Ausgabe 1011.pdf - Theater-Zytig
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ild: zvg<br />
Backstage ı Stückwahl<br />
Laienbühne Pratteln<br />
Kann ein Mann zwei Mütter haben?<br />
Travestie und die Macht der Presse!<br />
Kaskaden hübscher Einfälle. Die Ex wird<br />
aktiviert, aber da macht der Partner böse<br />
Miene zum guten Spiel (er kann doch<br />
zwei Mütter haben!!).<br />
Und das alles ohne Peinlichkeiten. Ernsthaftigkeit,<br />
wo sie ihren Platz hat und<br />
haben muss. Das Publikum weiss nicht,<br />
wohin mit der Sympathie. Vor allem im<br />
zweiten Teil. Die Tischszene zum Beispiel,<br />
wo Smalltalk at it’s best zelebriert wird.<br />
Mit leichter Hand und dem nötigen Tiefgang<br />
hat die Regie hier eine Mannschaft<br />
motiviert, die Freude, Engagement, Lust<br />
und Hingabe an dem grossen und stets<br />
neu faszinierenden Mythos <strong>Theater</strong> bot.<br />
Bis zum Schlussapplaus, der in einer<br />
überraschenden, wilden Tanznummer,<br />
in der Bürgertum und Variété sich vereint<br />
fanden, endete. Viele Vorhänge am<br />
Schluss und Rufe nach «Zugabe» entliessen<br />
alle zufrieden in die Sommernacht.<br />
Da wähne ich mich nach acht Minuten<br />
zu Fuss von der Tramstation Pratteln<br />
aus in einem wunderschönen, viele Jahrhunderte<br />
umkämpften Schloss, sitze in<br />
einem heimeligen Innenhof und befinde<br />
mich plötzlich in Las Vegas! Ein Bühnenbild<br />
in Pink, Blue Velvet, Schleifchen und<br />
Rüschchen, ein Hauch Verderbtheit und<br />
der süsse Duft von Puder und Schminke<br />
präsentieren sich vor mir. Auf der Bühne<br />
ein Spiegel, in dem das Publikum sich<br />
betrachten kann! Ein hübscher Einfall<br />
der Bühnenbildner, die mit Geschick<br />
und Geschmack gesegnet sind. Was<br />
bekommt man als Zuschauer ausser frivolen<br />
Gesangseinlagen und unrasierten<br />
Männerbeinen in Netzstrümpfen sonst<br />
noch mit? Beziehungsprobleme, die auch<br />
in der Tingeltangel-Landschaft mit Leidenschaft<br />
ausgetragen werden, so wie<br />
Lieschen Müller sich das eben vorstellt.<br />
Beim Auftritt Kassandras aber stellt<br />
sich die Frage, ob Männer nicht doch<br />
die besseren Frauen sind, die einfach<br />
wissen, was Männern und Frauen gefällt,<br />
denn die Beifallspfiffe kamen nicht nur<br />
aus der Herrenecke. Kann so was nur<br />
ein Mann? Ein Mann? Alle, die auftreten,<br />
alles Laien, tun dies mit einem starken<br />
Hauch von Professionalität. Bestimmt<br />
kein Wunder bei diesen Kostümen, empathisch,<br />
erotisch, verrucht – aifach heerlig<br />
– stürmen sie über die Bühne, verwöhnt<br />
von Musik und Lichteinstellungen, die ein<br />
besonderes «bravo!» verdienen. Zu dem<br />
ganzen Geplänkel der «Herren unter sich»<br />
kommt dann als Paukenschlag die Absicht<br />
des Sohnes, sich zu binden. Mit einer<br />
Frau! Oh! Und nun soll, wenn die Eltern<br />
der jungen Dame kommen, der wunderschöne<br />
Salon in eine biedere Mietwohnung<br />
umgewandelt werden. Da hagelt<br />
es Protest. Aber wie es so ist bei Hagel,<br />
mit der Zeit lässt er nach und man einigt<br />
sich. Warum muss Barbara sich in George<br />
verlieben? Ist der Richtige nicht der<br />
Falsche? Zwei Welten, aber EIN Chaos.<br />
Auch in der Familie von Barbara gibt es<br />
Probleme. Und das Familienoberhaupt<br />
sieht wegen des Fehltrittes eines Kollegen<br />
die eigenen Felle davonschwimmen.<br />
Wenn dann in der hitzigen Diskussion<br />
statt des Gipfelis die brennende Pfeife in<br />
die Kaffeetasse getaucht wird und damit<br />
stur und stoisch umgerührt wird, das ist<br />
– wie es dargestellt wurde – ein Kabinettstückchen<br />
à la Loriot.<br />
Die Dialoge in ihrem Irrwitz sind kurzweilig<br />
bis zum Abtanzen. Es gibt Szenenapplaus<br />
und Abgangsapplaus, kein Wunder,<br />
wird doch amüsant und präsent gespielt.<br />
Dirnenmilieu in der Bourgeoisie gegen<br />
Hans Stelzer<br />
Die Infos zum Stück<br />
Alles schreegi Vögel<br />
nach «La cage aux folles»<br />
Bearbeitung und Dialektfassung: Samuel<br />
Bally<br />
Regie: Samuel Bally<br />
1 Bühnenbild mit Verwandlungen und<br />
Umbau auf offener Szene, Darsteller:<br />
6D/8H , Kontakt: www. Laienbühne-pratteln.ch<br />
Kurzbeschrieb: «Kassandras Dream» ist<br />
ein Lokal der besonderen Art. Abend für<br />
Abend unterhalten die Schauspieler ihr<br />
Publikum mit ihrer Travestie-Show. Henry<br />
und sein reizender Partner Gerald (Künstlername<br />
Kassandra) betreiben das Etablissement<br />
seit bald 20 Jahren. Mit ihnen<br />
hatte bis vor kurzem auch Henrys Sohn<br />
George gelebt, der sich verliebt hat und<br />
nun Heiratspläne schmiedet. Seine Auserwählte<br />
ist Barbara, die Tochter des konservativen<br />
Politikers John Richmond und<br />
seiner Gattin Rose. Barbara gesteht ihren<br />
Eltern ihren Heiratswunsch, verschweigt<br />
aber wohlweislich die familiäre Situation<br />
ihres Geliebten. Stattdessen tischt sie<br />
ihren Eltern ein kleines Märchen auf. Ob<br />
das wohl gut geht …<br />
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<strong>Theater</strong>-<strong>Zytig</strong> 1011