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Ausgabe 1011.pdf - Theater-Zytig

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Spotlicht ı Schlussapplaus<br />

Der Vorhang<br />

Es weiss immer ein Esel<br />

einen anderen zu schätzen.<br />

Eine ältliche Dame bildete sich<br />

ein, Dramatikerin zu sein und<br />

bombardierte den Chef von<br />

Oberhausen, Intendant Christian<br />

Mettin, mit einer Reihe von<br />

schlechten Stücken. Endlich<br />

entschloss sich Mettin, der<br />

Dame die reine Wahrheit zu<br />

sagen. Sein Sekretär wandte<br />

dagegen ein, er möge ihr die<br />

Ablehnung zartfühlend mitteilen,<br />

die Dame wäre herzleidend.<br />

Intendant Mettin zog daraus die<br />

Konsequenzen. Er stellte ein<br />

herzstärkendes Mittel vor die<br />

Dame und sagte, als sie erstaunt<br />

auf das Fläschchen sah,<br />

beruhigend: «Nur für alle Fälle,<br />

gnädige Frau!»<br />

Frau Rat Goethe, die, wie ihre<br />

Briefe ausweisen, am <strong>Theater</strong><br />

lebhaften Anteil nahm, gab<br />

ihrem Freund Unzelmann folgenden<br />

Bericht über das Debüt<br />

einer Schauspielerin in einer<br />

Hosenrolle:<br />

«Das Plus ultra ist der Töffel in<br />

der Operette Töffel und<br />

Dorgen – denn in Hosen muss<br />

man sie sehen – kein Hintergestell!!!<br />

Keine Waden! Sie gleicht<br />

dem kranken Löwen in der<br />

Fabel, der war vom Kopf bis auf<br />

den Schwanz so mager wie der<br />

Papst im Basler Totentanz.»<br />

Johann Wolfgang Goethe<br />

Als Ernst Stern, der bevorzugte<br />

Bühnenbildner Max Reinhardts,<br />

zum <strong>Theater</strong> kam, war die<br />

Krinoline auf der Bühne verpönt,<br />

weil sie angeblich jede<br />

freie Bewegung der Trägerin<br />

unmöglich machte. Nun sollte<br />

Adele Sandrock als Antrittsrolle<br />

in Max Reinhardts Deutschem<br />

<strong>Theater</strong> die Prinzessin Eboli in<br />

Schillers «Don Carlos» in einer<br />

Velazqueskrinoline aus grünem<br />

Brokat spielen. Adele reagierte<br />

misstrauisch: «Herr Maler»,<br />

sagte sie zu Ernst Stern mit<br />

ihrem klangvollen Bass, «ich<br />

nehme an, dass Sie dieses<br />

Dingsda für die Prinzessin<br />

Eboli bestimmt haben? Ist Ihnen<br />

bekannt, Herr Maler, dass die<br />

Eboli nicht nur in höchster Erregung<br />

sich niederzuknien hat,<br />

sondern auch in Ohnmacht fällt?<br />

Mit diesem da bekleidet werde<br />

ich mich blamieren; mein Herr!<br />

Es würde, wenn ich am Boden<br />

liege, meine Beine zeigen und<br />

statt Teilnahme das Lachen der<br />

Zuschauer erregen!«<br />

Ernst Stern versuchte zu widersprechen.<br />

«Das, Herr Maler,<br />

muss man mir erst vormachen,<br />

ehe ich es glaube!» bemerkte<br />

die Sandrock. – Kurz entschlossen<br />

schlüpfte Stern aus seinem<br />

Jackett, schnallte sich die<br />

Krinoline um, kniete und legte<br />

sich hin.<br />

«Sie scheinen Ihr Geschäft<br />

gründlich zu verstehen, Herr<br />

Künstler!» sagte Adele und trug<br />

als Eboli die Krinoline.<br />

fällt fällt fällt fällt fällt fällt fällt fällt fällt fällt<br />

Regisseure brauchen häufig<br />

einen Sündenbock, auf den<br />

sich die Gewitter entladen,<br />

wenn etwas schief geht und<br />

kein anderer Schuldiger zur<br />

Verfügung steht. Bei der Wiener<br />

Neuinszenierung von Lessings<br />

«Emilia Galotti», die noch knapp<br />

vor dem totalen Kriegseinsatz<br />

und der Schliessung der <strong>Theater</strong><br />

im Zweiten Weltkrieg zur<br />

Aufführung gelangte, hatte der<br />

Regisseur den Darsteller des<br />

Malers Conti, Ernst Pröckl, zu<br />

seinem Sündenbock auserkoren<br />

und sein «Die Szene noch einmal,<br />

Herr Pröckl» war zu einer<br />

Art Probenrefrain geworden.<br />

Endlich kam die Premiere, für<br />

Pröckl das ersehnte Ende der<br />

Schikanen des Regisseurs.<br />

Pröckl hat seine Szene, kommt<br />

gut an und geht ab. Plötzlich<br />

heulen die Sirenen – Wien hat<br />

einen seiner ersten Fliegerangriffe.<br />

Nach der Entwarnung strömt<br />

das Publikum wieder in den<br />

Zuschauerraum, die Schauspieler<br />

gehen auf die Bühne und<br />

Pröckl erfährt, dass man sich<br />

nie zu früh freuen darf, denn am<br />

Bühneneingang empfängt ihn<br />

der Regisseur mit den Worten:<br />

«Die Szene noch einmal, Herr<br />

Pröckl!»<br />

Wie an allen anderen <strong>Theater</strong>n<br />

war es auch am Burgtheater<br />

unvermeidlich, dass Kortners<br />

konzessionslose Ironie den<br />

einen oder anderen Schauspieler<br />

verletzte. Direktor Häusserman<br />

fiel die Vermittlerrolle zu;<br />

aber Kortner, dem man unter<br />

anderem auch wegen seiner<br />

übergrossen Empfindlichkeit den<br />

Spitznamen «Mimoses» gegeben<br />

hatte, fasste die gutgemeinten<br />

Vorschläge Häussermans als<br />

Redeverbot auf.<br />

Die Auseinandersetzung fand<br />

vor Beginn einer Probe statt,<br />

und Kortner beendete sie unter<br />

Hinweis auf den Feuerwehrmann<br />

mit den Worten: «Darf ich wenigstens<br />

den Herrn vom Ringtheaterbrand<br />

bitten, die Bühne<br />

zu verlassen?«<br />

Das gütige Zureden Häussermans<br />

hatte dann doch insofern<br />

Erfolg, als Kortner zugab –<br />

eingesehen hatte er es schon<br />

lange – dass seine Art oft verletzend<br />

sei; doch achselzuckend<br />

setzte er hinzu: «Ich kann eben<br />

aus meiner Mördergrube kein<br />

Herz machen!»<br />

Der berühmte Regisseur der<br />

dreissiger Jahre, Piscator, unter<br />

dessen Intendanz die Berliner<br />

Volksbühne einen grossen<br />

Aufschwung nahm, war ein zierlicher<br />

und bescheidener Mensch<br />

und verstand es dennoch,<br />

den bullengewaltigen Heinrich<br />

George zu leiten und zu lenken.<br />

Als ihn ein Reporter fragte: «Wie<br />

bringen Sie es nur fertig, Herr<br />

Piscator, diesem herrischen und<br />

ungestümen Riesen Ihre Auffassung<br />

aufzuzwingen?«, erwiderte<br />

Piscator: «Ich bin ein höflicher<br />

Mensch, ich bitte ihn recht nett<br />

und liebenswürdig darum und<br />

dann gehts.»<br />

Der <strong>Theater</strong>diener überbrachte<br />

dem Berliner <strong>Theater</strong>intendanten<br />

Jürgen Fehling einen Brief.<br />

Während Fehling das Schreiben<br />

öffnete und überflog, sagte er<br />

wie entschuldigend zu seinem<br />

anwesenden Dramaturgen: «Ein<br />

Brief von meiner Mutter – natürlich<br />

zu lang. Müsste von da bis<br />

da gestrichen werden!«<br />

30<br />

<strong>Theater</strong>-<strong>Zytig</strong> 1011

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