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168 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2008<br />

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />

in <strong>de</strong>nen es um Geldstrafen für Verkehrsstraftaten in<strong>de</strong>n Jahren<br />

2001–2002 gegangen sei, aufgelistet habe. Der Gerichtshof<br />

stellt fest, dass das <strong>de</strong>m Bf. auferlegte Verbot, die Bezeichnung<br />

„Verkehrsrechtsspezialist“ in seinem anwaltlichen Briefkopf zu<br />

führen, einen Eingriff insein Recht auf freie Meinungsäußerung<br />

darstellt.<br />

Ein solcher Eingriff verstößt gegen Art. 10, wenn er nicht<br />

„gesetzlich vorgeschrieben“ ist, ein o<strong>de</strong>r mehrere legitime<br />

Ziele nach Abs. 2 verfolgt und „in einer <strong>de</strong>mokratischen<br />

Gesellschaft“ zur Erreichung dieses Ziels o<strong>de</strong>r dieser Ziele<br />

„erfor<strong>de</strong>rlich“ ist.<br />

Der Gerichtshof stellt fest, dass die innerstaatlichen Gerichte<br />

ihre Entscheidungen auf §§ 1 und 3 UWG stützten. Diese<br />

gesetzlichen Bestimmungen enthalten Regeln über irreführen<strong>de</strong><br />

Werbung allgemein, einschließlich <strong>de</strong>r Werbung durch<br />

RAe. Daher war <strong>de</strong>r gerügte Eingriff „gesetzlich vorgeschrieben“.<br />

Mit <strong>de</strong>n o.g. Bestimmungen wur<strong>de</strong> auch ein i.S.v. Art. 10<br />

Abs. 2legitimes Ziel verfolgt, nämlich <strong>de</strong>r Schutz <strong>de</strong>r Rechte<br />

an<strong>de</strong>rer, die Gefahr liefen, durch irreführen<strong>de</strong> Werbung im<br />

Zusammenhang mit unfairem Wettbewerb einen Nachteil zu<br />

erlei<strong>de</strong>n.<br />

Bzgl. <strong>de</strong>r Frage, ob <strong>de</strong>r in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong> Eingriff „in einer<br />

<strong>de</strong>mokratischen Gesellschaft erfor<strong>de</strong>rlich“ war, weist <strong>de</strong>r<br />

Gerichtshof erneut darauf hin, dassWerbung für<strong>de</strong>n Bürger ein<br />

Mittel zur Ermittlung <strong>de</strong>r Beschaffenheit <strong>de</strong>r von ihm angebotenen<br />

Dienstleistungen und Waren darstellt. Dennoch darf sie<br />

gelegentlich eingeschränkt wer<strong>de</strong>n, insbeson<strong>de</strong>re zur Verhin<strong>de</strong>rung<br />

unlauteren Wettbewerbs o<strong>de</strong>r wahrheitswidriger o<strong>de</strong>r<br />

irreführen<strong>de</strong>r Werbung. Unter gewissen Umstän<strong>de</strong>n kann sogar<br />

die Veröffentlichung objektiver und wahrheitsgemäßer Werbung<br />

eingeschränkt wer<strong>de</strong>n, um die Rechte Dritter zuwahren<br />

o<strong>de</strong>r die Beson<strong>de</strong>rheiten bestimmter geschäftlicher Tätigkeiten<br />

o<strong>de</strong>r Berufe zu berücksichtigen (siehe Stambuk ./. Deutschland,<br />

Individualbeschwer<strong>de</strong> Nr. 37928/97, Rdnr. 39, 17.10.2002).<br />

Alle <strong>de</strong>rartigen Einschränkungen sind jedoch durch <strong>de</strong>n<br />

Gerichtshof genau zu prüfen, dieser muss die sich aus diesen<br />

Beson<strong>de</strong>rheiten ergeben<strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnisse mit <strong>de</strong>r in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong>n<br />

Werbung abwägen und dazu die angefochtene Sanktion<br />

imLichte <strong>de</strong>s Falles als Ganzem betrachten (siehe Casado<br />

Coca ./. Spanien, Urt. v. 24.2.1994, Serie A, Bd. 285-A, S. 20,<br />

Rdnr. 51).<br />

In RAe betreffen<strong>de</strong>n Fällen hat <strong>de</strong>r Gerichtshof festgestellt, dass<br />

sich die üblichen Einschränkungen bzgl. <strong>de</strong>s Verhaltens von<br />

Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Anwaltskammern mit <strong>de</strong>ren zentraler Position<br />

in <strong>de</strong>r Rechtspflege als Mittler zwischen Allgemeinheit und<br />

Gerichten erklären lassen (siehe Schöpfer ./. Schweiz, Urt. v.<br />

20.5.1998, Urteils- und Entscheidungssammlung 1998-III,<br />

S. 1052, Rdnr. 29, unter Verweis auf das oben erwähnte Urteil<br />

in <strong>de</strong>r Rechtssache Casado Coca ./. Spanien, S. 21, Rdnr. 54,<br />

und, in jüngerer Zeit, Nikula ./. Finnland, Individualbeschwer<strong>de</strong><br />

Nr. 31611/96, Rdnr. 45, 22.3.2002). Unter Berücksichtigung<br />

<strong>de</strong>s breiten Spektrums von Regelungen und <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rungen<br />

in <strong>de</strong>n Staaten, die <strong>de</strong>m Europarat angehören, sind<br />

die anwaltlichen Gremien und die innerstaatlichen Behör<strong>de</strong>n<br />

wegen ihrer unmittelbaren und ständigen Kontakte besser als<br />

die internationalen Gerichte in<strong>de</strong>r Lage, darüber zu entschei<strong>de</strong>n,<br />

wie die verschie<strong>de</strong>nen betroffenen Interessen gegeneinan<strong>de</strong>r<br />

abgewogen wer<strong>de</strong>n können (siehe Casado Coca, Urt.,<br />

a.a.O., S.21, Rdnr. 54–55).<br />

Zwar nimmt <strong>de</strong>r Gerichtshof zur Kenntnis, dass es innerhalb<br />

<strong>de</strong>r EU in jüngerer Zeit Bemühungen gibt, alle vollständigen<br />

Verbote hinsichtlich kommerzieller Kommunikationen zu<br />

beseitigen (Art. 24 <strong>de</strong>r Richtlinie 2006/123/EG <strong>de</strong>s Europäischen<br />

Parlaments und <strong>de</strong>s Rates v. 12.12.2006 über Dienstleistungen<br />

im Binnenmarkt), fin<strong>de</strong>t es aber auchwichtig,herauszustellen,<br />

dass das vorliegen<strong>de</strong> Verfahren <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s unlauteren<br />

Wettbewerbs betrifft, einen Bereich, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Gerichtshof<br />

als komplex und als Schwankungen unterworfen ansieht, und<br />

in <strong>de</strong>m daher ein gewisser Ermessensspielraum unverzichtbar<br />

erscheint.<br />

Gewisser Ermessensspielraum<br />

unverzichtbar<br />

(Jacubowski ./. Deutschland,<br />

Individualbeschwer<strong>de</strong><br />

Nr. 15088/89, Urt. v.<br />

23.6.1994, Serie A,<br />

Bd. 291-A, S. 14, Rdnr. 26, markt intern Verlag GmbH und<br />

Klaus Beermann ./. Deutschland, Individualbeschwer<strong>de</strong><br />

Nr. 10573/88, Urt. v. 20.11.1989, Serie A, Bd. 165, S. 17–19,<br />

Rdnr. 33).<br />

In <strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n Fall hielt das LG die Art und Weise, in <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Bf. für sich als „Verkehrsrechtsspezialist“ Werbung betrieb,<br />

für irreführend, da das anwendbare <strong>de</strong>utsche Recht die<br />

Bezeichnung „Spezialist“ nicht anerkannte, son<strong>de</strong>rn statt<strong>de</strong>ssen<br />

eine Spezialisierungsleiter vorsah, <strong>de</strong>ren höchste Stufe die<br />

Bezeichnung „Fachanwalt“ darstellte. Die Gerichte vertraten<br />

die Auffassung, dass ein gewöhnlicher Bürger die Bezeichnung<br />

„Spezialist“ fälschlicherweise so verstehen könne, als spiegele<br />

sie eine noch höhere Fachkompetenz als die Bezeichnung<br />

„Fachanwalt“ wi<strong>de</strong>r, und daher bei <strong>de</strong>r Wahl eines RA <strong>de</strong>m<br />

Erstgenannten <strong>de</strong>n Vorzug vor <strong>de</strong>m Letztgenannten geben<br />

könnte. Dies könnte gegenüber <strong>de</strong>n RAen, die sich andie im<br />

<strong>de</strong>utschen Recht vorgesehene Qualifikationsleiter hielten, zu<br />

einem Wettbewerbsvorteil führen.<br />

Der Gerichtshof ist <strong>de</strong>r Auffassung,<br />

dass die von <strong>de</strong>m LG Keine Willkür<br />

angeführten Grün<strong>de</strong> nicht als<br />

willkürlich angesehen wer<strong>de</strong>n können und <strong>de</strong>n Eingriff in das<br />

Recht <strong>de</strong>s Bf. auf freie Meinungsäußerung rechtfertigen könnten.<br />

Gem. einer Entscheidung <strong>de</strong>s BVerfG v. 28.7.2004 (auf die<br />

oben Bezug genommen wird) scheint es, dass nach <strong>de</strong>utschem<br />

Recht die Bezeichnung „Fachanwalt“ für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s Verkehrsrechts<br />

nicht vorgesehen ist. Obwohl in dieser Entscheidung<br />

nicht auf das Gesetz gegen <strong>de</strong>n unlauteren Wettbewerb<br />

Bezug genommen wur<strong>de</strong>, scheint daher nicht die Gefahr zu<br />

bestehen, dass gewöhnliche Bürger durch die unterschiedlichen<br />

Bezeichnungen „Fachanwalt für Verkehrsrecht“ und „Verkehrsrechtsspezialist“<br />

verwirrt wür<strong>de</strong>n. Jedoch wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Bf.<br />

die Verwendung <strong>de</strong>r Bezeichnung „Spezialist“ nicht nur wegen<br />

<strong>de</strong>r möglichen Verwirrung hinsichtlich <strong>de</strong>r Verwendung <strong>de</strong>r<br />

Bezeichnungen untersagt, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>swegen, weil er<br />

nicht substantiiert dargelegt hatte, dass er im Verkehrsrecht<br />

über so viel Erfahrung o<strong>de</strong>r Fachwissen verfügte, wie erfor<strong>de</strong>rlich<br />

wäre, um eine Bezeichnung als „Verkehrsrechtsexperte“<br />

zu rechtfertigen.<br />

Fachwissen nicht substantiiert<br />

dargelegt<br />

Der Schriftsatz <strong>de</strong>s Bf. andas<br />

OLG enthielt nur eine Auflistung<br />

von Fällen ohne je<strong>de</strong>n<br />

Hinweis darauf, dass diese<br />

beson<strong>de</strong>re Kenntnisse auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Verkehrsrechts erfor<strong>de</strong>rten.<br />

Das OLG stellte fest, dass diese Liste zum Nachweis,<br />

dass <strong>de</strong>r Bf. sich tatsächlich als Verkehrsrechtsspezialist qualifiziert<br />

habe, nicht geeignet sei, und <strong>de</strong>r Bf. hat <strong>de</strong>m Gerichtshof<br />

we<strong>de</strong>r die Liste selbst noch sonstiges Material vorgelegt, aus<br />

<strong>de</strong>m sich ergeben könnte, dass das OLG sich hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Bewertung, die Liste sei zum Nachweis <strong>de</strong>r Erfahrungen <strong>de</strong>s Bf.<br />

nicht geeignet, geirrt habe.<br />

Bzgl. <strong>de</strong>r Fachkenntnisse <strong>de</strong>s Bf. stellt <strong>de</strong>r Gerichtshof fest, dass<br />

<strong>de</strong>r Bf. nicht dargelegt hat, dass er neben seiner Teilnahme an<br />

einem Lehrgang <strong>de</strong>r DAA über weitere beson<strong>de</strong>re Kenntnisse<br />

verfügte. Daher lässt sich die vorliegen<strong>de</strong> Rechtssache von <strong>de</strong>r

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