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Industriedenkmäler in Brandenburg - IHK Cottbus

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Titelthema<br />

Millionen Ziegel wurden mit den alten<br />

Anlagen hergestellt. Fotos (alle): W. Döll<br />

Der Ton, die Havel und e<strong>in</strong> Zufall<br />

Eigentlich sollte 1887 hier nur die Eisenbahnl<strong>in</strong>ie<br />

von Löwenberg nach<br />

Templ<strong>in</strong> gebaut werden“, erzählt Uwe<br />

Seibt. „E<strong>in</strong> Bau<strong>in</strong>genieur entdeckte dabei<br />

aber bei Zehdenick e<strong>in</strong> riesiges Tonvorkommen<br />

und blitzartig<br />

entwickelte sich hier<br />

das Ziegeleigewerbe“,<br />

schwärmt der Projektmanager<br />

des Ziegeleiparks<br />

Mildenberg. Mehr<br />

als 100 Jahre prägte die<br />

Ziegelproduktion die<br />

wirtschaftliche Entwicklung<br />

rund um Zehdenick.<br />

Im gut 40 Hektar<br />

großen Ziegeleipark werden<br />

der wirtschaftliche<br />

Aufschwung der Region<br />

nach dem Tonfund, die<br />

Herstellung der Tonziegel<br />

und auch der Niedergang<br />

des Gewerbes erklärt.<br />

Wiege Berl<strong>in</strong>s stand<br />

<strong>in</strong> Zehdenick<br />

<strong>Industriedenkmäler</strong> Ziegeleipark Mildenberg<br />

er<strong>in</strong>nert an die Blütezeit e<strong>in</strong>es alten Gewerbes<br />

Nach der Entdeckung des Tons 1887 g<strong>in</strong>g<br />

alles sehr schnell. „Schon 1890 stand hier<br />

die erste Ziegelfabrik“, sagt Uwe Seibt.<br />

Später schossen die Ziegeleien wie Pilze<br />

aus dem Boden. „Um 1920 war Zehdenick<br />

das größte Ziegeleirevier Europas.“ Die<br />

Lage der Tonvorkommen gleich neben<br />

der Havel begünstigte die Entwicklung.<br />

Kohle kam per Schiff aus der Lausitz nach<br />

Zehdenick, die gebrannten Ziegel g<strong>in</strong>gen<br />

per Schiff nach Berl<strong>in</strong>. Mit den Ziegeln<br />

aus dem Havelland entstanden immer<br />

neue Wohnviertel <strong>in</strong> der Hauptstadt. „Die<br />

Projektmanager Uwe Seibt zeigt im R<strong>in</strong>gofen<br />

e<strong>in</strong>en „glühenden“ Ziegel.<br />

Wiege Berl<strong>in</strong>s stand hier“, betont Uwe<br />

Seibt. In der Blütezeit der Ziegelproduktion<br />

schufteten bis zu 6 000 Arbeiter<br />

<strong>in</strong> den Fabriken. Damals wurden <strong>in</strong> 63<br />

R<strong>in</strong>göfen gleichzeitig Ziegel gebrannt.<br />

Jeder lieferte Woche für<br />

Woche bis zu 360 000<br />

Ziegel.<br />

„Der R<strong>in</strong>gofen ist<br />

das eigentliche Herzstück<br />

e<strong>in</strong>er Ziegelei“,<br />

erklärt der Projektmanager.<br />

Der R<strong>in</strong>gofen<br />

ist e<strong>in</strong> ovales, doppelstöckiges<br />

Gebäude mit<br />

vielen E<strong>in</strong>gängen. Der<br />

untere Teil des Ofens ist<br />

e<strong>in</strong> tunnelartiger R<strong>in</strong>g,<br />

der dem Ofen se<strong>in</strong>en<br />

Namen gab. Dieser Tunnel<br />

wurde früher mit<br />

den aus Ton geformten<br />

Ziegeln vollgestapelt.<br />

Von der oberen Etage aus wurde der R<strong>in</strong>g<br />

dann mit Kohle befeuert. Dieses Feuer lief<br />

langsam durch den ganzen R<strong>in</strong>g. Dadurch<br />

entstanden im Tunnelr<strong>in</strong>g ganz unterschiedlichen<br />

Temperaturbereiche. Somit<br />

konnte der Ofen kont<strong>in</strong>uierlich genutzt<br />

werden. Waren die Ziegel gebrannt, wurden<br />

sie durch e<strong>in</strong>en der vielen Zugänge<br />

aus dem Tunnel gebracht und der Bereich<br />

anschließend wieder mit Rohl<strong>in</strong>gen<br />

befüllt. Die Arbeiter folgten dabei dem<br />

Feuerr<strong>in</strong>g. Wenn heute Besucher des Ziegeleiparks<br />

durch den R<strong>in</strong>gofen geführt<br />

werden, nehmen sie e<strong>in</strong>en besonderen<br />

Ziegel mit. „Der verändert se<strong>in</strong>e Farbe<br />

und zeigt so den Verlauf des Feuerr<strong>in</strong>gs<br />

im Ofen“, schildert Uwe Seibt.<br />

E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Arbeit und<br />

das Leben der Ziegler<br />

Die R<strong>in</strong>göfen s<strong>in</strong>d die größte Attraktion<br />

des Ziegeleiparks Mildenberg. Interessant<br />

s<strong>in</strong>d aber auch die Ausstellung über<br />

die Dampfmasch<strong>in</strong>en und die anderen<br />

Großgeräte <strong>in</strong> den alten Ziegeleien. Auch<br />

der Weg des Tons aus der Grube bis zum<br />

gebrannten Ziegel wird anschaulich<br />

erklärt. In der Feldbahnschau erfährt der<br />

Gast, wie die riesigen Materialmengen<br />

zwischen den Tongruben, den Fabriken<br />

und den Havelhäfen transportiert wurden.<br />

Der Park gewährt aber auch e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick<br />

<strong>in</strong> das Leben der Ziegler. Die kamen<br />

früher zumeist als Wanderarbeiter nach<br />

Zehdenick. Während der von April bis<br />

Oktober dauernden Saison lebten sie <strong>in</strong><br />

den Zieglerkasernen.<br />

E<strong>in</strong> Ausstellungsbereich beschäftigt<br />

sich mit der Ziegelproduktion <strong>in</strong> der<br />

DDR. „Die e<strong>in</strong>zelnen Ziegeleien wurden<br />

damals zum VEB Ziegelwerke Zehdenick<br />

zusammengeschlossen“, blickt Uwe<br />

Seibt zurück. 1300 Mitarbeiter waren zur<br />

Wendezeit noch <strong>in</strong> der Branche aktiv. Im<br />

Jahr 1991 aber erlosch das Feuer auch im<br />

letzten R<strong>in</strong>gofen. Der Markt war überschwemmt<br />

mit Baustoffen. Die Zeit der<br />

Ziegel aus Zehdenick war nach über hundertjähriger<br />

Produktion abgelaufen. Die<br />

Produktionsanlagen verfielen.<br />

Mehr als 40 000 Besucher pro Jahr<br />

1997 übernahm der Landkreis Oberhavel<br />

schließlich das Gelände und entwickelte<br />

es zum technischen Museum Ziegeleipark<br />

Mildenberg. Mehr als 40 000 Besucher<br />

schauen sich Jahr für Jahr die Ausstellungen<br />

an. Gäste werden aber auch mit<br />

besonderen Aktionen angelockt. So gibt<br />

es an jedem ersten Wochenende im Monat<br />

Handwerkertage. Auch das Märkische<br />

Dampfspektakel oder die Traktoren- und<br />

Oldtimerschau kommen gut an. „Selbst<br />

Hochzeiten f<strong>in</strong>den bei uns auf dem<br />

Gelände statt“, ergänzt Uwe Seibt. Viele<br />

Besucher fahren mit dem Auto nach<br />

Mildenberg. Schöner aber ist die Anreise<br />

per Rad. Mit dem Havelradweg und dem<br />

Fernradweg Berl<strong>in</strong> – Kopenhagen führen<br />

gleich zwei Routen direkt am Ziegeleipark<br />

vorbei. Uwe Seibt aber hat e<strong>in</strong>en anderen<br />

Liebl<strong>in</strong>gsweg. „Wer es besonders romantisch<br />

und naturnah mag, sollte per Boot<br />

auf der Havel zu uns kommen und <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em unserer Häfen anlegen.“<br />

❙❙Wilko Döll<br />

42<br />

forum – DAS BRANDENBURGER WIRTSCHAFTSMAGAZIN – 7-8/2013

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