Wer soll das bezahlen? - SÃDWIND-Institut
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3. Die Nahrungsmittelkrise<br />
Verbrennen nur so viel CO 2 frei gegeben, wie<br />
die Pflanze während ihres Wachstums gebunden<br />
hat. Für eine korrekte CO 2 -Bilanz muss aber der<br />
CO 2 -Ausstoß der gesamten Verarbeitungskette<br />
einberechnet werden. Düngemitteleinsatz während<br />
des Anbaus, Emissionen durch Ernte, Verarbeitung<br />
und den Transport schwächen diese<br />
Bilanz erheblich. Schließlich hängt der Beitrag<br />
zum Klimaschutz auch von der Ausgangspflanze<br />
der Energiegewinnung ab: So ist Zuckerrohr sehr<br />
viel effi zienter für die Gewinnung von Ethanol als<br />
Mais. <strong>Wer</strong>den für den Anbau von Energiepflanzen<br />
gar Waldbestände gerodet oder Feuchtgebiete<br />
trocken gelegt, um neue Anbauflächen zu<br />
schaffen, wird sogar deutlich mehr CO 2 freigesetzt,<br />
als über die Nutzung von Agrotreibstoffen<br />
über Jahrzehnte eingespart werden kann. Die<br />
CO 2 -Bilanz ist dann über viele Jahrzehnte oder<br />
gar Jahrhunderte negativ. 57<br />
Trotz solcher Gefahren steht der Arosprit auch<br />
weiterhin auf der politischen Agenda. Derzeit<br />
spielt er mit 2,2 % der globalen Bioenergie jedoch<br />
nur eine kleine Rolle. 58 Es ist davon auszugehen,<br />
<strong>das</strong>s <strong>das</strong> nicht zwingend so bleibt, denn<br />
der Wunsch nach unabhängiger Energieversorgung<br />
im Bereich der Treibstoffe hat bereits<br />
Anreize gesetzt, die diesen Boom verstärken<br />
werden: In der Europäischen Union <strong>soll</strong> beispielsweise<br />
der Anteil von Biosprit am gesamten<br />
Kraftstoffverbrauch bis 2010 auf 5,75 % steigen.<br />
Neben der Gefahr der weiteren Rodung von Regenwald<br />
ist auch eine Konsequenz, <strong>das</strong>s Nahrungsmittelpflanzen<br />
vermehrt für die Produktion<br />
von Agrosprit verwendet werden, statt für die<br />
Ernährung der Weltbevölkerung. Anbauflächen<br />
werden dann für Energiepflanzen genutzt, statt<br />
für den Anbau von Nahrungsmitteln. In den USA<br />
beispielsweise wird bereits rund ein Drittel der<br />
57 Wenn Regenwald für die Gewinnung von Palmöl gerodet wird,<br />
hat die Verbrennung von Biodiesel aus Palmöl erst nach 86<br />
Jahren positive Auswirkungen auf die CO 2 -Bilanz. Wenn unter<br />
diesem Regenwald Torf war, dauert es sogar mehr als 400<br />
Jahre. Über 300 Jahre dauert es, bis die Öko-Bilanz positiv ist,<br />
wenn in Brasilien Regenwald für den Anbau von Soja zur Spritgewinnung<br />
gerodet wird. Vgl. CIFOR (2009).<br />
58 Der größte Teil (86 %) entfällt auf die Nutzung traditioneller<br />
Bioenergie, also etwa die Verwendung von Holz zum Kochen.<br />
Der Rest ist moderne Bioenergie jenseits von Treibstoffen, z.B.<br />
die Verwendung von Bioabfällen zur Stromerzeugung durch<br />
Biogasanlagen.<br />
59 Vgl. FAO (2009b), IFPRI (2008).<br />
60 Vgl. WBGU (2008).<br />
61 Zu den Folgen des Agrospritbooms auf die Lebenssituation der<br />
Ärmsten vgl. Oxfam (2007), Gaia Foundation at. al (2008).<br />
Maisproduktion in Ethanol umgewandelt (verglichen<br />
mit nur 5 % vor zehn Jahren) und rund<br />
die Hälfte des Pflanzenöls in der EU wird zu Biodiesel<br />
verarbeitet. 59 Dass ein solcher Nachfrageboom<br />
die Preise in die Höhe treibt, zeigt nicht<br />
zuletzt auch die sogenannte Tortilla-Krise in Mexiko<br />
(vgl. Kasten). Wie hoch der Einfluss dieses<br />
Booms allgemein ist, wird indes von den verschiedenen<br />
Seiten sehr unterschiedlich bewertet.<br />
Die beiden Extreme werden durch eine Studie<br />
der Weltbank dargestellt, die davon ausgeht,<br />
<strong>das</strong>s die Produktion von Agrokraftstoff für 70 %<br />
des Preisschocks verantwortlich ist, im Vergleich<br />
zu einer Angabe der US-Regierung in Höhe von<br />
3 %. Dazwischen liegt <strong>das</strong> Internationale <strong>Institut</strong><br />
für Ernährungspolitik (IFPRI), <strong>das</strong> von etwa 30 %<br />
ausgeht. 60<br />
Nicht nur der Weltmarkt für Nahrungsmittel<br />
ist von solchen Nachfrageentwicklungen betroffen,<br />
es gibt auch direkte Auswirkungen in den<br />
Entwicklungsländern selbst. Denn die EU wird<br />
zur Erreichung der Beimischungsquote einen<br />
großen Teil des Agrosprits aus Entwicklungsländern<br />
importieren müssen. Hierfür hat bereits ein<br />
Wettrennen um die besten Anbauflächen und<br />
die größten Marktanteile eingesetzt. Vertreibungen<br />
und Ausbeutung bis hin zu Schuldknechtschaft<br />
sind nicht selten die Folge, wie Beispiele<br />
aus Indonesien, Kolumbien, Brasilien oder Tansania<br />
zeigen. Die ärmsten und marginalisierten<br />
Bevölkerungsgruppen sind diesem Risiko meist<br />
am stärksten ausgesetzt. 61<br />
So trägt der Agrotreibstoffboom weniger zu<br />
einer Herabsetzung von Treibhausgasen bei,<br />
als vielmehr zu einer Gefahr von Nahrungsunsicherheit<br />
in der Welt. Stetig steigende Preise aufgrund<br />
der erhöhten Nachfrage und Umwidmung<br />
von Nahrungsmitteln in Sprit werden dazu ebenso<br />
beitragen, wie die zunehmende Gefahr von<br />
erheblichen Preisschwankungen, da der Nahrungsmittelmarkt<br />
stärker an den Energiemarkt<br />
gekoppelt wird. Nicht zuletzt eröffnet diese Perspektive<br />
einem weiteren Akteur, der bereits zum<br />
Verlauf der Nahrungsmittelkrise 2008 erheblich<br />
beigetragen hat, alle Türen und Tore: Dem Spekulanten.<br />
Spekulation mit Nahrungsmitteln<br />
Alle oben genannten Faktoren sind entscheidend<br />
für die Preisbildung auf den Rohstoffmärkten,<br />
sie werden mit Sicherheit auch in Zukunft<br />
30 <strong>Wer</strong> <strong>soll</strong> <strong>das</strong> <strong>bezahlen</strong>? • © SÜDWIND 2010