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Wer soll das bezahlen? - SÜDWIND-Institut

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3. Die Nahrungsmittelkrise<br />

Wie sieht die Zukunft aus?<br />

Wir haben es aufgrund der verschiedenen, oben<br />

aufgeführten Faktoren auch in Zukunft mit einer<br />

deutlich steigenden Nachfrage zu tun. Bevölkerungswachstum,<br />

steigender Wohlstand und neue<br />

Konsummuster, sowie der steigende Bedarf an<br />

Agrosprit werden die Nachfrage dauerhaft hoch<br />

halten bzw. steigern. Diese steigende Nachfrage<br />

trifft auf der Angebotsseite zum Einen auf eine<br />

nur langsam wachsende Produktion, zum Anderen<br />

auf klimatische Bedingungen, die in vielen<br />

Regionen auch für die Zukunft begrenzende<br />

Faktoren darstellen.<br />

Langfristig steigende Preise können Produktionssteigerungen<br />

hervorrufen, da neue Anreize<br />

für Investitionen geschaffen werden. Jedoch sind<br />

gerade in den ärmsten Ländern Infrastruktur,<br />

Dienstleistungs- und Bankensysteme nicht gut<br />

genug ausgebaut, als <strong>das</strong>s dort eine rasche Anpassung<br />

möglich wäre. 66 Hier machen sich auch<br />

die jahrzehntelange Vernachlässigung der Landwirtschaft,<br />

die mangelnden Investitionen in technischen<br />

Fortschritt sowie eine kaum vorhandene<br />

Beratung bemerkbar. Zum Zweiten stellen auch<br />

der Klimawandel und die Verfügbarkeit von<br />

fruchtbarem Land und Wasser eine klare Grenze<br />

für Produktionssteigerungen vor allem in den<br />

Entwicklungsländern dar (vgl. Kapitel 2).<br />

Zwar können durch den Klimawandel neue<br />

Anbauflächen erschlossen werden. Die Produktion<br />

in vielen entwickelten Ländern könnte<br />

durch längere Anbauzeiten um 8 % steigen und<br />

Verluste in den Entwicklungsländern teilweise<br />

ausgleichen 67 . Dies gilt aber zum Einen nur für<br />

einen globalen Temperaturanstieg bis 3°C, zum<br />

Anderen würde dies zwangsläufi g zu einer weiteren<br />

Verschärfung der weltweiten Ungleichheit<br />

führen. Denn während Entwicklungsländer noch<br />

66 IFPRI geht davon aus, <strong>das</strong>s ein Preisanstieg von 10 % zu einer<br />

Produktionssteigerung von nur 1 % oder 2 % führt. Vgl. IFPRI<br />

(2008).<br />

67 Vgl. UNDP (2007).<br />

68 Berechnungen gehen beispielsweise davon aus, <strong>das</strong>s ganz Afrika<br />

zu den Verlierern der Preissteigerungen zählt. In Nord- und<br />

Ostafrika könnte sich 2007–2008 die Handelsbilanz sogar um<br />

mehr als 1 % des BIP verschlechtert haben. In Süd- und Westafrika,<br />

in weiten Teilen Sü<strong>das</strong>iens, in Mittel- und im westlichen<br />

Südamerika, sowie im Nahen Osten waren die relativen Verluste<br />

etwas niedriger. Die nördlichen Breitengerade (USA, Kanada,<br />

Russland und Frankreich) aber auch Australien und die<br />

pazifi schen Inseln, sowie der östliche Teil Südamerikas hingegen<br />

zählen zu den Gewinnern. Vgl. WBGU (2008), Graphische<br />

Darstellung auf S. 72.<br />

stärker abhängig werden von Nahrungsmittelimporten,<br />

könnten sie umgekehrt empfi ndliche<br />

Einbußen bei ihren Agrarexportprodukten (Kaffee,<br />

Kakao etc.) erleben. 68<br />

Zudem ist davon auszugehen, <strong>das</strong>s der Ölpreis<br />

tendenziell steigt bzw. hoch bleibt, so <strong>das</strong>s auch<br />

die Nahrungsmittelpreise, die an den Energiemarkt<br />

gekoppelt sind, den Tiefstand der Jahrtausendwende<br />

wohl nicht mehr erreichen werden.<br />

Besonders gefährdet sind daher Länder, die ihren<br />

Bedarf an Erdöl und Lebensmitteln zu einem<br />

Beispiel Bangladesch:<br />

Auswirkungen der<br />

Nahrungsmittelkrise<br />

Vor der Krise konnte Bangladesch große<br />

wirtschaftliche und auch soziale Erfolge verzeichnen.<br />

Zwischen 2003 und 2008 lag <strong>das</strong><br />

Wirtschaftswachstum durchschnittlich bei 6 %<br />

und vor allem im Bildungssektor wurden große<br />

Fortschritte erzielt. Allerdings gibt es auch<br />

immer wieder Rückschläge in der Armutsbekämpfung.<br />

So fegte der Tropensturm Sidr im<br />

November 2007 über <strong>das</strong> Land und forderte<br />

nicht nur viele Menschenleben und vernichtete<br />

Teile der Reisernte, sondern richtete auch<br />

Schäden in dreistelliger Millionenhöhe an.<br />

Da viele arme Haushalte bis zu 40 % ihres<br />

Einkommens alleine für Reis ausgeben, traf<br />

sie der Preisschock besonders hart: Im Juli<br />

2008 war der Reispreis 45 % höher als ein<br />

Jahr zuvor. Ende des Jahres 2008 gab ein<br />

durchschnittlicher Haushalt in Bangladesch<br />

62 % seines Einkommens für Lebensmittel<br />

aus. Im Jahr 2005 waren es noch 52 % gewesen.<br />

Gerade für die armen Haushalte, wo dieser<br />

Anteil sehr viel höher liegt, bedeutete <strong>das</strong>,<br />

<strong>das</strong>s sie entsprechende Ausgaben im Bereich<br />

Gesundheit und Bildung kürzen mussten. Zu<br />

den Bewältigungsstrategien der Haushalte<br />

zählt auch die Einnahme von weniger Mahlzeiten<br />

oder von minderwertigen Lebensmitteln.<br />

Nach dem Höhepunkt der Nahrungsmittelkrise<br />

ergab eine Studie des Welternährungsprogramms,<br />

<strong>das</strong>s sich die Zahl der stark Unterernährten<br />

seit 2005 deutlich vergrößert hat und<br />

ein Viertel aller Menschen in Bangladesch leidet<br />

unter extremer Ernährungsunsicherheit.<br />

Quelle: FAO / WFP (2009).<br />

© SÜDWIND 2010 • Klimakrise. Nahrungsmittelkrise. Finanzmarktkrise.<br />

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