ES-Spiegel Nr.16.pdf - Technische Universität Chemnitz
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<strong>ES</strong>-<strong>Spiegel</strong> - Halbjährlicher Newsletter der <strong>Chemnitz</strong>er Europa-Studien<br />
Thema<br />
18<br />
kannte die Young Americans, woher<br />
sollten sie das Vertrauen haben? Das<br />
Problem verstand ich nicht. Im Oktober<br />
brach die Gruppe zusammen.<br />
Es gab eine Krisensitzung, ich sah<br />
ein, dass wir Bi-, vielleicht sogar Mononationalität<br />
ins Auge fassen mussten.<br />
Wir erstellten wieder Pläne, diesmal<br />
präziser, Görlitz wurde in Erwägung<br />
gezogen. Noch mehr Grenznähe<br />
ging nun wirklich nicht. Der neue<br />
Plan schaffte Überblick und brachte<br />
im ersten Moment Erleichterung. Geändert<br />
hatte sich nichts, keine Schulen,<br />
kein Aufführungsort, kein Geld.<br />
Fragen und Antworten blieben dieselben.<br />
Wir drehten uns im Kreis. Wozu<br />
der Plan? Ich bestand auf der Trinationalität,<br />
es änderte eh nichts. Eine<br />
nach der anderen stieg aus, verübeln<br />
konnte ich es keiner.<br />
Realistisch betrachtet war das Projekt<br />
am Ende. Es brauchte schon einiges,<br />
um die Fakten zu ignorieren. Mitte<br />
November saß ich in Olomouc und<br />
hatte nichts, nichts außer fünfeinhalb<br />
Monaten, einer Homepage und fünf<br />
Mailadressen. Selbst meine Eltern<br />
sagten mir, dass ich die Projektgröße<br />
doch noch einmal überdenken solle.<br />
Aufhören? Konsequenzen hätte das<br />
keine gehabt. Dem Europamanager<br />
hätte ich nie wieder unter die Augen<br />
treten können. Er hatte mir vertraut.<br />
Ich ignorierte die Fakten.<br />
Für Rosinenpickerei war keine Zeit<br />
mehr, ich suchte alle Grund-, Mittel-,<br />
Förderschulen und Gymnasien in<br />
Zittau heraus und schrieb sie gleichzeitig<br />
an. Fast allen telefonierte ich<br />
hinterher, oft sprach ich drei, vier Mal<br />
mit Sekretärinnen, Lehrern und<br />
Schulleitern. Drei Schulen zeigten<br />
Interesse, eine Mittel-, eine Grundund<br />
eine Förderschule.<br />
Sobald ich Weihnachten wieder in<br />
Deutschland war, fuhr mein Vater mit<br />
mir nach Zittau, über 300 Kilometer<br />
hin und wieder zurück. Alle drei<br />
Schulen sagten zu, unter Vorbehalt.<br />
Mein wichtigster Ansprechpartner<br />
würde Frau Kushmann sein, die<br />
Schulleiterin der Mittelschule am<br />
Burgteich. Die Teilnehmerbeiträge<br />
mussten gestützt werden, trotz der<br />
schönen Fassaden gibt es kein Geld<br />
in der Region. Das Finanzierungsproblem<br />
wuchs an, auf rund 5.500<br />
Euro.<br />
Vor Weihnachten telefonierte ich,<br />
nach Weihnachten telefonierte ich.<br />
Hausarbeiten hatte ich auf Eis gelegt.<br />
Tanz, Musik und strahlende Gesichter<br />
hatten Vorrang. Die Sächsische Bildungsagentur<br />
blieb lange Zeit der einzige<br />
Erfolg. Eine Kooperation mit dem<br />
trinationalen Neissefilmfestival schlug<br />
fehl, Supermärkte dürfen keine Lebensmittel<br />
spenden; Autohäuser, Banken,<br />
Versicherungen, Spülmittelproduzenten,<br />
Bäckereien, Fleischereien,<br />
örtliche Stiftungen. Ob Sach- oder<br />
Geldspenden, fast niemand war bereit<br />
dazu, Fristen waren abgelaufen.<br />
Inzwischen mussten fast 8.000 Euro<br />
aufgebracht werden, es würde zu<br />
schwer sein, in Zittau Gastfamilien für<br />
die Young Americans zu finden, Erfahrung.<br />
Ende Februar hatte ich Zusagen<br />
für 2.500 Euro und 20 kg Äpfel.<br />
Beim Klingeln meines Handys zuckte<br />
ich zusammen, wollte wieder jemand<br />
den aktuellen Stand abfragen?<br />
Anfang März wurde es auch Frau<br />
Kushmann zu heiß. Sie stellten ihren<br />
Schülern das Projekt vor. Deren „Ja“<br />
entschied. Endlich verstand ich, wofür<br />
Frau Kushmann brennt: ihre Schüler.<br />
Für sie würde sie ganz Zittau auf den<br />
Kopf stellen. Und wie sie das tat.<br />
Nach 48 Stunden hatte sie unser Guthaben<br />
verdoppelt. Sie kam an Töpfe<br />
ran, von denen ich nicht einmal erfuhr.<br />
Erst jetzt begriff ich, wie viel es wert<br />
ist, wie viel es wirklich ausmacht, vor<br />
Ort zu sein und dort ein Netzwerk zu<br />
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