Wer soll das bezahlen? - SÃDWIND-Institut
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4. Die Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
Dabei gilt für die Schwellen- und Entwicklungsländer<br />
genau <strong>das</strong>, was auch für die Industrienationen<br />
gilt: In Zeiten einer Krise und eines<br />
Konjunkturabschwungs muss der Staat investieren<br />
und die Wirtschaft ankurbeln. Tatsächlich<br />
haben vor allem die Schwellenländer zum Teil<br />
Konjunkturpakete in erheblichen Größenordnungen<br />
aufgelegt. Allen voran steht China, <strong>das</strong><br />
ein Konjunkturpaket von insgesamt 13 % des<br />
BIP über zwei Jahre angekündigt hat. Aber auch<br />
Malaysia, Argentinien, Chile, Saudi Arabien und<br />
Ungarn haben im Jahr 2009 teilweise weit über<br />
2 % ihres BIP zur Ankurbelung der Konjunktur<br />
ausgegeben. Insgesamt haben 32 Länder solche<br />
Maßnahmen angekündigt. 107 Die meisten<br />
Entwicklungsländer haben hierfür jedoch keine<br />
Spielräume. Insbesondere in solchen Ländern,<br />
in denen schon im Zuge der Nahrungsmittelkrise<br />
weite Teile der Devisenreserven aufgebraucht<br />
waren und zusätzliche Kredite aufgenommen<br />
werden mussten (z.B. Kenia, Äthiopien 108 ) standen<br />
kaum eigene Mittel zur Verfügung und<br />
weitere Kredite auf den internationalen Finanzmärkten<br />
waren schwer zu bekommen und teuer.<br />
Nach Schätzungen der Weltbank fehlten den<br />
Entwicklungs- und Schwellenländern zwischen<br />
350 und 635 Mrd. US-Dollar allein im Jahr 2009,<br />
davon 30 bis 45 Mrd. US-Dollar in Subsahara-<br />
Afrika. 109 Entsprechend hat die Kreditaufnahme<br />
deutlich zugenommen. Um den hohen Finanzierungsbedarf<br />
abzudecken, wurden vor allem über<br />
den IWF und die Weltbank neue Finanzierungen<br />
bereit gestellt. 500 Mrd. US-Dollar <strong>soll</strong>ten allein<br />
über den IWF kanalisiert werden. Bis zum September<br />
2009 hatten 32 Länder insgesamt 170<br />
Mrd. US-Dollar an neuen Krediten mit dem IWF<br />
vereinbart. Nur 2,5 Mrd. US-Dollar davon waren<br />
tatsächlich besonders zinsgünstige Kredite. 110 Die<br />
Weltbank hat Zahlungen in Höhe von 58,8 Mrd.<br />
US-Dollar angekündigt.<br />
Die 20 Schwellen- und Industrieländer, die<br />
sich zur Krisenbewältigung in der Gruppe der 20<br />
(G-20) zusammen geschlossen haben, wollen<br />
weitere 250 Mrd. US-Dollar für Handelskredite<br />
bereitstellen. Was für die Schaffung von Liquidität<br />
und die Wiederbelebung des Handels gut<br />
sein mag, bedeutet für die Entwicklungsländer<br />
jedoch, <strong>das</strong>s sie die von ihnen nicht verschuldete<br />
Finanzkrise mit neuen Krediten bewältigen<br />
müssen. Die gleiche Wirkung von mehr Liquidität<br />
hätte ein einfaches Schuldenmoratorium<br />
gehabt. Wären für die Länder mit niedrigem<br />
Einkommen die Schuldendienstzahlungen in<br />
den Jahren 2009 und 2010 ausgesetzt worden,<br />
hätten sie insgesamt 26 Mrd. US-Dollar mehr zur<br />
Krisenbewältigung zur Verfügung gehabt, ohne<br />
sich weiter verschulden zu müssen. 111<br />
Die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Verschuldungssituation<br />
der Entwicklungsländer ließen<br />
nicht lange auf sich warten: 28 Länder mit<br />
niedrigem Einkommen hatten bereits im März<br />
2009 die kritische Marke von 60 % Verschuldung<br />
im Verhältnis zum BIP wieder überschritten.<br />
Das waren mehr als doppelt so viele wie vor<br />
der Krise, als dies nur für 12 Länder zutraf. Auch<br />
die Weltbank und UNCTAD verwiesen auf die<br />
Gefahr zunehmender Verschuldung und ernster<br />
Probleme für bis zu 48 der ärmsten Länder. 112<br />
Im April 2010 schließlich kommt eine Studie<br />
des IWF zu dem Ergebnis, <strong>das</strong>s bereits 17 Länder<br />
mit niedrigem Einkommen ein hohes Verschuldungsrisiko<br />
haben und 18 weitere Länder<br />
ein mittleres Risiko. Sieben Länder befi nden sich<br />
nach dieser Untersuchung bereits in einer Situation<br />
der Überschuldung.<br />
Auch auf die bereits bestehenden Schulden<br />
hatte die Finanzkrise ihre Auswirkungen: Viele<br />
Währungen von Entwicklungsländern wurden<br />
stark gegenüber den harten Währungen abgewertet,<br />
113 in denen die Schulden gegenüber dem<br />
Ausland notiert sind. In der ersten Jahreshälfte<br />
2009 wurden beispielsweise die Währungen in<br />
Subsahara-Afrika im Schnitt um 25 % gegenüber<br />
dem Dollar abgewertet. Der sambische<br />
Kwacha verlor 30 % an <strong>Wer</strong>t. Dies kann zwar<br />
107 Zitiert nach: Martens/Schultheiß (2009). Hier fi ndet sich auch<br />
eine ausführliche Tabelle über die geplanten und für 2009 geschätzten<br />
Ausgaben von 32 Ländern zur Konjunkturankurbelung<br />
(s. Seite 51).<br />
108 Bereits im September 2008 hatte der IWF für Länder mit niedrigen<br />
Einkommen eine spezielle Kreditlinie zur Abfederung<br />
von Preisschocks eingerichtet (Exogenous Schocks Facility:<br />
Vgl. http://www.imf.org/external/pubs/ft/survey/so/2008/PO-<br />
L091908A.htm). Von dieser Möglichkeit machten z.B. Äthiopien<br />
und Malawi im Januar 2009, Kenia im Juni 2009, und<br />
Äthiopien erneut im August 2009 Gebrauch (vgl. auch Kasten<br />
auf S. 35).<br />
109 Vgl. Weltbank (2009c).<br />
110 Vgl. Eurodad (2009).<br />
111 Vgl. UNCTAD (2009).<br />
112 Vgl. Eurodad (2009): Die hier zitierten Quellen sind IWF<br />
(2009a), Weltbank (2009c), UNCTAD (2009).<br />
113 Die starken Kapitalabflüsse üben Druck auf die einheimischen<br />
Währungen aus. Das Geld, <strong>das</strong> abgezogen wird, wird in ausländische<br />
Währung umgetauscht, so <strong>das</strong>s die ausländische<br />
Währung stärker nachgefragt und die einheimische Währung<br />
stärker angeboten wird.<br />
50 <strong>Wer</strong> <strong>soll</strong> <strong>das</strong> <strong>bezahlen</strong>? • © SÜDWIND 2010