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Contra emag Nr. 06/14

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Flughafen Berlin – Versagen als<br />

Lebensstil<br />

W<br />

as soll man<br />

von einer<br />

Stadt erwarten, die es<br />

zu ihren größten Errungenschaften<br />

zählt,<br />

dass die Kaschemmen<br />

die ganze Nacht geöffnet<br />

haben? Gut – in<br />

der billigen Gastronomie<br />

mag Berlin eine<br />

gewisse Rolle spielen,<br />

einen Flughafen sollte<br />

man dort aber nicht<br />

bauen.<br />

Von Florian Stumfall<br />

Die Hiobsbotschaften<br />

kommen so sicher wie ein<br />

Sommergewitter, ungewiss<br />

sind allenfalls die Abstände<br />

zwischen den einzelnen<br />

Meldungen.<br />

Jetzt ist es<br />

wieder einmal soweit:<br />

Wir legen<br />

noch eine gute<br />

Milliarde drauf,<br />

um aus Deutschlands<br />

teuerster<br />

Bauruine einen<br />

Flughafen zu machen.<br />

Die Steuerzahler<br />

haben ja Geduld,<br />

und der Augenblick, wo es<br />

billiger wäre, alles wieder<br />

abzureißen, ist noch nicht<br />

ganz erreicht. So erhöhen<br />

sich die Baukosten von ursprünglich<br />

geplanten 2,4<br />

Milliarden auf über fünf,<br />

vorerst. Und die ständige<br />

Verschiebung des Betriebs<br />

kostet monatlich 40 Millionen<br />

Euro.<br />

Um das ganze Ausmaß<br />

des Skandals um den Flughafen<br />

Berlin zu erfassen,<br />

muss man einen kurzen<br />

Blick zurückwerfen. Im<br />

September 20<strong>06</strong> beginnt<br />

der Bau, obwohl die Finanzierung<br />

noch nicht steht. In<br />

Berlin stört das niemanden,<br />

denn dort hat man sich daran<br />

gewöhnt, vom Geld anderer<br />

zu leben. Die Eröffnung<br />

ist für den 3. Juni<br />

2012 vorgesehen. Was zu<br />

diesem Termin nicht eröffnet<br />

wird, ist der Flughafen,<br />

auch nicht an drei weiteren<br />

Terminen. Inzwischen hat<br />

man davon abgesehen,<br />

neue zeitliche Zielvorgaben<br />

zu machen, kein Mensch<br />

hat einen Begriff davon, wie<br />

lange sich die Qual noch<br />

hinziehen wird.<br />

Das liegt natürlich in der<br />

Hauptsache an den technischen<br />

Pannen. Baufirmen,<br />

Prüfer und Flughafen-Mitarbeiter<br />

haben acht Monate<br />

gebraucht, um eine Mängelliste<br />

zu erstellen. Sie umfasste<br />

66.500 Positionen.<br />

Das war im September des<br />

vergangenen Jahres. Doch<br />

23<br />

die Liste wird immer länger<br />

und nicht kürzer, denn der<br />

Zeitdruck sorgt für Hektik<br />

und unkoordiniertes Arbeiten,<br />

zudem ist man von Anfang<br />

an von den Plänen abgewichen<br />

und hat nach Gutdünken<br />

gebaut, was den<br />

Verhau ständig vergrößert<br />

hat. Der aktuelle Umfang<br />

der Mängelliste beträgt nun<br />

150.000 Punkte. Ganze vier<br />

Prozent der Terminals sind<br />

ohne Befund.<br />

Soweit Technik und Finanzen<br />

im kürzesten Überblick.<br />

Wer sich davon völlig<br />

unbeeindruckt zeigt, ist die<br />

politische Führung des<br />

Stadtstaates Berlin. Zum<br />

zweiten Mal ist der Bürgermeister<br />

Wowereit<br />

Chef des Aufsichtsrates<br />

der Flughafengesellschaft,<br />

und er<br />

geniert sich auch<br />

nicht, den Posten<br />

weiter zu bekleiden,<br />

denn Schamgefühl<br />

ist uncool. Den Problemen<br />

begegnet er<br />

mit Unbekümmertheit<br />

und seine Verantwortung<br />

umgeht<br />

er mit einem Bonmot. Eben<br />

in derselben Weise, wie er<br />

die Stadt regiert, das mögen<br />

die Berliner. Ein privater<br />

Bauherr mit einer vergleichbaren<br />

Bilanz wäre<br />

längst vor den Schranken<br />

eines Gerichtes gelandet,<br />

wegen weit mehr als nur eines<br />

Anklagepunktes.

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