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Der Vertrag von Lissabon und das Grundgesetz - Dr. Peter Gauweiler

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Murswiek, Gutachten <strong>Vertrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Lissabon</strong> 70<br />

stand, der nach Übergang zum Mehrheitsprinzip gegeben sein wird. Eine verfassungsgerichtliche<br />

Kontrolle der Zustimmung des deutschen Vertreters im Europäischen Rat zu<br />

einem Beschluß nach Art. 48 Abs. 7 EUV wird nicht mehr möglich sein, auch nicht eine<br />

verfassungsgerichtliche Kontrolle der Untätigkeit des B<strong>und</strong>estages oder des B<strong>und</strong>esrates<br />

(Nichteinlegung eines Vetos). Abgesehen <strong>von</strong> der Frage, ob rein praktisch eine (Eil-)Entscheidung<br />

des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts vor dem Beschluß des Europäischen Rates zu<br />

erlangen sein wird (nach dem Beschluß käme eine Entscheidung des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />

zu spät, weil <strong>das</strong> dann geltende europäische Recht für die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland – mit Vorrang vor dem Gr<strong>und</strong>gesetz – verbindlich wäre) <strong>und</strong> wie man sich ein<br />

– rechtzeitiges – Untätigkeitsverfahren gegen den B<strong>und</strong>estag oder den B<strong>und</strong>esrat überhaupt<br />

vorstellen könnte, handelt der deutsche Vertreter im Europäischen Rat im Rahmen einer<br />

Ermächtigung, die bereits jetzt erteilt wurde. Dies wird gerade auch darin deutlich, daß<br />

B<strong>und</strong>estag <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esrat nicht nochmals ihre Zustimmung geben müssen, sondern es lediglich<br />

in der Hand haben, den Vollzug der bereits mit dem <strong>Vertrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Lissabon</strong> erteilten<br />

Ermächtigung zu blockieren. Somit ist es ausgeschlossen, daß die Beteiligung des deutschen<br />

Vertreters im Europäischen Rat gegen <strong>das</strong> Gr<strong>und</strong>gesetz verstößt, wenn nicht bereits<br />

der <strong>Vertrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Lissabon</strong> mit dem Gr<strong>und</strong>gesetz unvereinbar ist. Wenn aber <strong>das</strong> B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

den <strong>Vertrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Lissabon</strong> mit seinem Art. 48 Abs. 7 EUV jetzt für verfassungsrechtlich<br />

unbedenklich erklärt, ist eine spätere Korrektur nicht mehr möglich. Sie<br />

liefe darauf hinaus, einen <strong>Vertrag</strong>, der für die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland in Kraft getreten<br />

ist, am Maßstab des Gr<strong>und</strong>gesetzes zu messen. Dies ist im Europarecht wegen des Vorrangs<br />

des europäischen Rechts (dazu oben • S. 62) nicht möglich, zumal es hier auch<br />

nicht um einen „ausbrechenden Rechtsakt“ ginge.<br />

Folglich ist bei der Prüfung des Zustimmungsgesetzes zum <strong>Vertrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Lissabon</strong> da<strong>von</strong><br />

auszugehen, daß <strong>von</strong> der Ermächtigung des Art. 48 Abs. 7 EUV zum Übergang zu Mehrheitsentscheidungen<br />

im größtmöglichen Umfang Gebrauch gemacht wird.<br />

Ein solcher umfassender, flächendeckender Übergang zum Mehrheitsprinzip im Rat führt<br />

zu einer noch viel größeren Souveränitätseinbuße der Mitgliedstaaten als sie die Staaten<br />

schon ohne Anwendung dieser Vorschrift hinnehmen. Zugleich steigert die Europäische<br />

Union damit ihre Staatlichkeit in demselben Umfang, in dem sie bei den Mitgliedstaaten<br />

verloren geht.<br />

(4) Außenvertretungskompetenz <strong>und</strong> Außenpolitik<br />

Weitere wesentliche Staatlichkeitselemente sind die eigenständige Außenvertretung der<br />

Europäischen Union auf völkerrechtlicher Ebene sowie die Zuständigkeit für die Außenpolitik.<br />

(4.1) Hoher Vertreter, Auswärtiger Dienst <strong>und</strong> Vertretungen bei <strong>Dr</strong>ittländern als quasistaatliche<br />

Organisationsstrukturen der Außenpolitik<br />

Durch den <strong>Vertrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Lissabon</strong> erhält die Europäische Union einen Außenminister. Er<br />

wird nur nicht mehr so genannt (wie noch im Entwurf des Verfassungsvertrages), sondern<br />

heißt jetzt „Hoher Vertreter für Außen- <strong>und</strong> Sicherheitspolitik“ (Art. 27 EUV). Er vertritt

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