumenbeete, toben über<br />

die vielen Spielplätze und bestaunen alte<br />

Gebäude und Masch<strong>in</strong>en. Sie suchen den<br />

von den Erziehern versteckten Schatz und<br />

ahnen nicht, dass sie über e<strong>in</strong> ganz besonderes<br />

Gelände laufen.<br />

„Das F<strong>in</strong>owtal ist die Wiege der brandenburg-preußischen<br />

Industrie“, erzählt<br />

Ramona Schönfelder. Als Leiter<strong>in</strong> der<br />

Museums der Stadt Eberswalde kennt sie<br />

sich bestens aus mit der Geschichte ihrer<br />

Region. „1603 erwarb Kurfürst Joachim<br />

Friedrich zwei alte Kupferhämmer und<br />

ließ dann e<strong>in</strong>e neue Anlage an der F<strong>in</strong>ow<br />

errichten, den er zwei Jahre später zum<br />

F<strong>in</strong>owkanal ausbauen ließ.“ Im Eberswalder<br />

Kupferhammer entstanden Pfannen,<br />

Kessel und Halbfabrikate für die Weiterverarbeitung.<br />

Über den Kanal gelangten<br />

die Waren dann zu den Kunden. Der<br />

Kurfürst adelten den Standort mit e<strong>in</strong>em<br />

besonderen Edikt. Der Eberswalder Kupferhammer<br />

wurde so für über 200 Jahre<br />

zur Zentrale der Mark <strong>Brandenburg</strong>. „Nur<br />

hier durften die Meister ihr Examen ablegen<br />

und nur hier durften Halbfabrikate für<br />

die Weiterverarbeitung verkauft werden.“<br />

Fachleute angelockt<br />

Anfangs des 17. Jahrhunderts entstanden<br />

e<strong>in</strong> Eisen- und e<strong>in</strong> Blechhammer, der<br />

später zum ersten Mess<strong>in</strong>gwerk <strong>Brandenburg</strong>s<br />

umgebaut wurde. Auch sie wurden<br />

mit besonderen Privilegien versehen.<br />

Die jeweiligen Landesfürsten lockten mit<br />

Edikten und besonderen Vergünstigungen<br />

Thür<strong>in</strong>ger, Schweizer und Franzosen <strong>in</strong><br />

die Region und nutzten deren Wissen, ihre<br />

Fertigkeiten und auch ihr Vermögen. Auch<br />

der Hugenotte Moise Aureillon bekam so<br />

1698 die Konzession für den Bau e<strong>in</strong>er<br />

Eisenspalterei und kostenlos noch 24 Morgen<br />

Land dazu. „Das F<strong>in</strong>owtal war damit<br />

schon vor langer Zeit für die Landesherren<br />

e<strong>in</strong> Regionaler Wachstumskern“, betont<br />

Ramona Schönfelder und zieht e<strong>in</strong>en Vergleich<br />

zur heutigen Zeit.<br />

Mit den Industrieanlagen wuchsen<br />

Wohnsiedlungen für die Arbeiter zu eigenständigen<br />

Geme<strong>in</strong>debezirken, die 1928<br />

zur Geme<strong>in</strong>de F<strong>in</strong>ow verschmolzen. Im<br />

F<strong>in</strong>owtal gab es für die jeweilige Zeit auch<br />

enorme technologische Entwicklungen.<br />

Als Pionierleistung gilt der Bau des Elektrizitätswerks,<br />

das nicht nur die umfangreiche<br />

Industrie versorgte, sondern auch<br />

weite Teile der nördlichen Mark <strong>Brandenburg</strong>.<br />

Die gute Infrastruktur begünstigte<br />

viele Ansiedlungen. „In e<strong>in</strong>er Hufnagelfabrik<br />

wurden europaweit die ersten<br />

Hufnägel masch<strong>in</strong>ell hergestellt sowie e<strong>in</strong><br />

Waggonfahrstuhl zur Anb<strong>in</strong>dung an die<br />

Fernbahn errichtet und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rohrleitungsfabrik<br />

entstanden die ersten <strong>in</strong>dustriell<br />

gefertigten Rohrleitungen“, zählt die<br />

Museumschef<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ige Beispiele auf. Das<br />

Mess<strong>in</strong>gwerk <strong>in</strong> F<strong>in</strong>ow und die Ardeltwerke<br />

<strong>in</strong> Eberswalde waren bis 1945 die<br />

beschäftigungsstärksten Unternehmen mit<br />

jeweils über 3.000 Personen.<br />

Im Zweiten Weltkrieg fiel die Altstadt<br />

von Eberswalde <strong>in</strong> Schutt und Asche. „Die<br />

von den Bomben verschonten Industrieanlagen<br />

wurden enteignet, demontiert<br />

und als Reparationszahlung <strong>in</strong> die damalige<br />

Sowjetunion abtransportiert“, erklärt<br />

Ramona Schönfelder. Mühsam wurden<br />

später der Kranbau, e<strong>in</strong> Stahl- und Walzwerk,<br />

e<strong>in</strong> Rohrleitungsbau und andere<br />

Metallbetriebe wieder aufgebaut. Noch<br />

heute kommen aus Eberswalde Hafenkräne,<br />

W<strong>in</strong>dkraftanlagen, Autoteile und<br />

andere Metallprodukte. E<strong>in</strong> Netzwerk<br />

Metall koord<strong>in</strong>iert heute die Interessen<br />

der Metallbetriebe <strong>in</strong> der Region. Über die<br />

Geschichte der <strong>in</strong>dustriellen Entwicklung<br />

<strong>in</strong> Eberswalde wird ab dem nächsten Jahr<br />

auch die neue Ausstellung im Museum der<br />

Stadt <strong>in</strong>formieren.<br />

Freizeitpark am F<strong>in</strong>owkanal<br />

Geschichte zum Anfassen gibt es direkt<br />

im Familiengarten. Auf dem 17 Hektar<br />

großen Gelände neben dem F<strong>in</strong>owkanal<br />

können die Besucher e<strong>in</strong>tauchen <strong>in</strong> die<br />

<strong>in</strong>dustrielle Vergangenheit, an alten Walzanlagen<br />

vorbeispazieren, mit dem Boot<br />

über die unterirdischen Kanäle der alten<br />

Fabriken fahren oder e<strong>in</strong>en riesigen Montagekran<br />

besteigen. „Die Stadt hat sich<br />

schon 1996 entschieden, diese alte Industriebrache<br />

zu retten und für die Nachwelt<br />

zu erhalten“, sagt Uwe Birk, Leiter des<br />

Eberswalder Bürger- und Ordnungsamtes.<br />

Mit der Landesgartenschau 2002 wurde<br />

das sanierte Gelände dann den E<strong>in</strong>wohnern<br />

übergeben. 20 Millionen Euro flossen<br />

<strong>in</strong> die Sanierung der Brache. Eberswalde<br />

verlor e<strong>in</strong>en Schandfleck und bekam e<strong>in</strong>e<br />

Freizeitoase.<br />

„Die alte Hufeisenfabrik wurde zur<br />

Stadthalle, e<strong>in</strong> ehemaliges Walzwerk zur<br />

Kunstwerkstatt, e<strong>in</strong>e große Freilichtbühne<br />

kam h<strong>in</strong>zu und die alten Kohleflächen<br />

wurden zu herrlichen Grünanlagen mit<br />

vielen Spiel- und Sportplätzen für die<br />

K<strong>in</strong>der und Jugendlichen“, erzählt Uwe<br />

Birk. Weit über 100.000 Besucher kommen<br />

Jahr für Jahr zu den Veranstaltungen oder<br />

als Tagesgäste <strong>in</strong> den Familiengarten. Gut<br />

450.000 tausend Euro gibt Eberswalde für<br />

den Betrieb des Familiengartens pro Jahr<br />

aus. „E<strong>in</strong>e Stadt, die seit Jahren schwarze<br />

Zahlen schreibt, kann eben auch ihren<br />

Bürgern etwas bieten.“<br />

❙❙Wilko Döll<br />

forum – DAS BRANDENBURGER WIRTSCHAFTSMAGAZIN – 7-8/2013 41

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