Wer soll das bezahlen? - SÃDWIND-Institut
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3. Die Nahrungsmittelkrise<br />
3. Die Nahrungsmittelkrise<br />
Allein der fortschreitende Klimawandel wird<br />
die Produktion von Nahrungsmitteln in vielen<br />
Regionen der Welt stark beeinflussen. In<br />
unserem gegenwärtigen Weltwirtschaftssystem<br />
ist dies aber nur ein Faktor, der die Ernährungssicherheit<br />
gerade in den ärmsten Regionen zunehmend<br />
verschlechtern oder zusätzlich in Gefahr<br />
bringen könnte. Die Nahrungsmittelkrise in<br />
den Jahren 2007 bis 2008 hat deutlich gemacht,<br />
wie auch andere Faktoren, wie beispielsweise<br />
Spekulationen auf Nahrungsmittel oder der<br />
neue Boom für alternative Energien in Form sogenannter<br />
Agrospritpflanzen die ohnehin fragile<br />
Ernährungssituation entscheidend beeinflussen<br />
können: Die Preise sind in astronomische Höhen<br />
gestiegen und im Zuge der Krise wurde erstmals<br />
die traurige Höchstmarke von einer Milliarden<br />
Menschen erreicht, die an Hunger leiden. Das ist<br />
über 100 Mio. mehr als im Jahr zuvor und entspricht<br />
einem Sechstel der gesamten Menschheit.<br />
43 Die bescheidenen Erfolge, die im Bereich<br />
der Armutsbekämpfung bis zum Jahr 2005 erreicht<br />
werden konnten, wurden durch den Preisboom<br />
in den Jahren zwischen 2006 und 2008<br />
teilweise zunichte gemacht. Damit ist <strong>das</strong> Teilziel<br />
der MDG, die Zahl der Hungernden bis 2015 auf<br />
die Hälfte zu verringern, kaum noch realisierbar.<br />
44<br />
3.1 Ursachen und Verlauf<br />
Seit dem Jahr 2002 ist ein stetiger und seit Ende<br />
des Jahres 2006 ein dramatischer Anstieg<br />
bei den Nahrungsmittelpreisen zu beobachten.<br />
Nach Angaben der Weltbank sind die Nahrungsmittelpreise<br />
zwischen Januar 2002 und Juni<br />
2008 um 130 % und zwischen Januar 2007 und<br />
Juni 2008 um durchschnittlich 56 % gestiegen.<br />
Besonders betroffen waren die Preise für Getreide<br />
und Ölsaaten. So verdreifachten sich die<br />
Maispreise zwischen Januar 2005 und der Hochphase<br />
Mitte 2008, Gleiches gilt für den Preis für<br />
Weizen. Der Reispreis vervierfachte sich sogar<br />
fast. 45 Diesem Preisanstieg war eine Phase relativ<br />
niedriger Nahrungsmittelpreise vorangegangen,<br />
die schon in den 1980er Jahren eingesetzt hatte.<br />
Die Kosten für Nahrungsmittel waren in 30 Jahren<br />
um rund die Hälfte gesunken. 46 Gleichzeitig<br />
hatten der technologische Fortschritt in einigen<br />
wenigen Ländern, gekoppelt mit hohen Subventionen<br />
in vielen Industrienationen die Produktion<br />
auf wenige Länder konzentriert, während<br />
die Subventionen in den Industrieländern eine<br />
an sich preisgünstigere Produktion in den ärmeren<br />
Ländern vielfach unrentabel machten. Nach<br />
Ausbruch der Finanzmarktkrise sind die Preise<br />
für die meisten Agrarprodukte zunächst deutlich<br />
gefallen. Dennoch liegen sie noch immer über<br />
ihrem Niveau von 2007 und gemessen an einem<br />
längerfristigen Trend auch deutlich über dem<br />
Niveau der vorangegangenen Jahre. Seit dem<br />
Jahr 2009 ist zudem ein erneuter Anstieg zu verzeichnen.<br />
Zwar konnten einige Länder, wie z.B. die<br />
Schwellenländer Brasilien oder Argentinien von<br />
den Preisanstiegen profi tieren, da sie deutlich<br />
mehr Nahrungsmittel exportieren als importieren.<br />
Doch gerade die ärmeren Entwicklungsländer,<br />
sind zu einem großen Teil Nettoimporteure<br />
von Lebensmitteln, d.h. sie importieren mehr als<br />
sie exportieren. Die Preissteigerungen hatten<br />
somit massive Auswirkungen auf die Menschen<br />
und deren Lebensalltag gerade in diesen Ländern.<br />
Arme Menschen geben oft mehr als 50 %<br />
ihres Einkommens für Nahrung aus, manchmal<br />
sogar bis zu 80 %, im Vergleich zu lediglich 10–<br />
20 % in den Industrienationen. Preissteigerungen<br />
bei Grundnahrungsmitteln schlagen daher<br />
bei den Ärmsten sehr viel stärker zu Buche als<br />
bei Empfängern von höheren Einkommen. Dabei<br />
sind insbesondere die städtischen Armen von<br />
Nahrungsmittelimporten abhängig. Aber selbst<br />
auf dem Land kaufen viele arme Menschen<br />
mehr Nahrungsmittel ein, als sie verkaufen. 47<br />
43 Vgl. WBGU (2008).<br />
44 Vgl. Welthungerhilfe (2010).<br />
45 Vgl. Weltbank (2008a).<br />
46 FAO (2009b).<br />
47 FAO (2009b).<br />
© SÜDWIND 2010 • Klimakrise. Nahrungsmittelkrise. Finanzmarktkrise.<br />
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