2010-03 | Herbst: TOP Magazin Dortmund
Die Themen dieser Ausgabe: • 100 JAHRE PARFÜMERIE DOUGLAS – DAS GESCHÄFT MIT DER SCHÖNHEIT • C.T.C. – ARD UND SKY ZU GAST IM INCONTRO • ENDSPURT PHOENIX – DER HUNGER NACH WASSER
Die Themen dieser Ausgabe:
• 100 JAHRE PARFÜMERIE DOUGLAS – DAS GESCHÄFT MIT DER SCHÖNHEIT
• C.T.C. – ARD UND SKY ZU GAST IM INCONTRO
• ENDSPURT PHOENIX – DER HUNGER NACH WASSER
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Wirtschaft<br />
Neben der legalen Erwerbstätigkeit der<br />
Sex Worker und Clubbetreiber steht aber<br />
vor allem der Straßenstrich im Hauptfokus<br />
des öffentlichen Interesses. „Der<br />
Straßenstrich ist ein trauriges Kapitel“,<br />
unterstreicht Zohren. Nach der Grenzöffnung<br />
zu Osteuropa ist der Zuwachs<br />
der Frauen aus Bulgarien und Rumänien<br />
enorm – was vor einigen Jahren auch mit<br />
Frauen aus Polen zu beobachten war.<br />
Doch viele tun dieses unfreiwillig, aus<br />
der Not heraus oder sind gar Opfer von<br />
Menschenhandel. Dazu kommen die<br />
vermehrten Zuhälter aus gleichnamigen<br />
Staaten, die entgegen alter Traditionen<br />
nicht mehr die Schutzfunktion für die<br />
Frauen ausüben – eher im Gegenteil. Oft<br />
werden sie mit Drogen oder Alkohol zur<br />
Arbeit gezwungen und schämen sich<br />
selbst dafür. Doch das ist ein teuflischer<br />
Kreislauf, dem nur die wenigsten entkommen.<br />
„Ab 10 Euro ist alles möglich“ ist<br />
dort die traurige Realität.<br />
Offenes Haus<br />
Ganz anders im Club Escort, der als bordellartiger<br />
Betrieb mit Gastronomie geführt<br />
wird und vor 2005 ein reiner Club<br />
war. Geschäftsführerin ist Elfi Schmitthardt.<br />
Seit 30 Jahren ist sie in der Branche<br />
und so etwas wie der Aktivposten<br />
in der Kommunikation mit Verwaltung,<br />
Polizei und Politik. Nicht zuletzt stellt<br />
sie auch immer wieder den Club für die<br />
legendären „Puff Partys“, Lesungen oder<br />
Modeschauen bereit. Also alles andere<br />
als der klischeehaft negativ besetzte<br />
Puff. Sieben Tage in der Woche kommen<br />
hier Männer rein, die auf dem Straßenstrich,<br />
in Hotels oder Clubs Frauen für<br />
ihre Dienstleitung bezahlen wollen und<br />
eben nicht in verschmutzen Verrichtungsboxen<br />
Sex haben wollen.<br />
Sexsteuer umstritten<br />
Sie zahlen für 30 Minuten in den wunderschönen<br />
neun Zimmern 15 Euro.<br />
„Es kommen aber auch oft Paare zu<br />
uns, die sich auf Partys kennen gelernt<br />
haben oder einfach nur das Besondere<br />
suchen“ sagt Elfi nachdrücklich. „Es ist<br />
ein offenes Haus, wo Frau und Mann jeder<br />
Zeit hingehen kann und die Bar im<br />
Erdgeschoss wird auch immer wieder für<br />
das Feierabendbier oder ein Glas Wein<br />
genutzt – ohne die Zimmer in Gebrauch<br />
zu nehmen.“ Man kann den Barbereich<br />
in der zweiten Etage sogar für private<br />
Events anmieten.<br />
Eines verbindet die Mitternachtsmission<br />
und den Escort mehr als es den Protagonisten<br />
lieb ist: die neue Sex-Steuer. Sie<br />
wurde nach dem Kölner Vorbild angedacht<br />
und besagt, dass die Sex Worker<br />
pro Tag 6 Euro zu entrichten haben, die<br />
Clubs mit so genannter Anbahnungsfläche<br />
hingegen pro angefangene 10 qm<br />
jeweils 4 Euro. Doch da kommen schon<br />
die ersten Fragen auf: Was ist bei Anbahnungen<br />
in Diskotheken, Bars oder Hotels?<br />
Was ist mit den Problembereichen<br />
in der Nordstadt? Muss der Escort Bettensteuer<br />
entrichten oder die Sexsteuer<br />
bzw. wird ihm dann die Mehrwertsteuer<br />
auf sieben Prozent gesenkt?<br />
„Wir lehnen die Sexsteuer ab“ unterstreicht<br />
Gisela Zohren von der Mitternachtsmission<br />
deutlich. „Sie ist rechtswidrig,<br />
weil sie gegen das Prostitutionsgesetz<br />
verstößt.“ Zumal als Vergnügungsteuer<br />
kommuniziert wird und man für<br />
eine legale Erwerbstätigkeit schwerlich<br />
eine Steuer entrichten kann.<br />
Nicht alles Gold was glänzt<br />
Elfi Schmitthardt geht dabei noch ein<br />
wenig weiter – ungeachtet der Frage,<br />
ob bzw. was in der Branche denn nun<br />
Vergnügen ist. „Der Staat als Zuhälter“<br />
ist die provokante aber nicht ganz falsche<br />
Aussage hierbei. Mal abgesehen<br />
davon, dass der Verwaltungsaufwand<br />
die angepeilten 700.000 Euro Mehreinnahmen<br />
wahrscheinlich übersteigt und<br />
so recht keiner weiß, wohin die Steuer<br />
fließt – oder sie verpufft einfach.<br />
Das Grundgesetz sieht ergänzend noch<br />
das Problem der „Erdrosselnden Wirkung“,<br />
d.h. wenn eine eingeführte Abgabe<br />
dazu führt, dass der Steuerpflichtige<br />
nicht mehr in der Lage ist, sein Gewerbe<br />
auszuführen“. Jetzt werden viele sagen,<br />
dass die Bordellbetreiber ja ohne Ende<br />
Geld verdienen, doch hier muss man mit<br />
einem Klischee brechen – denn dicke Autos<br />
sind zumeist geleast und es ist nicht<br />
alles Gold was am Halse glänzt.<br />
Das Sexgewerbe in diesem beispielhaften<br />
Segment ist eine betriebswirtschaftliche<br />
Einheit, die legal ist und wie jeder andere<br />
Betrieb Steuern zu zahlen hat – es<br />
muss halt nur gerecht bemessen werden<br />
und nicht aus politischen Gründen neue<br />
Baustellen geschaffen werden, die letztendlich<br />
unnötige Spannungen auf beiden<br />
Seiten mit sich bringen.<br />
Jeder wird weiterhin seine ganz eigene<br />
Meinung zum ältesten Gewerbe der Welt<br />
haben, man muss sich nur mal die Mühe<br />
machen, alle Seiten zu beleuchten und<br />
vorurteilsfrei Fragen zulassen und Antworten<br />
nicht vorzugeben.<br />
Text: Didi Stahlschmidt<br />
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