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KURZGESCHICHTE<br />
Ich blickte in meine Gedanken versunken einem<br />
langsam <strong>und</strong> behäbig im sonnenglitzernden Wasser<br />
der Elbmündung zustrebenden Containerschiff hinterher.<br />
Eigentlich sollte ich voller Vorfreude sein.<br />
Schon morgen würde ich auch an Bord eines Schiffes<br />
stehen <strong>und</strong> den Strandweg in Blankenese aus einer<br />
ganz anderen Perspektive sehen. Diese Kreuzfahrt<br />
hatte ich noch gemeinsam mit Bertold von langer<br />
Hand geplant. Eine ganz besondere sollte es werden.<br />
Unseren dreißigsten Hochzeitstag wollten wir ganz<br />
stilvoll feiern. Für eine traumhaft schöne Suite hatten<br />
wir uns vormerken lassen. Und dann hatte Bertold<br />
diesen Herzinfarkt erlitten, den er nicht überlebte.<br />
Zunächst hatte ich einfach vergessen,<br />
die Reise zu stornieren … <strong>und</strong><br />
später gedacht: Vielleicht tut es dir<br />
ja gut! Aber das Gefühl hatte ich im<br />
Augenblick ganz <strong>und</strong> gar nicht.<br />
Noch immer hatte ich die Worte unserer<br />
Tochter Jenny im Ohr: „Du<br />
machst was? Eine Weltreise … das kann nicht dein<br />
Ernst sein! Hast du dabei auch mal an Tobi gedacht?<br />
Weißt du, wie schwierig es ist, eine gute Tagesmutter<br />
zu finden?“ Das war also ihre einzige Sorge. Kein Gedanke<br />
an mein Wohlergehen, dass diese Reise in meiner<br />
Trauer hilfreich für mich sein könnte. So viel Egoismus<br />
hatte mich traurig <strong>und</strong> die ohnehin verhaltene<br />
Freude auf diese Reise endgültig zunichte <strong>gemacht</strong>.<br />
Zwar waren meine Koffer gepackt, aber …<br />
Eine Stimme mit nordischem Akzent störte mich in<br />
meinem Trübsinn. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass<br />
ein Spaziergänger sich näherte. „Darf ich mich auch<br />
auf diese Bank setzen?“ Ich nickte nur meine Zustimmung.<br />
Nach Konversation war mir nicht zumute. Ich<br />
wollte einfach nur weiter meinen Gedanken nachhängen.<br />
Tobi, mein zehnjähriger Enkel, mit dem<br />
Jenny seit ihrer Scheidung von Ulf wieder in ihrem<br />
Elternhaus eingezogen war, hatte für sein Alter unglaublich<br />
verständig reagiert. „Omama, wenn ich dich<br />
zu doll vermisse, rufe ich dich einfach an!“, hatte er<br />
schlicht gesagt <strong>und</strong> noch mit leiser Unsicherheit hinzugefügt:<br />
„Macht das was, wenn das oft ist?“<br />
Bei Antonia – dem schon seit vielen Jahren ,guten<br />
Geist‘ unseres Hauses – wusste ich Tobi gut aufgehoben.<br />
Sie liebte ihn wie ihr eigenes Kind … <strong>und</strong> er sie.<br />
Seine eigene Mutter fand ja nur wenig Zeit für ihn.<br />
Ihre Bemühungen um ihre Karriere hatten immer im<br />
Vordergr<strong>und</strong> gestanden <strong>und</strong> letztendlich auch das<br />
Scheitern der Ehe herbeigeführt. Ulf hatte irgendwann<br />
so einfach nicht mehr mit ihr leben können,<br />
was ich gut nachvollziehen konnte. Unsere Beziehung<br />
war noch immer sehr eng, was meine Tochter<br />
natürlich weniger gut fand.<br />
Eine Bewegung neben mir rief mir in Erinnerung, dass<br />
ich nicht mehr alleine auf dieser Bank saß. Unhöflich<br />
wollte ich ja nun auch nicht sein … <strong>und</strong> warf meinem<br />
Nachbarn einen leichten Seitenblick zu. Er schien nur<br />
darauf gewartet zu haben.<br />
„Das ist ein sehr schöner Platz hier.“ Er lächelte <strong>und</strong><br />
seine Augen blickten mich mit fre<strong>und</strong>licher Aufmerksamkeit<br />
an. „Sind Sie oft hier?“<br />
„Ja. Mein Lieblingsplatz.“<br />
„Oh, habe ich Ihnen den jetzt streitig <strong>gemacht</strong>?<br />
Ich möchte Sie nicht stören.“<br />
Ich weiß nicht, was es war: seine natürliche, offene<br />
Art, sein Akzent, seine athletische Erscheinung, die<br />
gut zu ihm passte <strong>und</strong> die er mit einer sportlicheleganten<br />
Kleidung unterstrich. Jedenfalls fiel ganz<br />
plötzlich meine trübe Stimmung von mir ab.<br />
„Das tun Sie nicht. Im Gegenteil.“<br />
„Das ist schön.“<br />
„Sind Sie zu Besuch in Hamburg?“<br />
Von<br />
Marita Marie Loosli<br />
142 <strong>Ratgeber</strong> 8/2014<br />
8/2014<br />
<strong>Ratgeber</strong><br />
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