Wer soll das bezahlen? - SÃDWIND-Institut
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4. Die Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
Exporte an Gütern und Dienstleistungen aus<br />
diesen Ländern gingen im Jahr 2009 um 16 %<br />
zurück. 85 Das liegt vor allem an der gesunkenen<br />
Nachfrage in den industrialisierten Ländern, wohin<br />
die meisten Exporte gehen. Selbst wenn die<br />
Prognosen auch für diese Ländergruppe wieder<br />
einen Aufwärtstrend aufweisen, bedeutet dies<br />
dennoch, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Vorkrisenniveau noch nicht<br />
erreicht ist. Verglichen mit den Prognosen, die<br />
vor Ausbruch der Krise gemacht wurden, sind<br />
die Verluste dramatisch (vgl. Abbildung 7).<br />
Besonders betroffen vom Nachfragerückgang<br />
waren solche Produkte, deren Gebrauch<br />
nicht überlebensnotwendig ist, also z.B. Kleider,<br />
Elektronik oder Spielsachen. Viele Entwicklungsländer<br />
hatten sich durch die niedrigeren Lohnkosten<br />
in diesen Sektoren eine verarbeitende<br />
Industrie aufgebaut. Dadurch konnten zwar<br />
tatsächlich in den vergangenen Jahren Impulse<br />
für wirtschaftliches Wachstum gesetzt werden.<br />
Gleichzeitig ist aber auch die Abhängigkeit von<br />
den Exporteinnahmen gestiegen, ohne <strong>das</strong>s ausreichend<br />
Impulse auch für die weiterverarbeitende<br />
Industrie im Inland und die Stärkung der<br />
Binnennachfrage gesetzt wurden. Die Schaffung<br />
von Arbeitsplätzen unter meist menschenunwürdigen<br />
Bedingungen, 86 die ausschließlich von<br />
der Nachfrage aus dem Ausland abhängen, ist<br />
somit Hauptbestandteil dieses Entwicklungsmotors.<br />
Eben solche Arbeitsplätze, die vielfach von<br />
Frauen besetzt sind, fi elen nun reihenweise der<br />
Krise zum Opfer oder Arbeitsbedingungen verschlechterten<br />
sich weiter (vgl. Kasten). Bis zum<br />
Frühjahr 2009 mussten beispielsweise in China<br />
670.000 kleinere und mittlere Unternehmen<br />
schließen, wodurch etwa 25 Mio. Menschen<br />
ihren Arbeitsplatz verloren. In Mexiko stieg bis<br />
Mitte des Jahres 2009 die Zahl der Arbeitslosen<br />
von 4 Mio. auf 6 Mio. Auch Diamantenschleifer<br />
in Indien, sowie Textilarbeiterinnen in Vietnam<br />
und Kambodscha verloren reihenweise ihre Arbeitsplätze.<br />
87<br />
Gleichzeitig geraten die Exporteinnahmen<br />
seitens der drastisch eingebrochenen Preise unter<br />
Druck. Abbildung 8 zeigt, <strong>das</strong>s die Preise<br />
für Energie und Industrierohstoffe unmittelbar<br />
85 Vgl. IWF (2009b). In dieser Schätzung aus dem Herbst 2009<br />
ging der IWF noch von einem weltweiten Rückgang des Handels<br />
von 12 % aus.<br />
86 Vgl. Wick (2009).<br />
Beispiel Bangladesch:<br />
Auswirkungen der Finanzkrise<br />
Die wirtschaftlichen und sozialen Erfolge,<br />
die Bangladesch in den Jahren vor der Krise<br />
erzielt hatte, waren schon durch die Nahrungsmittelkrise<br />
ernsthaft in Gefahr geraten.<br />
In diese prekäre Situation der Nahrungsunsicherheit<br />
setzte nun die Finanzmarktkrise ein.<br />
Das wichtigste Exportprodukt, billige Textilwaren,<br />
macht rund 80 % der Exporte aus. Etwa<br />
die Hälfte davon geht in die EU, ein Viertel in<br />
die USA. Aber auch Krabben, Jute und Tee<br />
machen einen erheblichen Teil bei den Exporten<br />
aus. Nach der Rezession in den beiden<br />
Hauptabnahmeregionen für Bangladeschs<br />
Waren, gingen die Exportmengen in der zweiten<br />
Jahreshälfte 2008 erstmals seit Jahren<br />
wieder zurück. Vor allem der Export von Fisch<br />
und Jute ging deutlich zurück, im Januar 2009<br />
sogar um 20 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.<br />
Demgegenüber konnte Bangladesch, <strong>das</strong><br />
sich auf die Produktion extrem billiger Textilwaren<br />
spezialisiert hat, ab einem bestimmten<br />
Zeitpunkt sogar zusätzliche Näherinnen<br />
einstellen, weil sich die Nachfrage von höherwertigen<br />
Produkten zu besonders billiger<br />
Kleidung verschob. Hierbei war allerdings<br />
zu beobachten, <strong>das</strong>s sich die ohnehin schon<br />
dramatischen Arbeitsbedingungen zusätzlich<br />
verschlechterten. Solche Arbeitsplätze entstanden<br />
oft am untersten Ende der Lohnkette<br />
abseits des regulären Arbeitsmarktes im informellen<br />
Bereich, wohingegen im formellen<br />
Arbeitsmarkt Arbeitsplätze wegfi elen. Dies ist<br />
sowohl dem Druck der Einkäufer geschuldet,<br />
die niedrigere Preise zahlen, aber natürlich<br />
auch der zunehmenden Angst der Näherinnen<br />
selbst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren<br />
oder der Not, jede noch so schlecht bezahlte<br />
Arbeit anzunehmen.<br />
Diese Entwicklungen trafen <strong>das</strong> Land zu einem<br />
Zeitpunkt, als es gerade mit den Auswirkungen<br />
des Tropensturms Sidr (November<br />
2007) und der Nahrungsmittelkrise 2008 fertig<br />
werden musste.<br />
Quelle: FAO / WFP 2009, Schneeweiß (2010)<br />
87 Verschiedene Quellen, zitiert nach Schneeweiß (2010).<br />
© SÜDWIND 2010 • Klimakrise. Nahrungsmittelkrise. Finanzmarktkrise.<br />
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