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Der Vertrag von Lissabon und das Grundgesetz - Dr. Peter Gauweiler

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Murswiek, Gutachten <strong>Vertrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Lissabon</strong> 32<br />

Außerdem hat Randelzhofer zutreffend gefolgert: Wenn schon die Verfassung im Kern<br />

gem. Art. 79 Abs. 3 GG dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen ist,<br />

dann erst recht die Existenz der Staatlichkeit der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland 54 .<br />

Diese Selbstverständlichkeit bringt auch Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG zum Ausdruck. Nach dieser<br />

Bestimmung sind Parteien, die darauf ausgehen, den Bestand der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig. Art. 21 Abs. 2 GG stellt somit die Wahrung<br />

des Bestandes der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland neben die Wahrung der in Art. 79 Abs. 3<br />

GG ausdrücklich einer Verfassungsänderung entzogenen freiheitlichen demokratischen<br />

Gr<strong>und</strong>ordnung. Das Verbot einer Partei wegen ihrer Zielsetzung läßt sich aber nur rechtfertigen,<br />

wenn <strong>das</strong> Ziel auf legalem Wege – auch mit verfassungsändernder Mehrheit – nicht<br />

angestrebt werden darf. Art. 21 Abs. 2 GG bestätigt somit, daß die Existenz der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland als unabhängiger Staat zum „absolut“ geschützten Verfassungskern<br />

des Gr<strong>und</strong>gesetzes gehört 55 .<br />

Zu Recht geht die staatsrechtliche Literatur deshalb ganz überwiegend da<strong>von</strong> aus, daß die<br />

Eingliederung der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland in einen europäischen B<strong>und</strong>esstaat die<br />

Grenzen überschreiten würde, die Art. 79 Abs. 3 GG der Integrationsgewalt des (verfassungsändernden)<br />

Gesetzgebers setzt <strong>und</strong> daß hierfür ein verfassunggebender Akt des Volkes<br />

in seiner Funktion als pouvoir constituant notwendig sei 56 .<br />

bb) Das Gr<strong>und</strong>gesetz als Verfassung eines souveränen Staates<br />

Das Gr<strong>und</strong>gesetz ist die Verfassung eines Staates, <strong>und</strong> zwar eines Staates im völkerrechtlichen<br />

Sinne. Ein solcher „souveräner“ Staat hat einen völlig anderen völkerrechtlichen <strong>und</strong><br />

staatsrechtlichen Status als ein Gliedstaat eines B<strong>und</strong>esstaates, also etwa ein B<strong>und</strong>esland<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. <strong>Der</strong> Beitritt der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland zu einem<br />

europäischen B<strong>und</strong>esstaat würde den Status der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland gr<strong>und</strong>legend<br />

ändern. Die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland verlöre ihre völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit.<br />

Aus einem selbständigen Staat würde ein Gliedstaat. Als Völkerrechtssubjekt ginge<br />

Deutschland unter. Durch Fusion mit anderen europäischen Staaten bzw. durch Verdichtung<br />

der zuvor lockereren Integration zu einem europäischen Zentralstaat ginge Deutschland<br />

in dem übergeordneten europäischen B<strong>und</strong>esstaat auf.<br />

Damit würde sich auch der verfassungsrechtliche Status des Gr<strong>und</strong>gesetzes gr<strong>und</strong>legend<br />

ändern, <strong>und</strong> zwar selbst dann, wenn der Inhalt des Gr<strong>und</strong>gesetzes wortwörtlich derselbe<br />

bliebe: Aus der Verfassung eines („souveränen“) Staates würde die Verfassung eines blo-<br />

54 Albrecht Randelzhofer, Stellungnahme, in: Gemeinsame Verfassungskommission, StenBer, 1. Öff.<br />

Anhörung „Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>und</strong> Europa“, 22.5.1992, S. 15.<br />

55 Vgl. Murswiek, <strong>Der</strong> Staat 32 (1993), S. 161 (163); Hillgruber, HStR II, 3. Aufl. 2004, § 32 Rn. 41; wohl<br />

auch Huber, in: Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Präambel Rn. 41.<br />

56 Vgl. z.B. neben der oben in Fn. 35 <strong>und</strong> 36 zitierten Lit. Christian Tomuschat, BK, Art. 24 Rdnr. 46;<br />

Klaus Stern, Stellungnahme, in: Gemeinsame Verfassungskommission, StenBer, 1. Öff. Anhörung<br />

„Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>und</strong> Europa“, 22.5.1992, S. 48, Anhang S. 9; Josef Isensee, Stellungnahme, ebd., S. 49 f.;<br />

Randelzhofer, Stellungnahme, ebd., S.15, 51, Anhang S. 3, 4; a.A. Tomuschat, ebd., S. 52, Anhang S. 8<br />

(entgegen seiner im BK vertretenen Auffassung).

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