Wer soll das bezahlen? - SÃDWIND-Institut
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3. Die Nahrungsmittelkrise<br />
Strukturanpassung und Nahrungsmittelproduktion<br />
Vor allem nach Ausbruch der Schuldenkrise der<br />
Entwicklungsländer in den 1980er Jahren mussten<br />
sich viele Länder, sofern sie die Unterstützung<br />
ihrer Gläubiger suchten, einer marktliberalen<br />
Wirtschaftsordnung unterordnen, die noch<br />
heute weitgehend <strong>das</strong> wirtschaftspolitische Denken<br />
weltweit bestimmt. Grundprinzipien dieser<br />
Wirtschaftsordnung sind der freie Handel mit<br />
Waren und Dienstleistungen, der weitgehende<br />
Rückzug des Staates aus der Wirtschaft und der<br />
ungehinderte Kapitalverkehr. Um auch zukünftig<br />
Schulden <strong>bezahlen</strong> zu können, <strong>soll</strong>ten zudem<br />
die Einnahmen des Staates gesteigert und die<br />
Ausgaben begrenzt werden. Eine Konzentration<br />
auf Exportförderung und Privatisierung vieler<br />
Staatsbetriebe waren daher wichtige Eckpfeiler<br />
in solchen Politikempfehlungen. Auch der kontinuierliche<br />
Abbau von Nahrungsmittelvorräten<br />
(z.B. in Malawi) ist der strengen Auflagenpolitik<br />
vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und<br />
der Weltbank geschuldet.<br />
In Bezug auf die Produktion von Nahrungsmitteln<br />
wurden im Zuge der Strukturanpassungen<br />
eine Reihe staatlicher Leistungen gestrichen,<br />
die zuvor die Bauern auf dem Land<br />
begünstigt hatten. Hierzu zählen z.B. Preiskontrollen<br />
oder Subventionen für Düngemittel,<br />
Saatgut und Pestizide, staatliche Mikrokreditsysteme<br />
und Beratungen. Der Rückzug des<br />
Staates bewirkte allerdings nicht, wie erhofft,<br />
ein Ansteigen der privaten Investitionen in<br />
die Landwirtschaft. Vielerorts wurden private<br />
Investitionen in die Landwirtschaft oder die<br />
ländliche Infrastruktur durch den Rückzug des<br />
Staates sogar eher abgeschreckt, denn <strong>das</strong> Umfeld<br />
schien nun unsicherer geworden zu sein.<br />
Die Lücke, die der Staat hinterließ, wurde nicht<br />
durch den Privatsektor geschlossen. Auch die<br />
internationale Entwicklungszusammenarbeit,<br />
die sich ebenso aus diesem Bereich zurückzog,<br />
konnte die Lücke nicht schließen. In den Jahren<br />
zwischen 1980 und 2002 gingen die Finanzmittel<br />
internationaler Geberorganisationen in<br />
die Landwirtschaft von 3,4 Mrd. US-Dollar auf<br />
0,5 Mrd. US-Dollar zurück. Auch die staatliche<br />
Entwicklungshilfe ging von 2,8 Mrd. US-Dollar<br />
auf 1,7 Mrd. US-Dollar zurück.<br />
Durch die Liberalisierung des Handels kam<br />
hinzu, <strong>das</strong>s viele landwirtschaftliche Produkte<br />
beispielsweise aus Afrika nicht mehr mit den<br />
hoch subventionierten Agrarprodukten aus<br />
dem Norden konkurrieren konnten. Nach neuesten<br />
Untersuchungen der Konferenz der Vereinten<br />
Nationen für Handel und Entwicklung<br />
(UNCTAD) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation<br />
der Vereinten Nationen<br />
(FAO) gehen diese Subventionen mit einem<br />
rasch wachsenden Import an Grundnahrungsmitteln<br />
einher. Das Ergebnis war für viele, insbesondere<br />
in den ärmeren Ländern, <strong>das</strong>s sie<br />
von Nahrungsmittelexporteuren zu Nahrungsmittelimporteuren<br />
wurden.<br />
Gleichzeitig wurden im Zuge der Exportorientierung<br />
diejenigen Großbetriebe begünstigt,<br />
die auf den guten landwirtschaftlichen Nutzflächen<br />
vorrangig Exportprodukte wie Kaffee,<br />
Kakao oder tropische Früchte anbauten. Viele<br />
Länder konzentrierten sich so stark auf einige<br />
wenige Agrarprodukte, <strong>das</strong>s ihr Haushalt nun<br />
von diesen Exporten besonders abhängig ist.<br />
Eine schlechte Ernte oder ein plötzlicher Preisverfall<br />
schlagen dann besonders stark zu Buche.<br />
Durch die Tatsache, <strong>das</strong>s viele Länder gleiche<br />
oder ähnliche Politikempfehlungen erhielten,<br />
kam es zudem durch die weltweiten Produktionssteigerungen<br />
zu einem größeren Angebot<br />
und somit zu einem Preisverfall für eben diese<br />
Produkte.<br />
In der jüngsten Krise hatte <strong>das</strong> fatale Auswirkungen.<br />
So schätzen die Vereinten Nationen,<br />
<strong>das</strong>s im Zuge der Nahrungsmittelkrise die extreme<br />
Armut in Subsahara-Afrika um fast 8 %<br />
gestiegen ist (bei sonst gleichen Bedingungen).<br />
Die Erfolge bei der Armutsbekämpfung der<br />
vergangenen Jahre sind zu einem erheblichen<br />
Teil damit wieder zunichte gemacht worden.<br />
Quelle: UNCTAD (2008), Bello (2010).<br />
(aus stärke- bzw. zuckerreichen Pflanzen wie<br />
Mais, Weizen oder Zuckerrohr) oder Biodiesel<br />
(aus Ölsaaten wie Raps oder Ölpalmen) verarbeitet<br />
werden. Agrotreibstoffe haben im Zuge<br />
des fortschreitenden Klimawandels immer mehr<br />
an Aufmerksamkeit gewonnen, denn sie <strong>soll</strong>en<br />
den CO 2 -Ausstoß verringern. Theoretisch ist<br />
Agrotreibstoff CO 2 -neutral, denn es wird beim<br />
© SÜDWIND 2010 • Klimakrise. Nahrungsmittelkrise. Finanzmarktkrise.<br />
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