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146 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2008<br />
Lemke, Sind Zweigstellen von Rechtsanwaltskanzleien als solche zukennzeichnen?<br />
Sind Zweigstellen von Rechtsanwaltskanzleien inBriefbögen, E-Mails, Webseiten<br />
o<strong>de</strong>r auf Kanzleischil<strong>de</strong>rn als solche zukennzeichnen?<br />
Rechtsanwalt Dr. Christian Lemke, Hamburg*<br />
1. Ausgangslage<br />
Durch Art. INr. 17 <strong>de</strong>s Gesetzes zur Stärkung <strong>de</strong>r Rechtsanwaltschaft<br />
vom 30.3.2007 1 wur<strong>de</strong> §28BRAO und damit auch<br />
das bisherige Zweigstellenverbot <strong>de</strong>s §28Abs. 1Satz 1BRAO<br />
aufgehoben. Nur vereinzelt fin<strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>rzeit noch Regelungen<br />
zu Zweigstellen in<strong>de</strong>r BRAO: Nach §31 Abs. 3BRAO haben<br />
die Kammern in<strong>de</strong>m elektronischen Verzeichnis <strong>de</strong>r in ihrem<br />
Bezirk zugelassenen Rechtsanwälte auch <strong>de</strong>ren etwaige<br />
Zweigstellen anzugeben. Nach §27Abs. 2Satz 2BRAO ist die<br />
Errichtung einer Zweigstelle im Bezirk einer an<strong>de</strong>ren Rechtsanwaltskammer<br />
auch dieser Rechtsanwaltskammer anzuzeigen.<br />
Damit stellt sich die Frage, ob die Verpflichtung besteht, in<br />
Briefbögen o<strong>de</strong>r sonst kenntlich zumachen, dass eine Kanzlei<br />
„nur“ eine Zweigstelle einer an<strong>de</strong>rweit belegenen „Hauptstelle“<br />
ist o<strong>de</strong>r obeshingegen etwa gestattet ist, für die Zweigstelle<br />
einen Briefbogen zu verwen<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m keinerlei Hinweis auf die<br />
„Hauptstelle“ zu entnehmen ist.<br />
2. Berufsrechtliche Regelungen<br />
Wie ausgeführt fin<strong>de</strong>n sich spezifische berufsrechtliche Regelungen<br />
zu Zweigstellen nur in <strong>de</strong>n §§ 27 Abs. 2, 31 Abs. 3<br />
BRAO. Notwendige Angaben für anwaltliche Briefbögen fin<strong>de</strong>n<br />
sich in<strong>de</strong>n Bestimmungen <strong>de</strong>s §10BORA. Nach §10<br />
Abs. 3BORA ist bei Unterhaltung mehrerer Kanzleien für je<strong>de</strong>n<br />
auf <strong>de</strong>n Briefbögen Genannten seine Kanzleianschrift anzugeben.<br />
ObimFall <strong>de</strong>r Unterhaltung von Haupt- und Zweigstellen<br />
auch Letztere angegeben o<strong>de</strong>r Zweigstellen als solche<br />
ausgewiesen sein müssen, ist dieser Bestimmung nicht zuentnehmen.<br />
Sie galt auch längst vor Wegfall <strong>de</strong>s Zweigstellenverbotes<br />
und betrifft überörtliche Sozietäten. Für die nun zulässigen<br />
Zweigstellen kann dieser Bestimmung folglich nichts entnommen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Römermann vertritt überdies die Auffassung, <strong>de</strong>r Satzungsversammlung<br />
fehle die erfor<strong>de</strong>rliche Regelungskompetenz, um<br />
Bestimmungen zu Zweigstellen in die BORA aufzunehmen.<br />
Denn <strong>de</strong>r Gesetzgeber <strong>de</strong>s Jahres 1994, <strong>de</strong>r in §59b BRAO<br />
eine Ermächtigungsgrundlage für <strong>de</strong>n Erlass einer Berufsordnung<br />
durch die Satzungsversammlung schuf, sei schließlich<br />
von einem grundsätzlichen Zweigstellenverbot ausgegangen<br />
und habe <strong>de</strong>mnach offenbar keinen Regelungsbedarf gesehen.<br />
Soweit §59b Abs. 2Nr. 1lit. g)BRAO eine Kompetenz zur<br />
„Kanzleipflicht“ statuiere, beziehe sich dies nur auf die „Kanzlei“<br />
im „engeren berufsrechtlichen Sinne“ und „nicht auf die<br />
Zweigstelle o<strong>de</strong>r gar auswärtige Sprechtage“. 2<br />
Nach Römermann fehle es daher an einer Rechtsgrundlage,<br />
wenn Kammern zuweilen seit Inkrafttreten <strong>de</strong>r Gesetzesän<strong>de</strong>rung<br />
for<strong>de</strong>rten, <strong>de</strong>r Anwalt möge auf seinen Briefbögen stets<br />
sämtliche Adressen <strong>de</strong>r Kanzlei und <strong>de</strong>r Zweigstelle(n) angeben,<br />
was auch für die zum Teil postulierte Verpflichtung gelte,<br />
die Zweigstelle nach außen sichtbar als solche zukennzeichnen,<br />
etwa auf <strong>de</strong>m Kanzleischild o<strong>de</strong>r Visitenkarten. 3<br />
Auch Römermann verkennt in<strong>de</strong>s nicht, dass für Rechtsanwälte<br />
nicht allein berufsrechtliche, son<strong>de</strong>rn insbeson<strong>de</strong>re wettbewerbsrechtliche<br />
Bestimmungen maßgebend sind und Berufsrecht<br />
und Wettbewerbsrecht nebeneinan<strong>de</strong>r stehen – wenngleich<br />
er gegen BGH und BVerfG die Auffassung vertritt, wettbewerbsrechtliches<br />
Vorgehen <strong>de</strong>r Kammern gegen Berufskollegen<br />
sei verfassungswidrig. 4<br />
Es bleibt daher zuprüfen, aus welchen sonstigen –insbeson<strong>de</strong>re<br />
wettbewerbsrechtlichen –Bestimmungen sich Verpflichtungen<br />
im Hinblick auf die Kenntlichmachung von Zweigstellen<br />
als eben solchen ergeben könnten. Verstöße gegen entsprechen<strong>de</strong><br />
Bestimmungen könnten dann ggf. über §43 BRAO<br />
auch berufsrechtlich zuahn<strong>de</strong>n sein.<br />
3. Firmenrechtliche Regelungen<br />
Gem. §37a HGB sindauf Geschäftsbriefen <strong>de</strong>s Kaufmanns u.a.<br />
Registernummer, Registergericht und „Ort seiner Han<strong>de</strong>lsnie<strong>de</strong>rlassung“<br />
anzugeben. Ort <strong>de</strong>r Han<strong>de</strong>lsnie<strong>de</strong>rlassung ist <strong>de</strong>r<br />
Ort seiner Hauptnie<strong>de</strong>rlassung (§13Abs. 1HGB). 5 Über §33<br />
Abs. 4HGB gilt §37a HGB für alle juristischen Personen; ergänzend<br />
bestimmen <strong>de</strong>r für die oHG gelten<strong>de</strong> §125a HGB –<br />
<strong>de</strong>r über §7 Abs. 5PartGG auch für die Partnerschaftsgesellschaft<br />
gilt –, §177a HGB für die KG, §35a GmbHG für die<br />
GmbH o<strong>de</strong>r etwa §80AktG die Angabe <strong>de</strong>s „Sitzes“ inGeschäftsbriefen.<br />
Anzugeben ist wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>r Hauptnie<strong>de</strong>rlassung;<br />
die Angabe <strong>de</strong>s Ortes <strong>de</strong>r Zweignie<strong>de</strong>rlassung genügt<br />
nicht. 6<br />
Die in<strong>de</strong>r Rechtsform etwa <strong>de</strong>r GmbH o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Partnerschaftsgesellschaft<br />
organisierten Sozietäten müssen Zweigstellen daher<br />
schon über die han<strong>de</strong>lsrechtlichen Pflichtangaben inihren<br />
Geschäftsbriefen als solche erkennbar machen.<br />
Mit <strong>de</strong>m Gesetz über elektronische Han<strong>de</strong>lsregister und Genossenschaftsregister<br />
sowie das Unternehmensregister (EHUG)<br />
vom 10.11.2006 7 hat <strong>de</strong>r Gesetzgeber in Umsetzung <strong>de</strong>r EU-<br />
Publizitätsrichtlinie überdies erweiterte Regelungen betreffend<br />
die Pflichtangaben <strong>de</strong>r Kapitalgesellschaften, <strong>de</strong>r Personengesellschaften,<br />
<strong>de</strong>r Genossenschaft und <strong>de</strong>s Einzelkaufmanns eingeführt<br />
und Pflichtangaben nach <strong>de</strong>n §§ 37a, 125a HGB, §35a<br />
GmbHG, §80AktG und §25a GenG ausdrücklich auf Geschäftsbriefe<br />
„gleichviel welcher Art“ –und damit auch geschäftliche<br />
E-Mails –ausge<strong>de</strong>hnt.<br />
Für <strong>de</strong>n Einzelanwalt und Sozietäten in <strong>de</strong>r Rechtsform <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />
bürgerlichen Rechts bestehen entsprechen<strong>de</strong> Regelungen<br />
hingegen nicht. In Betracht käme insoweit allenfalls <strong>de</strong>ren<br />
analoge Anwendung. Schließlich verfolgt das EHUG das<br />
∗ Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für Informationstechnologierecht,<br />
Mitglied <strong>de</strong>s Vorstands <strong>de</strong>r Hanseatischen<br />
Rechtsanwaltskammer Hamburg.<br />
1BGBl. I2007, S. 358.<br />
2 Römermann, AnwBl. 2007, 609, 610.<br />
3 Römermann, a.a.O. S.610.<br />
4 Römermann in Hartung, BORA Vor §6Rdnr. 134 ff.<br />
5Vgl. etwa Baumbach/Hopt, HGB §37a Rdnr. 3;§29 Rdnr. 5.<br />
6Vgl. etwa Baumbach/Hueck, GmbHG §35a; Hüffer AktG, § 80<br />
Rdnr. 2je m.w.N.<br />
7BGBl. I2006, 2553.